Tabubruch mit dem zweiten Schindler: Der Film "John Rabe"

China mauert, Japan reagiert hysterisch: Wie Florian Gallenberger mit „John Rabe“ den zweiten Oskar Schindler meistert.
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China mauert, Japan reagiert hysterisch: Wie Florian Gallenberger mit „John Rabe“ den zweiten Oskar Schindler meistert.

Was kommt nach einem Oscar? Florian Gallenberger tappte in die Erfolgsfalle, nachdem er mit erst 28 Jahren einen Oscar gewann – für „Quiero Ser“, seinen in Mexiko gedrehten Abschlussfilm an der Münchner HFF. Dann floppten „Honolulu“ und der in Indien gedrehte „Schatten der Zeit“. Jetzt ist er nach China gegangen und hat einen großen Film über einen „zweiten Schindler“ gedreht: „John Rabe“ (Kritik, AZ, Seite 21), ein Siemens-Manager, der 250000 Menschen in Nanking vor der Ermordung durch japanische Truppen rettete.

AZ: Herr Gallenberger, John Rabe war NS-Mitglied, auch rassistisch. Hatten Sie keine moralischen Bedenken, einen Film über ihn zu drehen?

FLORIAN GALLENBERGER: Natürlich ist das heikel. Aber es ist viel spannender, von jemandem zu erzählen, der seine Meinung änderte, als er sah, was die mit Deutschland verbündeten Japaner für Verbrechen begingen.

In China wird er als Held verehrt. Warum ist er in Deutschland unbekannt geblieben?

Er geriet zwischen die Räder der Geschichte. Zurück in Deutschland wurde er von der Gestapo verhaftet, weil man ihn der Kollaboration mit den Chinesen gegen die Japaner bezichtigt hat. Er durfte bei Todesdrohung nichts von seinen Erlebnissen berichten. Nach dem Krieg ist er nicht entnazifiziert worden und überlebte unglaublicherweise mit Care-Paketen aus China. Dann war er bald im Westen als historische Figur verbrannt, weil ihn die kommunistischen Chinesen als Propagandafigur gegen die Japaner eingesetzt hatten. Der Vater von Ulrich Wickert war deutscher Diplomat und hat Rabe noch persönlich gekannt und seine Tagebücher herausgegeben. Das war der erste Schritt zur Rehabilitierung. Von ihm habe ich mir von Rabe erzählen lassen.

Warum haben Sie den Film in China gedreht?

Wenn ich gewusst hätte, was es für ein Wahnsinn wird, hätte ich es vielleicht nicht gewagt. Ich bin als Tourist eingereist, habe mir eine chinesische Handykarte gekauft und recherchiert. Plötzlich klingelt das Telefon und eine sehr gut englisch sprechende Dame sagt: „Herzlich willkommen. Wir freuen uns, dass Sie hier sind. Aber das Zentralkomitee hat beschlossen, dass nur ein chinesischer Regisseur einen offiziellen Film über John Rabe und das Nanking-Massaker drehen wird. Dennoch schönen Aufenthalt.“ Es war unheimlich, wie gut man über mein Projekt informiert war.

War das das Ende?

Ich hatte schon soviel Zeit investiert. Ich fand eine gute Lobbyistin durch den international berühmten Regisseur Chen Kaige. Die recherchierte, wer politisch zuständig war in der Zensurbehörde, und letztlich hatte sogar das Außenministerium das letzte Wort.

Wie haben Sie es geschafft, die Verhinderungstaktiken zu überwinden?

Wir hatten die Rechte an den Tagebüchern von John Rabe, das war unser Trumpf. Also gab China das Projekt generell frei. Nur dass sich dann sofort fünf chinesische Teams bewarben. Aber mit viel Geduld und Diplomatie haben wir den Zuschlag bekommen. Und ich bin froh, dass wir an Originalschauplätzen drehen konnten, mit einer riesigen Komparsenschar. Das war nur in China möglich.

Wird der Film in Japan gezeigt werden?

Ich denke ja. Aber es war schwer, japanische Schauspieler zu bekommen. Denn die Kriegsverbrechen sind dort immer noch ein Tabu. Aber eine große japanische Zeitung hat angeboten, das Thema in der Öffentlichkeit vorzubereiten. Denn Verleiher haben Angst, dass es gewalttätige Krawalle gibt. Aber gerade mit seinem tabubrechenden Inhalt hat „John Rabe“ großes Potenzial. Unheimlicherweise hat sogar die japanische Mafia, die Yakuza, Unterstützung angeboten, wenn man sie an den Einnahmen beteiligen würde.

Wie wird der Film in China starten?

Hier ist das Problem, dass sich dieses riesige Land gerade seiner Größe und Stärke bewusst wird und sich nicht gerne in der Opferrolle sieht. Aber das Nanking-Massaker ist ein chinesisches Trauma und so wird der Film einen ungeheuren Aufmerksamkeitswert haben.

Jetzt ist Deutschland dran.

Ja, das Heimspiel ist mir natürlich besonders wichtig.

Adrian Prechtel

Florian Gallenberger ist um 20.30 Uhr zur Vorstellung im City. Wir verlosen 5 x 2 Karten (heute, 11 Uhr: Tel. 2377 190) .

Die historischen Fakten

Der Oskar Schindler Chinas

John Rabes Geschichte ist auch eine Geschichte des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges von 1937 bis 1945. Gleich im ersten Kriegsjahr kulminierten die Grausamkeiten im „ Massaker von Nanking “. Am 13. Dezember besetzten japanische Truppen die damalige chinesische Hauptstadt und töteten in wenigen Wochen mehr als hunderttausende Zivilisten und Kriegsgefangene. In Ermangelung an unabhängigen Berichterstattern vor Ort konnten Historiker das Massaker nur bedingt aufarbeiten, nicht zuletzt auch deswegen, weil sich Japan bis heute über die genauen Tathergänge weitgehend ausschweigt.

Während des Massakers gründete John Rabe zusammen mit anderen zurück gebliebenen Ausländern ein internationales Komitee , dessen Vorsitzender er wurde – pikanterweise auch deswegen, weil er Mitglied der NSDAP war. Seit dem Schluss des Antikominternpakts 1936 zwischen Deutschland und Japan unterhielten die Länder eine freundschaftliche Beziehung. Man erhoffte sich mit Rabe als Vorsitzenden einen größeren Einfluss auf das japanische Militär. Das Komitee konnte den japanischen Truppen eine Sicherheitszone innerhalb der Stadt abtrotzen und damit 250000 Menschen das Leben retten . Der chinesische Volksmund nennt John Rabe bis heute den „ lebenden Buddha “. Die New York Times nannte ihn den „ Oskar Schindler Chinas “. Deutschland vergaß seinen Kaufmann aus Hamburg, der im Jahre 1950 verarmt in Berlin starb.

M. Theiss

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