Sturz nach Vollbremsung: Mann in München verklagt Verursacher auf Schmerzensgeld – und scheitert

Ein Senior stürzt im Bus bei einer Vollbremsung – und verklagt den verursachenden Autofahrer auf Schmerzensgeld. Doch das Gericht ist anderer Meinung.
von  Hüseyin Ince
In so einen Bus der Linie 53 ist der Münchner Senior gestiegen, in dem er kurz später durch den Gang geschleudert wurde. Nicht gut genug festgehalten oder durch ein unüblich hartes Bremsmanöver verletzt worden?
In so einen Bus der Linie 53 ist der Münchner Senior gestiegen, in dem er kurz später durch den Gang geschleudert wurde. Nicht gut genug festgehalten oder durch ein unüblich hartes Bremsmanöver verletzt worden? © Bend Wackerbauer

München – Der Unfall geschah bereits im April 2023. Es war etwa 18.30 Uhr. Ein 76-Jähriger war an der Haltestelle Donnersbergerbrücke in die Buslinie 53 gestiegen, in den Anhänger, Richtung Aidenbachstraße. Dort stand er zwischen den Sitzen. Das Busgespann fuhr nun los und auf der nächsten Abbiegespur wurde das tonnenschwere Gefährt von einem Pkw geschnitten.

Der Autofahrer bemerkte wohl erst im letzten Moment, dass er auch auf dieser Spur abbiegen müsste. Der Bus musste daraufhin ziemlich stark bremsen; eine Vollbremsung, um den Aufprall zu verhindern.

76-Jähriger verklagt Autofahrer auf Schmerzensgeld

In solchen Momenten wirken große Kräfte, nicht umsonst gibt es grundsätzlich die Anschnallpflicht. Doch im Stand hat man da kaum eine Chance und wird oft durch die Gegend geschleudert. Der Senior stürzte schwer.

Die Schmerzen der Verletzungen wird er nicht so schnell vergessen: Prellungen an der Brustwirbelsäule, Prellungen am Becken sowie ein überdehntes Daumensattelgelenk (wahrscheinlich beim Versuch, sich mit aller Gewalt festzuhalten).

Der Senior war sich sicher: Ursache und Wirkung schienen klar zu sein. Der Pkw-Fahrer scherte knapp ein, bremste und zwang den Bus zur Vollbremsung. Als müsste der Autofahrer doch schuld an seinen Verletzungen sein? Jedenfalls entschied sich der 76-Jährige, vor Gericht zu ziehen und 2000 Euro Schmerzensgeld einzuklagen.

Die Pflicht, sich einen festen Halt zu verschaffen

Vier Wochen habe der Mann unter heftigsten Schmerzen gelitten. Bis heute sei er nicht beschwerdefrei, führte er vor dem Amtsgericht aus. Die Beweisaufnahme begann. Doch der Richter sah das alles anders. Die Klage des Seniors wurde abgewiesen.

Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten Pkw-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe. Festgestellt wurde auch, dass die Straßenverkehrsordnung für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die der Fahrer verstoßen habe.

Dennoch müsse der Fahrer des Pkw nicht für die Verletzungen haften, die beim Kläger durch den Sturz entstanden seien. Von einem "vollständigen Mitverschulden des Klägers" war die Rede. Jeder Fahrgast im Bus sei verpflichtet, sich im Bus einen festen Halt zu verschaffen, um in Gefahrensituationen nicht zu fallen und sich zu verletzen.

Und nun wurde es detailliert – und auch ein wenig skurril. Das Gericht begutachtete Kameraaufnahmen aus dem Inneren des Busses, auf denen der Kläger kurz vor und während des Unfalls zu sehen ist. Darauf sei klar zu erkennen, dass der 76-Jährige sich nicht ausreichend festhalte. Nur die linke Hand habe eine Halteschlaufe umklammert. Die rechte Hand habe der Senior einfach nur auf seinem Trolley aufgelegt.

Kamera-Aufnahmen aus dem Businneren sind entscheidend

Die Stabilisierung mit der linken Hand sei zu schwach gewesen, "um eine ruckartige Bremsung auszugleichen". Der Trolley biete schließlich keinen Halt. Auch während des Sturzes habe der Mann mit der rechten Hand keinen anderen Halt gesucht und sich weiterhin am Trolley festgehalten. Der könne schließlich keinen Halt bieten.

Kein anderer Passagier sei bei der Vollbremsung gestürzt, was ebenfalls darauf hindeute, dass der Mann nicht genügend Halt hatte. Auch eine Seniorin in unmittelbarer Nähe sei nicht vom Sitz gerutscht, weil sie sich an der Stange festgehalten habe, so das Gericht.

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