Streik am Flughafen: Darum ist das Bodenpersonal so sauer

Nach Lufthansa kämpft nun auch das Personal von Swissport Losch für mehr Gehalt. Denn die Bodenbeschäftigten seien unter besetzt und im Dauerstress.
Leonie Fuchs |
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Beschäftigte des Bodenpersonals von Swissport Losch fordern gestern am Flughafen mehr Lohn - sie sind "Ready for Streik".
Beschäftigte des Bodenpersonals von Swissport Losch fordern gestern am Flughafen mehr Lohn - sie sind "Ready for Streik". © Daniel von Loeper

München - Das Bodenpersonal von Swissport Losch schweigt nicht mehr. Vereint und in einer großen Gruppe versammelt, stehen die etwa 80 Beschäftigten gestern Vormittag am Besucherpark des Münchner Flughafens.

Mit Lautstärke ein Zeichen setzen

Sie tragen Warnwesten und sind mit Signalpfeifen ausgerüstet. Ihr Triller-Konzert übertönt selbst die Geräusche der Flieger, die in der Nähe starten und landen. Das Personal möchte mit Lautstärke ein Zeichen setzen, erklärt der Streikende Matthias Görtz (35). Es arbeite derzeit am Limit.

Der neu geschaffene Eingangsbereich. Die Disponenten Mladen Borokovikic und Ivan Cerovski sowie Matthias Götz streiken für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.
Der neu geschaffene Eingangsbereich. Die Disponenten Mladen Borokovikic und Ivan Cerovski sowie Matthias Götz streiken für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. © Daniel Loeper

Fünfstündiger Warnstreik

Vor zwei Wochen erst hatten die Angestellten des Lufthansa-Bodenpersonals für einen Tag lang ihre Arbeit niedergelegt - mit Erfolg. Die Gewerkschaft und die Fluggesellschaft haben sich auf einen Tarifvertrag geeinigt. Nun hat Verdi gestern erneut zu einem fünfstündigen Warnstreik aufgerufen. Diesmal lassen Beschäftigte des Bodenverkehrsdienstleisters Swissport Losch ihre Arbeit von 10 bis 15 Uhr ruhen.

Zehn Prozent mehr Gehalt gefordert

"Wir brauchen genug Geld, damit wir in München und Umgebung auch leben können", sagt der stellvertretender Betriebsratsvorsitzende von Swissport Losch Michael Batog der AZ. Konkret fordert Verdi eine Lohnerhöhung von deutlich über zehn Prozent für die etwa 600 Münchner Beschäftigten, um "angesichts einer Inflationsrate von acht Prozent aktuell Reallohn zu sichern", so Verhandlungsführerin Manuela Dietz.

Verdi-Sprecher Norbert Flach (l.) und Swissport-Betriebsratsvorsitzender Michael Batog beim Besucherpark des Flughafens.
Verdi-Sprecher Norbert Flach (l.) und Swissport-Betriebsratsvorsitzender Michael Batog beim Besucherpark des Flughafens. © Daniel Loeper

Einstiegsgehälter von unter 13 Euro

Lufthansa zahle ihrem Personal in den unteren Lohngruppen nach den Verhandlungen jetzt bis zu 19 Prozent mehr. Das Swissport-Angebot von zehn Prozent bei über einem Jahr Laufzeit und einer Einmalzahlung von 250 Euro sei nicht akzeptabel, bei Einstiegsgehältern von unter 13 Euro. In vier Verhandlungsrunden seit April konnte man sich demnach noch nicht einigen.

Das Bodenpersonal versucht das Chaos zu bändigen

Die Mitarbeiter des Bodenverkehrsdienstleisters versuchen, das seit Wochen andauernde Kofferchaos am Flughafen zu bändigen - trotz hohem Krankenstand und enger Personaldecke, so Verdi. Sie haben oft körperlich anstrengende Aufgaben: Die Beschäftigten schleppen Koffer in oder aus dem Flieger, damit die Passagiere ihr Gepäck erhalten, erklärt Batog weiter. Sie sorgen dafür, dass frisches Wasser im Flugzeug vorhanden ist, entleeren Toiletten, holen die Reisenden in Bussen vom Flugzeug ab. Sie fertigen die Flieger ab. Ohne ihr Okay könne kein Pilot abheben.

