Tag gegen Homophobie: „München hat Vorbild-Charakter“
München - Seit 2005 gilt der 17. Mai als internationaler Tag gegen Homophobie. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Stamm lädt am Freitag um 12.30 Uhr zu einem Fachgespräch in den Konferenzsaal des Landtags. Thema: Wie homophob sind wir?
Eine Gesprächspartnerin wird dabei Rita Braaz (52) sein. Die Münchnerin hat (knapp vergeblich) auf der Rosa Liste für den Stadtrat kandidiert, sie arbeitet für die Lesbenberatungsstelle Letra. Mit der AZ hat sie über einige Lebensbereiche gesprochen:
Stadtpolitik: „Für mich ist die Entwicklung beängstigend. Die CSU ist mit Josef Schmid in München städtischer und weltoffener, aber die Gesamtpartei ist das ja keineswegs. Da positioniert sich die CSU als Gesamtpartei immer wieder gegen die Rechte zur Gleichstellung.
Jetzt sitzt auch noch die AfD im Stadtrat, die im Bund klare Statements gegen die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgendern abgibt, das beunruhigt mich.“
München: „Es gibt ein klares Bekenntnis für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgendern, das wurde von der Stadtregierung und von Christian Ude als OB massiv unterstützt. Von städtischer Seite sind wir unglaublich gut aufgestellt und haben deutschlandweit Vorbild-Charakter. Was nicht heißt, dass es hier keine Menschen mit abwertender oder feindlicher Einstellung gegen Homosexualität gibt.“
Bayern: „Während sich München klar positioniert hat, passiert in Bayern dazu: nichts! Bayern ist eines der wenigen Bundesländer, die keine Antidiskriminierungs-Erklärung abgegeben haben. Es gibt keine Maßnahmen und keine Fürsprecher aus der Regierungsmehrheit.
Das führt dazu, dass sich viele Lesben und Schwule gerade auf dem Land lieber nicht outen. Für viele ist das ein Grund, in die Stadt zu ziehen. In der Stadt kann ich besser leben, weil sie mehr Vielfalt und Hilfe bietet.“
Toleranz: „Ich kenne eine Mutter, sie lebt auf dem Land, die ich immer für sehr tolerant gehalten habe. Ihre Toleranz war an dem Tag erschüttert, als ihre Tochter ihr mitteilte, dass sie lesbisch ist. Die Mutter sagte: ,In diesem Moment hatte ich das Gefühl: Nein! Bitte nicht! Nicht meine Tochter. Die soll es im Leben nicht so schwer haben!’
Da stellt sich die Frage: Ist das dann Homophobie? Oder ist es die Angst vor der zu erwartenden Ablehnung des Umfeldes?“
Stadtviertel: „Zu sagen, man kann in der Isarvorstadt als lesbisches oder schwules Pärchen Hand in Hand gehen, in Neuperlach aber nicht – das würde ich nicht sagen, weil so ein Vergleich wiederum Ressentiments fördert.
Lieber sage ich: Ich weiß nicht, ob ich mich im Schickimicki-Restaurant im Lehel trauen würde, bei einem romantischen Abendessen meine Freundin zu küssen, so wie Hetero-Paare es auch tun. Da muss ich immer überlegen: Mache ich das? Was passiert dann? So weit sind wir immer noch nicht, dass man diese Fragen nicht immer im Hinterkopf hat.“
Conchita Wurst: „Dass jemand wie Conchita Wurst mit diesem irritierenden Aussehen den ESC gewinnt und dann mit dem Appell für Toleranz, Gleichstellung und Freiheit ein Millionenpublikum begeistert, das hat die Community mit Stolz und großer Freude erfüllt.
Das macht vielen Mut: Millionen Menschen – auch aus Ländern wie Serbien oder Russland – haben für Conchita Wurst abgestimmt, das ist großartig. Allerdings hat das auch schlimme Kommentare provoziert, nicht nur aus Russland.
Mal trifft uns das mehr, mal weniger – aber irgendwie trifft es uns immer.“