Streit um Münchner Regelung: Radler sollen Falschparker verpetzen

München - Lieferwagen oder Pkw, die brettlbreit auf dem Radweg stehen und Radler, die auf die Fahrbahn ausweichen müssen. Autofahrer, die breite Gehwege als zusätzliche Parkfläche betrachten und Fußgängerübergänge zuparken. Und wer gar mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator unterwegs ist, merkt so richtig, wie schwierig es ist, an Wildparkern vorbeizukommen. In München ist das nerviger Alltag für Radfahrer und Fußgänger - und oft auch gefährlich.
Streit um Münchner Regelung: Radler sollen Falschparker verpetzen
Die Fraktion von ÖDP und München Liste im Rathaus will sich dieses Problems annehmen. ÖDP-Stadträtin Sonja Haider hat dazu gleich ein ganzes Paket an Anträgen ausgearbeitet, das der AZ vorliegt.
"Vision Zero" soll Verkehrstote vermeiden
Haider geht es vor allem um die Sicherheit. Der Stadtrat habe schließlich schon 2017 und 2018 die Vision Zero beschlossen, also das Ziel, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu senken. Doch wenn Autos auf dem Radweg parken und Radler außen herumfahren müssten, so Haider, werde es gefährlich.
Sie betont, es gehe nicht darum, Großaufgebote an Polizei gegen Parksünder aufzufahren, doch "ich kann nicht einsehen, warum die Regeln, die gelten, nicht einfach umgesetzt werden". Dazu gehöre, dass Autos, die so parken, abgeschleppt werden oder ihnen ein Strafzettel verpasst wird. Stattdessen höre sie immer wieder, dass falsches Parken in der Stadt allzuoft toleriert wird, sagt Haider.

Sie findet: "Hier sind die Prioritäten falsch gesetzt. Wenn wir die Verkehrswende wollen, und auch zum Beispiel Senioren, die wirklich gefährdet sind und die allermeisten Radltoten ausmachen, aufs Rad bringen wollen, dann müssen wir versuchen, die Rad- und Fußwege sicher zu gestalten. Das geht nur, wenn keine Falschparker zugelassen werden."
Konsequenz: Menschen werden selbst gegen Falschparker aktiv
Sie hat deshalb Verständnis für entnervte Radfahrer oder Fußgänger, die selbst aktiv werden und auf dem Geh- oder Radweg parkende Pkw fotografieren und dies als Ordnungswidrigkeit anzeigen. Bundesweit gibt es dazu verschiedene Apps, mit deren Benutzung es zuletzt aber offenbar Probleme gab.
So berichtete etwa die Deutsche Umwelthilfe kürzlich, das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hätte Bürger, die solche Meldungen getätigt hätten, verwarnt und ihnen gar eine Gebühr von 100 Euro aufgebrummt, weil dies ein Verstoß gegen den Datenschutz darstelle.
Stadt soll mit Polizei ein Konzept erarbeiten
Sonja Haider findet die "Kriminalisierung von engagierten Bürgern" falsch und kritisiert, dies verhindere die Nachverfolgung und Ahndung von Fehlverhalten. Die Stadt solle deshalb mit Polizei und der kommunalen Verkehrsüberwachung ein Konzept erarbeiten, wie mit Meldungen von Falschparkern durch die Zivilgesellschaft über digitale Medien, Anzeigen, etc. umzugehen ist.
Es solle sichergestellt werden, dass die, die etwas melden, keine Strafen durch Verletzung des Datenschutzes zu befürchten haben und gefährdende Hindernisse schnellstmöglich und effektiv aus dem Weg geräumt werden.
Doch dieses Thema ist komplex. Eine Sprecherin des Landesamtes für Datenschutz erklärt, Verstöße bei der Polizei anzeigen dürfe grundsätzlich jeder Bürger. Ob es aber notwendig und damit zulässig sei, dabei ein Foto anzufertigen, das müsse im Einzelfall geprüft werden.
Kennzeichen-Übermittlung geht auch ohne Foto
Ist man persönlich betroffen, weil man in einer Gefahrensituation ist oder die eigene Einfahrt zugeparkt ist, kann ein Foto gerechtfertigt sein. Bei "abstrakten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung" eher nicht, so die Sprecherin. Ein Kennzeichen etwa könne man auch ohne Bild übermitteln.
Der Punkt: Ein Foto stelle eine Datenverarbeitung dar, für diese brauche man immer eine Rechtsgrundlage, weil man damit in die Rechte eines anderen eingreife, so die Sprecherin. Dies sei in der Datenschutzgrundverordnung geregelt. Dort ist vorgesehen, dass eine Interessenabwägung stattfindet, es gehe darum, wessen Recht im Einzelfall schwerer wiegt.
Die Anfertigung eines Fotos könne also durchaus einen Datenschutzverstoß darstellen und das Landesamt als zuständige Behörde sei befugt, Verwarnungen auszusprechen und Verwarngelder zu verhängen. Die ermittelnde Behörde sei die Polizei, die entscheide, welche Beweismittel sie brauche.
Verstöße sind häufig Frage der Verhältnismäßigkeit
In München teilen sich KVR und Polizei die Verkehrsüberwachung. Von beiden Stellen sei "viel Personal unterwegs, die nicht anderes machen, als den ruhenden Verkehr zu kontrollieren", so Polizeisprecher Sven Müller. Oft seien die Verstöße aber nur von kurzer Dauer, und oft auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Natürlich könne aber jeder Bürger, der betroffen ist, Anzeige erstatten.
KVR-Sprecher Johannes Mayer erklärt, bei einzelnen Anzeigen durch Privatpersonen werde in jedem Einzelfall geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Verfolgung gegeben sind und entschieden, ob dem gemeldeten Falschparker eine Verwarnung erteilt werden kann.
Ist das der Fall, komme das KVR auf den Zeugen, der die Anzeige geschickt hat, zu. Für eine Verwarnung brauche es rechtssichere Belege wie Datum, Uhrzeit, Art des Verstoßes und ein Foto. Abschleppen lassen, könne nur die Polizei, so Mayer.
ÖDP wünscht sich Runden Tisch
Die ÖDP wünscht sich für das Problem der zugeparkten Rad- und Gehwege eine klare Strategie, wer in welchem Fall wie verfährt, wie man sie etwa in Berlin habe, erklärt Haider. Diese würde sie gerne mit dem KVR, der Polizei, der Verkehrsüberwachung (KVÜ) und Vertretern von Radlern und Fußgängern an einem Runden Tisch erarbeiten. Denn "einen Beschluss zu fassen alleine hilft nichts, das muss ja dann auch umgesetzt werden."
Das gilt auch für weitere Facetten des Problems, so die ÖDP, etwa den Lieferverkehr, der oft die Radwege zuparkt, weil Liefer- und Kurzparkzonen nicht konsequent frei gehalten werden, und das Parken neben Schanigärten oder Radlabstellanlagen, die auf ehemaligen Parkplätzen entstanden sind.
Hier könnten eindeutigere Markierungen und strengere Kontrollen helfen, so lauten weitere Anträge an die Stadtverwaltung.