Kommentar

Streit ums Bürgergeld: Warum Markus Söder mit seiner Faulpelz-Kritik daneben liegt

Die AZ-Politik-Chefin kommentiert die Bürgergeld-Debatte und warum die Union um Friedrich Merz und Markus Söder an der falschen Stelle sparen will. Was stattdessen wirklich erwerbsfähige Menschen wieder in die Arbeit bringen kann.
von  Natalie Kettinger
Markus Söder kritisiert die Höhe des Bürgergeldes.
Markus Söder kritisiert die Höhe des Bürgergeldes. © picture alliance/dpa

München - Die Behauptung ist so alt wie ausgelutscht: Werde das Bürgergeld erhöht, lohne es sich für Menschen im Niedriglohnbereich nicht mehr arbeiten zu gehen, tönt es aktuell wieder aus der Union – erst vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, nun von CSU-Chef Markus Söder.

In einem Jobcenter liegt ein Antrag auf Bürgergeld. Hier einzukürzen, schadet den Schwächsten, meint die AZ-Politik-Chefin.
In einem Jobcenter liegt ein Antrag auf Bürgergeld. Hier einzukürzen, schadet den Schwächsten, meint die AZ-Politik-Chefin. © picture alliance/dpa

Doch Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigen etwas anderes: Demnach verdienen Singles, die Vollzeit zum Mindestlohn einem Beruf nachgehen, im Schnitt 531 Euro mehr als Bürgergeld-Bezieher nach der geplanten Anhebung. Einer arbeitenden Alleinerziehenden mit einem Kind bleiben laut WSI am Monatsende 635 Euro mehr. Das liegt unter anderem daran, dass Geringverdiener Anspruch auf Transferleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag haben.

Bürgergeld-Bezieher in Deutschland: Darum ist die Faulpelz-Kritik von Markus Söder falsch

Dennoch mögen unter den 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehern auch Faulpelze sein, die einfach keine Lust auf Malochen haben. Auf die Mehrzahl trifft das aber nicht zu. Bei ihnen handelt es sich um Kinder, Jugendliche, chronisch Kranke, Behinderte, Aufstocker, Menschen in Fortbildungsmaßnahmen, pflegende Angehörige oder Alleinerziehende. Laut Bundesagentur für Arbeit sind unter den Bürgergeld-Empfängern lediglich 1,6 Millionen, die arbeiten könnten, es aber nicht tun. Nicht allzu viele, wenn man bedenkt, dass in der Bundesrepublik knapp 85 Millionen Menschen leben.

Sinnvoller als Einsparungen bei denjenigen vorzuschlagen, die von den Preissteigerungen im Lebensmittel- und Energiesektor am stärksten betroffen sind, wäre es daher, Möglichkeiten zu schaffen, dass auch sie arbeiten können: mit einem Ausbau der Kinderbetreuung etwa oder flexiblen Arbeitszeiten für Pflegende. Und durch eine relevante Anhebung des Mindestlohns (nicht nur um mickrige Cent-Beträge von 12 auf 12,41 Euro) würde der Abstand zwischen Arbeit und Bezug außerdem so deutlich, dass ihn vielleicht auch die Union erkennt.

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