Streit zwischen Bauern und Bundesregierung eskaliert – nun reagiert Hubert Aiwanger auf die Haushaltsdebatte

Ruhpolding/München - Auf der einen Seite der Rauschberg, auf der anderen Seite das Ruhpoldinger Becken: Es ist eine Idylle, in der Andreas Lang lebt. Zumindest auf den ersten Blick. Der 42-Jährige bewirtschaftet den Bauernhof seiner Schwiegereltern mit. Im Hauptberuf ist er Industriekaufmann, aber wegen einer Operation ist er zurzeit in beiden Berufen eingeschränkt.
Man kann jedoch erahnen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Rund 20 Milchkühe haben sie im Stall, außerdem bewirtschaftet die Familie im Sommer noch zwei Almen und vermietet Ferienwohnungen. Ein echter Vollzeit-Job: "Im Sommer sind das oft 40 Stunden zusätzlich zu meinem normalen Job." Zwar gebe es auch ruhigere Wochen, aber auf 20 Stunden komme er meist schon.

Es sind Aufgaben wie das Füttern der Kühe im Stall. "Und allein dafür brauchen wir schon mal zehn Liter Diesel jeden Tag. 365 Tage im Jahr", sagt Lang. Ein Freund von ihm habe das ausgerechnet. Auch wenn sie im Sommer Wiesen bearbeiten, geht nix ohne Diesel. Und auf die Alm am Rauschberg kann er zwar theoretisch zu Fuß gehen – "aber zeitlich haut das nicht hin". Zumal er auch mal was nach oben transportieren muss.
Agrardiesel wird teuer: Bauern demonstrieren gegen Pläne der Ampel-Koalition
Gefühlt sind die Landwirte jede Woche am Protestieren. Am Montag entlud sich die Wut vieler Bauern gegen die Ampel. Der Grund: Die Vergünstigungen für Agrardiesel und die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer sollen wegfallen.
Rein für die Landwirtschaft, also ohne normale Autofahrten, verbraucht der Hof laut Lang 5000 bis 5500 Liter Diesel. "Die Mineralölsteuer ist zweckgebunden für den Erhalt von Autobahnen und Bundesstraßen", sagt Lang. Dass die Bundesregierung einfach hergeht und zweckgebundene Steuern nutzt, um das Haushaltsloch zu stopfen, kann er nicht verstehen. Zumal die Landwirte ja mit ihren Fahrzeugen eher auf Feldern und privaten Wegen unterwegs sind - und nicht auf Bundesstraßen.
Die Perspektive ist keine gute: Der Dieselpreis ist ohnehin in den vergangenen Jahren stark gestiegen, auch die CO2-Preise und die LKW-Maut werden die Landwirte treffen und ihre Produkte teurer machen, sagt Lang. Für ihn ist das absurd: "Die Dieselrückvergütung ist eingeführt worden, um sie wettbewerbstauglich in der EU zu machen." So sei in Frankreich der reine Agrardiesel überhaupt nicht besteuert. 21,48 Cent bekommen die Landwirte in Deutschland zurück.
Bauer aus Bayern verzweifelt an den Ampel-Plänen: "Tut uns einfach sehr weh"
"In Österreich kostet der Diesel gerade 1,55 Euro", sagt Lang. Der Preis sei in Deutschland mit aktuell 1,74 Euro eh so hoch, da seien andere Länder massiv im Vorteil. Hinzu kommt: Lang müsste für alle seine vier Traktoren und Anhänger künftig die volle KFZ-Steuer zahlen. Er rechnet damit, dass er Mehrkosten in Höhe von 4000 Euro insgesamt haben wird, wenn sich nichts ändert.
Man merkt ihm an, dass er am Hof hängt und es mehr für ihn ist als bloßer Broterwerb. Drei Leute können von der Landwirtschaft leben, aber "vom Mindestlohn sind wir weit entfernt", sagt Lang. "Alles, was uns noch weggenommen wird, tut uns da einfach sehr weh!" Die Bauern würden nicht für eine 36-Stunden-Woche oder eine bessere Work-Life-Balance protestieren.
Hubert Aiwanger ledert in der AZ Los: Ampel-Parteien sind "vom Neid zerfressen"
Politisch aktiv sei er nie gewesen, erzählt er der AZ auf dem Hof. Aber seit 2019 ist das anders. Die Düngemittelverordnung war Anlass für ihn, sich zu engagieren. In Ruhpolding ist er stellvertretender Bauernobmann, außerdem macht er bei "Land schafft Verbindung" mit, einem Protestbündnis. Lang wirkt nicht wie ein abgedrifteter Hysteriker, er hat viele Fakten und kann gut erklären. Es ist ihm auch sehr wichtig, nicht in eine rechte Ecke gestellt zu werden. So wie er es schildert, seien viele Landwirte sehr skeptisch der Politik gegenüber. "Seit der Ampel ist es aber besonders schlimm", sagt Lang.
Aber er habe schon 2019 protestiert: "Und wer war damals an der Regierung? Union und SPD." Das Fass sei schon mehr als voll gewesen. "Und jetzt ist der Tropfen gekommen, bei dem es nicht nur übergelaufen, sondern zerborsten ist", sagt Lang.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) findet, dass die Landwirtschaft ein Themenfeld sei, das Rot-Grün und zunehmend auch der FDP fremd sei. "Die Ampel-Parteien haben zwar romantisierend eine wirklichkeitsfremde Traumvorstellung von der Landwirtschaft, weil sie selbst meist naturfern aufgewachsen sind", sagt Aiwanger, selbst Agraringenieur, der AZ. Im Kern seien sie aber "eigentums- und bauernfeindlich und von Neid zerfressen gegenüber den Bauern".

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte zwar am Montag: "Da haben wir überzogen." Aber Lang kauft ihm das nicht so ganz ab und findet, Özdemir hätte schon früher aktiv werden müssen. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, hat die Regierung in einem Brief gebeten, nachzubessern. Sparen solle man lieber nicht bei Traktoren, sondern am Dienstwagenprivileg.