Supermarkt-Wandel: So kaufen wir in Zukunft ein

Obststückerl statt Mehl, Sushi statt Butter: Wie sich die Supermärkte in der Stadt verändern – und was das für die Nahversorgung bedeutet.
von  Christian Pfaffinger
Bei "Rewe to Go" (m.) gibt es vor allem Lebensmittel zum Sofortverzehr. Bei "Edeka" (r.) kann man gleich vor Ort im Bistro essen. "Rewe City" hat ein kleineres Sortiment als andere Märkte der Marke.
Bei "Rewe to Go" (m.) gibt es vor allem Lebensmittel zum Sofortverzehr. Bei "Edeka" (r.) kann man gleich vor Ort im Bistro essen. "Rewe City" hat ein kleineres Sortiment als andere Märkte der Marke. © imago/az

München - Und wenn du stets gemütlich bist und etwas appetitlich ist, dann nimm es dir. Balu der Bär singt das, im Dschungelbuch. Clarence Saunders denkt sich das auch, als er die Idee hat, dass man Kunden in einen Laden gehen und sich selbst bedienen lassen kann. Sein Piggly-Wiggly-Store wird 1916 in Memphis/Tennessee der erste Supermarkt der Welt. Rund 600 Artikel führte der.

„Ein Vollsortimenter hat mindestens 30 000 Artikel“, sagt Matthias Zwingel rund 100 Jahre später. Er grinst. Selbst hat er in einem kleinen Laden angefangen, dem elterlichen Laden im Fränkischen. Heute ist er Chef von sieben Rewe-Märkten und Vizepräsident des Handelsverbands Bayern (HBE). Als solcher kennt er die aktuelle Lage des Lebensmitteleinzelhandels genau. Er weiß, dass es heute um Größe geht, um Auswahl – und um neue Konzepte. Die AZ zeigt, wie die Supermärkte, Discounter und andere Lebensmittelhändler dastehen – und was die Kunden künftig erwartet.

 

Gute Geschäfte

 

Der Lebensmittelmarkt ist vergleichsweise krisensicher. Essen tut d’Leut immer, und derzeit kaufen sie auch richtig gern ein. Das merkt der Einzelhandel: Der bayernweite Umsatz mit Lebensmitteln stieg im vergangenen Jahr um drei Prozent auf rund 26,8 Milliarden Euro. Allein in München waren es rund 4,1 Milliarden Euro. „Der stabile Arbeitsmarkt und die ungebrochene Konsumlust der Verbraucher halten unsere Branche auf Kurs“, sagt Zwingel dazu.

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Steigende Preise

 

Lebensmittel werden heuer teurer. „Aber nur moderat“, sagt Zwingel, der mit Nachfrageschwankungen auf den Märkten und Wetterkapriolen argumentiert. Außerdem seien Lebensmittel hierzulande so günstig wie sonst kaum irgendwo.

 

Weniger und größer

 

Die Branche wird übersichtlicher: Statt der 11 500 Lebensmitteleinzelhändler, die es 2003 in Bayern gab, existieren heute noch 9000. Auch in München, wo es aktuell rund 2200 Geschäfte gibt, ist deren Zahl seither gesunken.

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Dafür werden die Märkte immer größer. 2000 Quadratmeter ist die neue Maßgabe, kleinere Märkte erfüllen nach Ansicht der Branche entweder nicht den Anspruch der Kunden ans Sortiment oder den eigenen Anspruch an den Profit. Selbst Discounter würden nur noch größere Märkte eröffnen und dafür kleinere schließen, auch wenn diese erfolgreich seien, sagt Zwingel.

 

Neue Konzepte

 

Es reiche aber auch einfach nicht mehr, bloß Supermarkt zu sein, meint Matthias Zwingel. Im Ländlichen seien die Märkte schon fast Marktplätze, da sie gleichzeitig etwa Post annehmen, Blumen verkaufen oder eine Papeterie haben. In der Stadt hingegen würden sich vor allem die kleinen Läden wandeln. Statt das Sortiment zu vergrößern, werde es hier verkleinert. Grund dafür sei der „steigende Außer-Haus-Verzehr“.

Das heißt etwa, dass viele Städter nicht mehr einkaufen und sich am nächsten Tag ein Frühstück herrichten, sondern auf dem Weg zur Arbeit halt die Ananasstückerl aus dem Plastikbecher to go kaufen. Oder dass sie abends gleich im Bistro vom Supermarkt essen und für daheim bloß noch Salzbrezerl kaufen.

Gerade in der Stadt heißt es also immer weniger: Einmal hin, alles drin. Sondern: Einmal hin – und morgen wieder. Es wird immer mehr Supermärkte geben, die sich auf Unterwegs-Versorgung statt auf ein großes Sortiment für den Hausgebrauch konzentrieren.

 

Nahversorgung leidet

 

Diese Konzepte richten sich danach, was die Mehrheit der Kunden braucht – logisch. Dass in den kommenden Jahren aber gerade kleinere Märkte ihr Sortiment eher auf to go oder Gastro vor Ort umstellen, heißt auch: Wer umfassender einkaufen will, muss eventuell ein bisserl weiter fahren. Dort findet sich dann dafür gleich ein Riesenmarkt. Mit mindestens 30 000 Artikeln.

 

Online-Handel

 

Musik, Kleidung, Bücher – bei solchen Sachen boomt der Einzelhandel im Internet seit Jahren. Die Branche hat im vergangenen Jahr wieder um zwölf Prozent zugelegt. Und jetzt wartet „das nächste große Ding“, wie Handelsexperten schon sagen. Der Online-Handel mit Lebensmitteln. Gemüse, Fleisch, Nudeln, sonstwas – alles per Mausklick (oder Fingertapser) bestellen und zu einem Wunschtermin liefern lassen, so geht das.

Möglich ist das auch schon. Deutsche Supermärkte bieten diesen Service bereits an. Bloß: So richtig das große Ding ist es noch nicht. Der Online-Anteil am Gesamtumsatz mit Lebensmitteln in Bayern liegt bei gerade mal 0,6 Prozent. Nur jeder zehnte Deutsche hat das schon mal ausprobiert. Und dann dort, wie der geringe Anteil am Gesamtumsatz zeigt, nicht unbedingt regelmäßig und umfangreich eingekauft. Der Erfolg ist mäßig. Handelsexperten zufolge ändert sich das aber bald. Und ein Konzern spielt dabei eine ganz große Rolle: Amazon.

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Der US-Online-Händler, der zuerst den Bücher- und Musikmarkt aufgewühlt hat und mittlerweile fast jeder Branche Umsatz abgräbt, bietet mit seinem Tochterunternehmen AmazonFresh in den USA schon seit dem Jahr 2007 einen Lieferservice für Lebensmittel an. Die Kunden bestellenim Netz und bekommen den Einkauf nach Hause gebracht. Das ist bequem, und das mag der Amerikaner offensichtlich. Der Deutsche mag gern noch im Geschäft schauen. Heuer will AmazonFresh aber auch den deutschen Markt erobern.

Durch die enorm starke Stellung des Mutterkonzerns im Markt könnte das dem Online-Handel mit Lebensmitteln einen großen Schub verpassen. Deutsche Konzerne planen ebenfalls neue Dienste – sie wollen schließlich mithalten.

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