Streit über Stolpersteine entzweit Rathausspitze

Weil Charlotte Knobloch ihre Teilnahme an einer geplanten Anhörung abgesagt hat, hält Josef Schmid (CSU) die Veranstaltung für sinnlos – der OB Reiter (SPD) nicht.
München - Kontrovers war die Debatte um die Stolpersteine schon immer. Die einen halten sie für ein angemessenes Andenken an die Opfer des Holocaust, die anderen lehnen diese Form der Erinnerung kategorisch ab. Doch nun hat die Diskussion auch die Rathausspitze entzweit.
OB Dieter Reiter (SPD) und sein Stellvertreter Josef Schmid (CSU) gerieten am Dienstag über dieses Thema heftig aneinander.
Auslöser für den Streit war ein Brief von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde. Diese hatte in einem Schreiben an die Stadt in scharfen Worten dargelegt, dass sie die vom Stadtrat geplante Anhörung zum Thema Stolpersteine als „würdeloses Schauspiel“ empfinde und daran auf keinen Fall teilnehmen werde.
Schmid hatte daraufhin erklärt, er halte es für „undenkbar, dass die Stolpersteine gegen die Bedenken von Überlebenden des Holocaust durchgesetzt werden“. Ohne Knobloch mache das Stadtratshearing keinen Sinn, dieses müsse schließlich im Konsens aller demokratischen Kräfte durchgeführt werden, „und dazu gehört selbstverständlich und an vorderster Stelle die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde“.
Von OB Reiter kassierte Schmid dafür umgehend einen Rüffel. Schmids „offenbar persönliches Statement“ spiegele „weder die Meinung des Oberbürgermeisters, noch die abgestimmte Meinung im Ältestenrat, noch den fast einstimmigen Beschluss im Stadtrat wieder“. Diesem Thema, reagierte Reiter gereizt, könne man seiner Ansicht nach nur durch persönliche Gespräche gerecht werden.
Ein solches persönliches Gespräch gab es am Dienstag dann auch tatsächlich. Da traf sich Charlotte Knobloch auf Reiters Bitte hin mit dem OB und sagte ihre Teilnahme an dem Stadtratshearing endgültig ab.
In der für den 5. Dezember angesetzten Anhörung vor dem Stadtrat soll geklärt werden, ob die Stadt weiter an ihrer Entscheidung festhalten will, auf öffentlichem Grund keine Stolpersteine zuzulassen. Einen entsprechenden Beschluss hat die Stadt 2004 gefasst, auf maßgebliches Betreiben der Israelitischen Kultusgemeinde, die keine Gedenkstätten wollte, die man mit Füßen treten kann.
Mittlerweile hat sich die Lage aber etwas geändert. In Deutschland sind mittlerweile in über 500 Gemeinden Stolpersteine verlegt worden, oft mit Befürwortung und unter bewegter Anteilnahme der Familienangehörigen der Opfer. Auf Initiative der Grünen wurde die Debatte deshalb auch in München neu angestoßen.
Die Anhörung sollte die Gelegenheit sein, um sich „auf sensible Weise und ohne Verletzungen“ über das Thema austauschen zu können, schreibt Florian Roth, der Grünen-Chef im Stadrat, in einem Antwortbrief an Charlotte Knobloch. Doch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde wird an dem Stadtratshearing nicht teilnehmen. Sie lehnt das Verlegen von Stolpersteinen als „profilneurotischen, künstlerischen Show-Act“ und die Steine an sich als ein „vermeintliches Andenken im Dreck“ ab.