Sie sind sie "Seele des Unternehmens"

"Ihr Arbeitnehmer seid die Seele des Unternehmens", erklärt Verdi-Sprecher Norbert Flach über das Mikrofon. Und: "Gute Arbeit gibt es nur für guten Lohn", ruft er. Zustimmendes, lautes Getriller ertönt im einstimmigen Pfeifen-Chor. "Es ist frustrierend", sagt Görtz, der für die Fliegerbeladung zuständig ist. "Ich mache den Job gerne, aber bei den steigenden Mieten und Spritpreisen kann man sich das Leben in München langsam nicht mehr finanzieren."

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"Wir sind chronisch unterbesetzt"

Auch Mladen Borokovikic (31) und Ivan Cerovski (32), die als Disponenten die Zuteilung von Personal und Waren organisieren, sagen: "Wir sind chronisch unterbesetzt." Das werde sich bei zu niedrigen Löhnen auch niemals ändern, sagt Borokovikic. "Der Job bleibt ohne Lohnerhöhung unattraktiv."

Momentan arbeitet einer für drei

Ein Mitarbeiter erledige derzeit die Arbeit für drei, mahnt Andre Frötschner, der bereits seit 2012 für Swissport beim Gepäckinnendienst arbeitet. Die coronabedingte Lohnpause und Kurzarbeit habe dazu geführt, dass viele Mitarbeiter sich während der Pandemie neue Stellen gesucht haben. Andere seien entlassen worden. "Diese Arbeit wird jetzt den übrigen Mitarbeitern aufgebürdet." Das sei auf Dauer nicht tragbar, so Frötschner.

Andre Frötschner sagt, der aktuelle Zustand sei nicht mehr tragbar.
Andre Frötschner sagt, der aktuelle Zustand sei nicht mehr tragbar. © Daniel von Loeper

Ein Teufelskreis "im Dauerstress"

Auch Streikende Monika Ludwig erklärt: "Dieses abgegangene Personal fehlt jetzt natürlich, das war abzusehen." Deshalb sei der Warnstreik berechtigt. Durch die stetige Überbelastung durch Personalengpässe komme es zudem häufig zu krankheitsbedingten Ausfällen, so Görtz weiter. Ein Teufelskreis "im Dauerstress", sagt er.

Monika Ludwig findet den Warnstreik berechtigt und gut.
Monika Ludwig findet den Warnstreik berechtigt und gut. © Daniel von Loeper

36 Starts und Landungen wurden abgesagt

Am Flughafen sind gestern wegen des Protests 36 Starts und Landungen annulliert worden. Betroffen seien Flüge der Lufthansa-Töchter Air Dolomiti, Cityline und Eurowings, etwa nach Palma de Mallorca, Florenz, Turin, Bologna, Zürich, Stuttgart und Dresden, sagte ein Flughafensprecher. Der private Anbieter Swissport Losch bediene demnach in der Landeshauptstadt zwischen 35 und 40 Prozent der Flugbewegungen.

Busfahrerin Gashi Luminje hält ein Plakat hoch: "Wir sind es wert".
Busfahrerin Gashi Luminje hält ein Plakat hoch: "Wir sind es wert". © Daniel von Loeper

Gute Stimmung bei den Streikenden

Am Besucherpark ist die Stimmung jedoch ausgelassen. Es wird gelacht und fröhlich weitergetrillert. Die Freude und Aufregung darüber, dass zusammen gestreikt wird, ist spürbar. Es seien sogar Mitarbeiter aus dem Urlaub zum Protest gekommen, erzählt Batog - um ein lautes Zeichen zu setzen.

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