Studentenwerk will Haus verkaufen: Das Aus für günstigen Wohnraum im Univiertel?

Vor 15 Jahren hat eine Studentenverbindung ein Haus in der Maxvorstadt ans Studentenwerk übertragen. Ziel war, günstigen Wohnraum für Studenten in München zu erhalten. Jetzt soll das Haus in der Adalbertstraße verkauft werden.
von  Christina Hertel
Acht Studenten leben momentan in dem Hinterhaus an der Adalbertstraße 41. Doch es soll verkauft werden. Eigentümer ist ausgerechnet das Studentenwerk.
Acht Studenten leben momentan in dem Hinterhaus an der Adalbertstraße 41. Doch es soll verkauft werden. Eigentümer ist ausgerechnet das Studentenwerk. © Daniel von Loeper

Maxvorstadt - Eigentlich hat sich gar nicht viel verändert. Diesen Satz sagt Rüdiger Holm immer wieder, als er durch die Zimmer an der Adalbertstraße 41 geht, wo er vor über 40 Jahren während seines Studiums lebte.

Er geht durch die Küche, wo immer noch die hölzerne Eckbank und der alte Holztisch stehen. Nächtelang habe er hier Schafkopf gespielt. Er geht durchs Wohnzimmer, wo er das Klavier sieht, das sie damals von einer Kneipe in die nächste schleiften. Heute ist es so verstimmt, dass niemand mehr darauf spielen kann. Und er geht über die Dachterrasse, auf der Lichterketten hängen. "Die Nachbarn haben sich schon früher über den Lärm beschwert", sagt er.

Adalbertstraße in der Maxvorstadt: Münchens kleinstes Studentenwohnheim

"Das geht uns immer noch so", sagt Luca-Els Mauritz. Sie studiert an der Münchner Filmhochschule und ist eine von acht jungen Leuten, die im Hinterhaus an der Adalbertstraße 41 leben, Münchens kleinstem Studentenwohnheim.

Dass sich Rüdiger Holm, Anfang 60, an diesem Dienstagabend auf eine Zeitreise in sein Studentenleben begibt, hat einen Grund - und leider keinen fröhlichen: Sein altes Zuhause soll verkauft werden. Eigentümer ist das Studierendenwerk. Holm hofft, dass sich das noch verhindern lässt. Wie? Um das zu erklären, muss man viele Jahre in die Vergangenheit zurückblicken.

Luca-Els Mauritz (r.) sagt, sie könnte sich keine andere Wohnung leisten.
Luca-Els Mauritz (r.) sagt, sie könnte sich keine andere Wohnung leisten. © Daniel von Loeper

Studentenwohnheim: Wo früher gefochten wurde, hängt heute ein Boxsack

Rüdiger Holm heißt eigentlich anders. Er will seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, weil er damals als Mitglied einer Studentenverbindung in die Adalbertstraße 41 eingezogen ist, die "Alte Prager Landsmannschaft Egerländer Landtag et Oppavia".

Holm möchte nicht, dass seine Geschäftspartner wissen, dass er Teil davon ist. Schließlich denken bei Verbindungen viele an rechtes, nationalistisches Gedankengut.

Tatsächlich gibt es im Wohnheim noch eine Holzschatulle mit alten schwarz-weiß Fotos von Männern mit blutverschmierten Gesichtern. Im Keller, wo heute ein Boxsack hängt, trainierten die jungen Männer früher das Fechten.

Früher hat eine schlagende Verbindung in dem Haus gelebt.
Früher hat eine schlagende Verbindung in dem Haus gelebt. © privat/Daniel von Loeper

Rüdiger Holm will nicht viel über die Verbindung sprechen. Ein bisschen etwas erzählt er dann doch. Zum Beispiel, dass die Männer aus der Verbindung nach dem Zweiten Weltkrieg aus Prag nach München geflohen sind. Das Hinterhaus in der Adalbertstraße 41 bauten sie selbst - in einem Bombenkrater, so erzählt es Holm.

Anfang der 2000er-Jahre überträgt die Studentenverbindung das Haus dem Studentenwerk

Auch er habe unzählige Stunden Arbeit in das Haus gesteckt. Die Lampen im Wohnzimmer installiert, im Keller eine Zapfanlage gebaut, die Bäder hergerichtet.

In den 2000er Jahren ging der Studentenverbindung der Nachwuchs aus. Deshalb stellte sich für die Männer die Frage, was aus dem Haus werden soll. "Unser Ziel war, dass es dauerhaft ein günstiges Wohnheim für Studenten bleibt", sagt Holm. "Eine Mehrheit von uns glaubte, dass das am besten klappt, wenn wir es an das Studentenwerk übertragen." Doch da könnten sich Holm und die anderen getäuscht haben.

