„Studieren? Aber nur mit drei Jobs“

MÜNCHEN - Eine neue Studie belegt, wie Studierwillige durch die Studiengebühren abgeschreckt werden. Das Bundesbildungsministerium hält die Untersuchung unter Verschluss. Wie Münchner Studenten mit der angespannten Situation umgehen.
Es ist schon stressig, Studium, Nebenjobs und Praktika unter einen Hut zu bekommen“, sagt Dominique Kappl. Die 19-Jährige hat gerade begonnen, Dramaturgie, Komparatistik und Italienisch zu studieren. Um das Studium zu finanzieren, hat Dominique gleich drei Nebenjobs: Kellnern, Nachhilfe geben und einen Job bei einer Hausaufgabenbetreuung. In den Sommerferien hat die Münchnerin viel gearbeitet - um die Studiengebühren zahlen zu können. „Bei uns daheim sieht es finanziell nicht so rosig aus“, sagt das Erstsemester. Von ihrer Schule wurde Dominique für ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes vorgeschlagen. „Im Dezember erfahre ich, ob es klappt“, sagt sie. Sie wohnt weiterhin daheim. „Ich kann’s mir nicht leisten, auszuziehen“. Einen Studienkredit möchte sie aber nicht aufnehmen, die Schulden schrecken sie ab: „Mit einem Medizinstudium könnte ich später was zurückzahlen, aber im Bühnenfach sind die Aussichten nicht toll.“
Wie Dominique denken viele der Münchner Studenten. Bei Dominiques Freundin Johanna schießen Eltern und Großeltern etwas zu, aber auch Johanna sucht „mindestens einen Nebenjob“. Aus ihrem Jahrgang haben einige Schüler erstmal eine Ausbildung begonnen, um sich später ein Studium leisten zu können, erzählt die 20-Jährige.
Niemand will sich verschulden
Die Aufnahme eines Studienkredits wirkt auf die meisten Studierenden besonders abschreckend. „Die Leute bewerben sich eher um Stipendien als um ein Darlehen“, sagt Studentin Sabine Lauer, „ein guter Abschluss garantiert noch keine Anstellung“. Die 28-Jährige macht ihren Master in Biostatistik, wohnt bei den Eltern und hat einen Minijob. Während ihres Soziologiestudiums hat sie in Verlagen und einer Werbeagentur gearbeitet und Geld zurückgelegt. „Das wird jetzt aufgebraucht.“
Manche meiden München. Stephan Lerchl ist zum Jurastudium aus Dresden gekommen, weil die LMU „einen guten Ruf hat.“ Doch viele aus seinem Jahrgang studieren lieber in Halle oder Jena. „Da zahlt man vielleicht 60 Euro Gebühren pro Semester, in München sind’s 600“, sagt Stephan. „Über einen Studienkredit habe ich lange nachgedacht. Ich wollte unabhängiger von meinen Eltern sein“. Doch auch er wollte keinen Schuldenberg im Nacken zu haben.
Die Abiturienten Anna Boldt, Victor Alff und Karoline Kapellmann planen schon jetzt die Finanzierung. „Meine Eltern helfen, sie unterstützen schon meine Geschwister“, sagt der 18-jährige Victor. Anna und Karoline überlegen, mit ihrer Schwester zusammenzuziehen oder eine WG zu gründen. Dass sie nebenbei arbeiten werden, ist für die drei selbstverständlich. Karoline sagt: „Unter meinen Freunden gibt es schon welche, die sich große Sorgen ums Geld machen. Aber wir wollen auf Teufel komm raus studieren.“
Elena Panagiotidis