Straße der Angst - lebt hier ein Kinderschänder?
Nach dem Missbrauch eines 13-Jährigen sucht die Polizei den Kinderschänder in der Moosacher Nanga-Parbat-Straße. Die Nachbarn sind verängstigt und wütend.
München - Kopf ab. Ohne Diskussion. „Hab’ die Polizei schon gefragt, ob ich ihn haben kann“, sagt der schnauzbärtige Mann auf dem Balkon. Zieht noch mal an der Zigarette, schnippt die Asche ab, sie fällt auf den Schnee wie ein Urteil. „Wenn’s mein Sohn gewesen wär – zack.“
So forsch sind die wenigsten in der Nanga-Parbat-Straße in Moosach. Hier haben sie eher Angst. Ein Kinderschänder geht um, hat sich an einem Buben (13) vergriffen. Am 27. Dezember stand er am Kaugummiautomaten. Der Mann sprach ihn an, nahm ihn mit, missbrauchte ihn. So steht’s auf Plakaten, die die Polizei aufgehängt hat – sie hängen an jeder Haustür und an den wenigen Läden. Und fragen stumm nach Zeugen.
Rechts bunt bemalte Wohnblöcke der Sparkasse, links graue der Genossenschaft. Dazwischen weiße Rasenflächen, tauender Schnee mit Raben darauf, Plastiktüten hängen im Baum. Über allem Eisregen, 2 Grad. Es ist kalt und ungemütlich in München. Hier besonders.
Die alte Frau an Hausnummer 12 fährt trotzdem Fahrrad – das tut sie immer, „das ist Gewohnheit“. Eine Sache hat sie seit den Plakaten aber geändert. „Jetzt sperre ich die Haustür ab, das habe ich früher nie gemacht“, sagt sie. „Man ist doch nirgendwo mehr sicher.“
An der Kindertagesstätte „Märchenwiese“ hängt das rot-weiße Fahndungsplakat neben der Eingangstür. Zwei Frauen mit Kinderwagen lesen es. Eine zieht den Zeigefinger an den Worten entlang, die andere greift zur Hand ihrer Tochter: „Unfassbar“, sagt sie. „Da kriegt man ja Angst.“
Walter Schoth denkt, dass der Schänder den Buben von der Dachauer Straße hinter die Wohnblöcke in die Nanga-Parbat-Straße führte – und nicht über die Alfred-Drexel-Straße, wie es die Polizei schreibt. In der liegt nämlich sein Gemischtwarenladen, und hier gingen sie bestimmt nicht vorbei. Das Geschäft liegt nur 15 Meter vom Kaugummiautomat weg. „Ich hätte die beiden gesehen“, sagt Schoth.
Den Buben kennt er gut. Walter Schoth kennt überhaupt die ganze Familie, weil der Sohn praktisch Stammkunde war. „Er war ständig bei uns im Laden. Ein ganz liebes Kind. Verrückt nach Süßigkeiten.“ Der sei jeden Tag im Laden und am Automaten gewesen – oder beim Eismann im Sommer, wenn der ein paar Meter weiter am Parkplatz hielt.
Schoth erzählt, was an jenem Dezembertag los war: „Überall Polizei. Die glaubten erst an eine Messerstecherei, weil der Bub auch eine Schnittwunde am Bauch hatte. Dann fuhr ein Krankenwagen vorbei, kam aber leer zurück. Die Mutter und der Sohn waren dann bis Mitternacht auf der Wache.“
Angeblich, so hat man es ihm erzählt, zeigte der Bub in der Nacht noch seiner Mutter den Tatort – einen Keller. Und: Angeblich hat ihm der Mann eine Zigarette gegeben, bevor er ihn hinunter schleppte. Die Polizei spricht dagegen von einer Wohnung.
Ob der Mann hier lebt? Zumindest kannten sich Opfer und Täter, das glauben viele. „Ich sage: Der hat den Buben schon öfter angesprochen“, meint Isabella Stadler beim Frühstück in Svetlanas Café. „Sonst wäre der doch nicht mitgegangen.“ Die Bewohner hätten jetzt Angst – „und alle hoffen, dass er bald gefunden und sinnvoll bestraft wird.“
Nur Walter Schoth denkt anders. „Wenn einer zu ihm gesagt hat: ,Komm, kriegst a Geld oder was Süßes’ – dann ist er bestimmt einfach so mitgegangen.“