Wegen "Eigentümerwechsel" sollen die Studenten aus der Adalbertstraße ausziehen

Denn das Studierendenwerk teilte Luca-Els Mauritz und ihren Mitbewohnern vor ein paar Wochen mit, dass sie "wegen Eigentümerwechsel" ausziehen müssen.

Auf eine AZ-Anfrage antwortete das Studierendenwerk, dass der Verkauf geprüft werde. Ein Gebäude mit nur acht Wohnplätzen könne nicht wirtschaftlich betrieben werden.

"Da das Gebäude in den 50er Jahren errichtet wurde und nun umfangreiche Sanierungsmaßnahmen anstehen, wäre der Verkaufserlös besser in den Neubau oder in Sanierungsmaßnahmen bei anderen Wohnheimen investiert, wodurch dann deutlich mehr Wohnplätze zur Verfügung gestellt werden können", schreibt das Studierendenwerk weiter.

Münchner Grünen-Chefin: "Das Studierendenwerk sollte alles dafür tun, die bestehenden Plätze zu erhalten"

Doch das ist nicht das, was die Studentenverbindung damals beabsichtigt hat. Fünf Jahre lang habe ein Gremium an einem Vertrag mit dem Studentenwerk getüftelt, um eine sichere Lösung zu finden, erzählt Holm. Den Originalvertrag finde er nicht mehr.

In einem Entwurf, den Holm mitgebracht hat, ist von einer Bindung von 15 Jahren die Rede. Ende 2023 läuft diese Frist ab. Rechtlich ist das Studierendenwerk also wohl auf der sicheren Seite. Aber auch moralisch?

"Das Studierendenwerk sollte alles dafür tun, die bestehenden Plätze zu erhalten", findet die Münchner Grünen-Chefin Svenja Jarchow-Pongratz. Als Chefin des Bezirksausschusses Maxvorstadt weiß sie, dass dem Studentenviertel so langsam die Studenten ausgehen - zumindest die normalen.

Eine Studentenverbindung hat das Haus errichtet.
Eine Studentenverbindung hat das Haus errichtet. © privat/Daniel von Loeper

Studentenwohnheim in der Maxvorstadt: 240 Euro für ein Zimmer 

"Wenn neu gebaut wird, dann sind es meist Luxuswohnungen oder teure aber sehr kleine Apartments für Studierende. Da gibt es dann schon mal einen Wäsche-Service", erzählt die Grünen-Chefin. "Aber wir brauchen eine Durchmischung."

In keiner anderen deutschen Stadt zahlen Studenten so viel Miete wie in München. 720 Euro sind es pro Monat. Luca-Els Mauritz, die für ihr Studium nach München in die Adalbertstraße 41 gezogen ist, könnte sich das nicht leisten, sagt sie. Sie bezahle für ihr Zimmer in dem Wohnheim 240 Euro warm. Das Studierendenwerk bot allen Bewohnern einen Ersatz an.

Studenten klagen: "Die Maxvorstadt ist totgentrifiziert"

Die 26-Jährige will deshalb nicht schimpfen. Sie sagt aber auch: "Die Maxvorstadt ist eigentlich schon richtig totgentrifiziert. Wir sind eine richtige Oase hier." Im Keller hat eine Band einen Proberaum, ein Bekannter hat ein kleines Musikstudio eingerichtet.

Im Eingang stehen Bierkisten, Freunde sollen eine Spende da lassen. Allerdings ist in dem alten Haus wirklich immer wieder etwas kaputt. Momentan gibt es zum Beispiel bloß im Obergeschoss warmes Wasser.

Heute macht die Wohngemeinschaft lieber zusammen Musik.
Heute macht die Wohngemeinschaft lieber zusammen Musik. © Daniel von Loeper

Kontakt zur Anwältin: Das Studierendenwerk will den Heizungsschaden nun doch beheben

Die Grünen-Chefin Jarchow-Pongratz fragt sich deshalb: "Woher kommt denn dieser Sanierungsstau beim Studierendenwerk?" Schließlich stehen in der Studentenstadt gerade auch mehr als 1200 Wohnungen leer, weil sie instand gesetzt werden müssen. "Da wundere ich mich schon sehr über das Konzept", sagt Jarchow-Pongratz.

Auch Rüdiger Holm wundert sich. Bei seinem Besuch bietet er an, sich die Heizung anzuschauen. Schließlich habe er schon früher in dem Haus die Bäder renoviert. Dass wieder warmes Wasser aus der Leitung kommt, schafft er nicht. Allerdings hat er den Bewohnern den Kontakt zu einer Anwältin besorgt - und das half: Den Heizungsschaden will das Studierendenwerk nun reparieren.

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