Studie belegt: München, Stadt der Überstunden

München - Man kann den Münchnern vieles vorwerfen, aber arbeitscheu sind sie nicht. Das belegt nun auch eine Untersuchung der Gewerkschaft IG Metall, die der Abendzeitung exklusiv vorliegt. Mehr als 680.000 Beschäftigte haben sich an der Umfrage beteiligt, davon 27. 326 allein in München.
34 Prozent der Münchner arbeiten mehr als 40 Stunden die Woche
Die Beschäftigten, die die IG Metall in München befragte, kamen dabei aus über 100 Firmen und mit dabei waren auch eine Reihe von Berufstätigen, die eigentlich nicht in den Aufgabenbereich der Gewerkschaft fallen, zum Beispiel Angestellte im Marketing oder in der Forschung. Aus den so ziemlich umfassenden Ergebnissen geht vor allem eines hervor: Die Münchner arbeiten viel – und abzuschalten fällt ihnen immer schwerer.
34 Prozent der Befragten in der Landeshauptstadt arbeiten mehr als 40 Stunden die Woche. Fünf Prozent kommen dabei sogar auf über 48 Wochenstunden. Bedenklich: Vertraglich festgelegt ist die Über-40-Stunden- Woche bei lediglich drei Prozent. Der Rest arbeitet mehr oder weniger freiwillig mehr.
Dabei opfern die Münchner auch ihr Wochenende: 44 Prozent gaben an, zumindest auch gelegentlich am Samstag zu arbeiten, den Sonntag verbringen 20 Prozent zumindest manchmal am Arbeitsplatz. Auch hier sind die, bei denen die Wochenendarbeit im Vertrag auftaucht, in der Minderheit.
Immer weniger Personal
Doch woran liegt das? Die IG Metall Studie liefert auf diese Frage eine recht einfache Antwort: In vielen Unternehmen wird die Personaldecke dünner, Mitarbeiter verspüren immer mehr Druck.
Fast zwei Drittel der in München Befragten gaben an, oft länger zu arbeiten, um ihre Aufgabe überhaupt erledigt zu bekommen – und über die Hälfte fühlt sich bei der Arbeit zunehmend gehetzt und unter Zeitdruck.
Was angesichts der weit verbreiteten Mehrarbeit erstaunlich ist: Über zwei Drittel der Befragten sind mit ihren Arbeitszeiten zufrieden. Deshalb nahm sich die Studie auch der Frage an, welche Faktoren – neben der Anzahl der Stunden – noch über Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit den eigenen Arbeitszeiten entscheiden.
Besonders geschätzt wird dabei von den Befragten, wenn ihnen der Chef im Gegenzug zu den Überstunden mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten einräumt. So ist die "Möglichkeit, ein paar Stunden freizunehmen" ebenso ein wichtiger Zufriedenheitsfaktor, wie Gleitzeit und die "Möglichkeit, zeitweise Arbeitszeiten absenken zu können". In Firmen, in denen Tarifverträge gelten, sind die Menschen generell deutlich zufriedener mit ihren Arbeitszeiten.

Unzufrieden dagegen werden Angestellte, wenn sie ständigem Leistungsdruck ausgesetzt sind und der Chef auch in der Freizeit anruft.
Basierend auf den Erkenntnissen aus der Befragung hat die IG Metall Forderungen für die nächste Tarifrunde, die Mitte November beginnen wird, aufgestellt.
Horst Lischka, Vorstand der IG Metall in München, erklärt: "Unternehmen fordern von ihren Mitarbeitern immer mehr Flexibilität, aber das darf keine Einbahnstraße sein." Was Beschäftigte heutzutage wollten, sei eine "Umverteilung des Arbeitszeitvolumens entlang des Lebenslaufs", so Lischka. Was wiederum heißt: Die Möglichkeit, Stunden reduzieren oder aufstocken zu können, wie es am besten zur aktuellen Lebenssituation passt.
Die Gewerkschaft will Entgeltausgleiche für Pflegende und Eltern
So fordert die Gewerkschaft unter anderem einen Anspruch auf eine zeitweise Reduzierung der Arbeitsstunden. So ließen sich nach Meinung der Gewerkschafter Arbeitszeiten flexibler an etwaige Kinder oder einen Pflegefall in der Familie anpassen.
Damit das Kürzertreten finanziell nicht in den Ruin führt, fordert die Gewerkschaft außerdem Entgeltausgleiche für Schichtarbeiter, Pflegende und Eltern, die eine Reduzierung ihrer Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Außerdem möchte die Gewerkschaft ein Recht auf Rückkehr von Teil- in Vollzeit.
Die hohe Beteiligung an der Befragung hat die IG Metall auch der Tatsache zu verdanken, dass sie ihre Beschäftigungsumfrage an eine Spendenaktion geknüpft hat. Für jeden ausgefüllten Fragebogen spendete die Gewerkschaft einen Euro für wohltätige Zwecke. Mit den Bögen einiger bereits in Rente gegangener Gewerkschaftsmitglieder kamen so respektable 28 360 Euro allein in München zusammen.