Susanne Klatten bricht ihr Schweigen

Sie ist Deutschlands reichste Frau: Susanne Klatten. Der Gigolo Helg Sgarbi versprach ihr Zärtlichkeiten - und erpresste sie um Millionen. Jetzt äußert sich Klatten erstmals in einem Zeitungs-Interview. Sie sagt: "Ich habe häufig genug den Fehler gemacht, mich Menschen zu öffnen, die dieses Vertrauen nicht verdient haben."
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Sie hat ihre Erpressung überwunden: Susanne Klatten zeigte Helg Sgarbi an - die Anklage soll vor Weihnachten kommen.
dpa 2 Sie hat ihre Erpressung überwunden: Susanne Klatten zeigte Helg Sgarbi an - die Anklage soll vor Weihnachten kommen.
Klatten und ihr Erpresser Helg Sgarbi.
az 2 Klatten und ihr Erpresser Helg Sgarbi.

MÜNCHEN - Sie ist Deutschlands reichste Frau: Susanne Klatten. Der Gigolo Helg Sgarbi versprach ihr Zärtlichkeiten - und erpresste sie um Millionen. Jetzt äußert sich Klatten erstmals in einem Zeitungs-Interview. Sie sagt: "Ich habe häufig genug den Fehler gemacht, mich Menschen zu öffnen, die dieses Vertrauen nicht verdient haben."

Schweigen. Wochenlang. Bis heute. Susanne Klatten (46), Erbin der Quandt-Dynastie und Großaktionärin von BMW und Altana, redet offen über ihre Affäre mit dem Schweizer Erpresser Helg Sgarbi. Zum ersten Mal spricht Deutschlands reichste Frau mit der „Financial Times Deutschland“ über sich selbst, ihre Gefühle und Gedanken in dieser schweren Zeit, über ihren Mann – und über ihr Leben voller Geld, Misstrauen und Selbstzweifel.

"Ich möchte als Mensch gesehen werden"

Wie es zu ihrer Affäre mit Helg Sgarbi kam: Im Meer ihres Geldes hat Klatten das Gefühl, als Mensch unterzugehen. Ihre Persönlichkeit verblasst, wird für andere zur Nebensache. Ihr ganzes Leben hat sie Fremden deshalb misstraut, sie wächst damit auf. Diese Vorsicht erdrückt sie – im August 2007 befreit sie sich von ihr. Im österreichischen Wellnesshotel „Lanserhof“ bei Sgarbi.

"Geld zieht einen Vorhang vor mich"

"Es verletzt mich, wenn ich immer nur im Maß des Geldes gemessen werde“, sagt Klatten. „Geld bewertet nicht, was oder wer ich bin. Es zieht einen Vorhang vor mich, der mich überhaupt nicht zeigt. Ich möchte aber gesehen werden, als Mensch. Daraus hat sich ein für mich gefährliches Anliegen entwickelt, mich mitzuteilen. Und das kann manchmal bei den falschen Leuten passieren.“

Fremden hat sie immer misstraut – bis Sgarbi kam: „Ich habe häufig genug den Fehler gemacht, mich Menschen zu öffnen, die dieses Vertrauen nicht verdient haben. Dann wird man zum Opfer. Das ärgert einen. Das tut weh. Und ich frage mich hinterher: Wie konnte das passieren?

"Du bist jetzt Opfer"

Über ihren Kampf gegen ihren Erpresser: „Im Januar geht Susanne Klatten zur Münchner Polizei, erstattet Anzeige gegen Sgarbi, der 40 Millionen Euro von ihr erpressen will. Der Schweizer wird am 14. Januar festgenommen. Sie kann sich genau daran erinnern: „Das war ein Moment der Klarheit: Du bist jetzt Opfer, und du musst dich wehren. Ich wehre mich jetzt im Namen aller Frauen in meiner Familie. Und im Namen vieler anderer Frauen auch.“ Und: „Man muss sich wehren. Ich bin froh, dass ich das getan habe.“

Über ihren Mann Jan Klatten: Beide lernten sich bei ihrem Praktikum bei BMW kennen, sie nannte sich Susanne Kant. Ihren echten Namen verriet sie ihm sieben Monate später. Sie heirateten 1990, gingen in die USA. Sie kochte, er arbeitete. Dann musste sie zurück – ihr Firmenimperium rief. Als sie ihm ihre Affäre beichtet, macht er ihr Mut, zur Polizei zu gehen. Er steht zu ihr. „Es war unsere einzige Chance. Anders geht das ewig weiter. Und das hält man nicht aus.“

"Ich darf Fehler machen"

Über die Zeit nach Sgarbis Festnahme: „Ich habe mich innerlich davon distanziert. Schon um gesund zu bleiben, um sich nicht runterziehen zu lassen. Man ist ja das Ziel krimineller Energie. Man muss Fehler machen. Ich habe gelernt, dass ich ein bisschen weicher werde im positiven Sinne, wenn ich sage: Ich darf Fehler machen, genauso wie andere Menschen. Und ich bin nicht verantwortlich dafür, was der Rest der Welt von mir erwartet.“

Über die Tage, an denen alles herauskommt: Alle Medien – in Deutschland und Europa – berichten, im Internet stehen Wochen später sogar die Vernehmungsprotokolle. Am Anfang liest sie alles – und hört schnell damit auf. „Das geht mir zu nah. Ich bräuchte ein dickes Fell, aber das habe ich nicht.“ Die Berichterstattung, „das tut mir weh. Man muss sich distanzieren, einen Schutz aufbauen. Sonst droht es mir schlecht zu gehen.“

"Ich will gelassener werden"

Über ihr neues Ich: „Ich habe in den zwölf Monaten gelernt, mit dem Leben anders umzugehen, meinen Perfektionismus weiter abzulegen. Ich will gelassener werden, ich habe mir die Aufgabe gestellt, fröhlich zu bleiben.“

Über die Hilfe ihrer Freunde: „Ich habe viele Briefe bekommen. Von Freunden, von Kollegen, von alten Klassenkameraden, die ich seit 35 Jahren nicht gesehen habe. Das berührt mich. Ich werde sehr wohl als Mensch wahrgenommen.“

Thomas Gautier

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