Strom aus dem Balkonkraftwerk: Wenn Münchner Mieter wollen, aber nicht dürfen

Balkonkraftwerke: Hunderte Münchner wollen welche - was tun, wenn Eigentümer, Hausverwaltungen oder Architekten Nein sagen?
von  Nina Job
Brigitte Ebeling wohnt ganz oben und möchte eine kleine Photovoltaikanlage auf ihrem Balkon anbringen - aber sie darf nicht.
Brigitte Ebeling wohnt ganz oben und möchte eine kleine Photovoltaikanlage auf ihrem Balkon anbringen - aber sie darf nicht. © Sigi Müller

München - Sie kosten nicht die Welt, sind mit wenigen Handgriffen angebracht - und schon fließt kostenloser Strom aus Sonnenenergie: Die Nachfrage nach kleinen Photovoltaik-(PV)-Anlagen, sogenannten Balkonkraftwerken, ist groß. Immer mehr Münchner wollen sie, zumal die Stadt die privaten Stromerzeuger seit Herbst finanziell fördert.

Wenn der Antrag bewilligt ist, zahlt sie bis zu 240 Euro dazu. Allein innerhalb von drei Wochen ist die Anzahl der Förderanträge beim Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) von 444 auf 621 gestiegen. Im Januar soll das erste Geld ausgezahlt werden.

"Verfälschte Architektursprache"

Doch was tun, wenn Hausverwaltungen, Eigentümer oder Architekten die Anbringung verbieten? Brigitte Ebeling ist eine Betroffene. "Ich möchte auch meinen Anteil zur Energiewende beitragen", sagt sie. 2004 hat sie eine Wohnung am Ackermannbogen gekauft. Das Haus wurde von einem renommierten Münchner Architekten entworfen, der 2019 verstorben ist. Seine Witwe ist Alleinerbin des Urheberrechts für die Bauten.

Sie erteilte Brigitte Ebeling eine Absage: Die Fassade sei urheberrechtlich geschützt, ein einheitliches Bild müsse erhalten bleiben. "Individuelle Eingriffe" würden das Gleichgewicht der Fassadengestaltung beeinträchtigen und die "Architektursprache" verfälschen. Vorschlag der Witwe: Die Eigentümergemeinschaft könne einem bestimmten Architekturbüro einen Planungsauftrag für ein Gesamtkonzept erteilen.

Vorgeschobene Argumente

Ein Tiefschlag für Brigitte Ebeling. Der Vorschlag hört sich nach einem kostspieligen Unterfangen mit vielen Abstimmungsprozessen an - das Gegenteil von dem Plan, schnell und unkompliziert selbst Strom zu erzeugen.

Auch Stefan Müller (Name geändert) aus Sendling beißt auf Granit. Er wohnt zur Miete in einem Nachkriegsbau - kein Gebäude eines renommierten Architekten, kein Altbau - nichts Besonderes. "Ich hatte bei der Hausverwaltung freundlich angefragt, ob ich Module anbringen dürfte. Entsprechende Maßnahmen, um das Balkongeländer vor Beschädigungen zu schützen, würde ich natürlich vornehmen", sagt er zur AZ.

"So ist die Energiewende nicht zu schaffen"

Doch die Hausverwaltung lehnte ab. Ihre Begründung: Die Module könnten die Nachbarn blenden, ein Balkonkraftwerk beeinträchtige die Außenwirkung. "Meiner Ansicht nach sind das nur vorgeschobene Argumente", ärgert sich Müller. "Die Module sind mittlerweile stark entspiegelt und bei einer fast senkrechten Montage würde eine Reflexion auf dem Boden landen." Geradezu absurd findet er das Argument mit der Außenwirkung: "Der Hof ist kaum einsehbar und auch nicht gepflegt. Das ist alles nur vorgeschoben." Müller findet: "Mit solchen Hausverwaltungen und Immobilienbesitzern ist die Energiewende nicht zu schaffen", ärgert er sich.

Für Mieter soll es juristisch einfacher werden

Brigitte Ebeling und Stefan Müller sind nur zwei Beispiele - tatsächlich gibt es häufiger Probleme mit Eigentümern und Hausverwaltungen. Sowohl beim Mieterverein, als auch beim Landesdenkmalamt und der privaten Initiative München-Solar-2030, häufen sich die Anfragen.

Immer wieder taucht dann die Frage auf: Sollte man es darauf ankommen lassen und die Anlage trotz Absage installieren? Schließlich fördere die Stadt die Installation der kleinen privaten Kraftwerke ja.

Einfach anbringen und abwarten, was kommt - davon rät Volker Rastätter, Sprecher des Mietervereins, ab. "Besser wäre es mit der Installation zu warten und auf Zustimmung zu klagen", sagt er. Andernfalls ginge man ein zu hohes Risiko ein, es sich mit dem Vermieter zu verscherzen oder gar die Kündigung zu bekommen. "Die Politik muss Klarheit schaffen", fordert er. Derzeit sei die Rechtslage nicht zu 100 Prozent klar.

Kommt Zeit, kommt Rat

Momentan schaut es danach aus, als spielt die Zeit für die Balkonkraftwerkfreunde: Vor wenigen Tagen haben die Justizminister der Länder beschlossen, die Installation von PV-Anlagen in Mietwohnungen zu vereinfachen. Noch ist eine Genehmigung des Vermieters erforderlich, da die Installation und der Einbau einer Außensteckdose als bauliche Veränderung gewertet werden kann. In Wohneigentümergemeinschaften muss die Mehrheit der Eigentümer zustimmen - alles Erschwernisse. Nun liegt es am Bundesjustizminister, den Ministerbeschluss in geltendes Recht umzusetzen.

Außerdem will der Mieterverein vor Gericht klären lassen, ob Vermieter die Installation auch bei jetziger Rechtsprechung untersagen können. Der Verein vertritt einen Mieter, der gegen ein Verbot klagt. Der Prozess soll 2023 stattfinden.

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