AZ: Herr Ahmed, Sind Sie über das Urteil enttäuscht?
ADAM AHMED: Ich bin vor allem von der Begründung enttäuscht. Die Kammer hat das Problem nicht erkannt, wenn sie davon spricht, dass kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot erkennbar sei.
Wie hat Michael W. reagiert?
Ruhig. Ich hatte ihn darauf vorbereitet. Einige Fragen des Gerichts hatten zuvor bereits darauf hingedeutet, dass die Sicherungsverwahrung ausgesprochen wird.
Warum glauben Sie, dass er keine Gefahr mehr darstellt?
Erstens ist er nach Aussagen aller Gutachter therapiewillig und therapiefähig. Zweitens: Er hat 2008 mit einer Therapie begonnen. Drittens:
Der soziale Empfangsraum mit einer Nachsorge und einer daran anschließenden Therapie ist ebenso gesichert. Sie sind vorläufig gescheitert.
Was werden Sie nun tun?
Zunächst einmal möchte ich richtigstellen, dass nicht ich gescheitert bin. Es geht nicht um mich. Es geht um die Einhaltung des Rechts und damit um den Rechtsstaat. Scheitern würden die rechtsstaatlichen Prinzipien. In diesem Fall wird jetzt der BGH die Entscheidung in rechtlicher Hinsicht überprüfen müssen.
Und wenn der sagt, das Urteil geht in Ordnung?
Je höher die Instanz, desto besser. Spätestens in Straßburg (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, die Red.) wird das Urteil aufgehoben.
Regen sich manchmal Zweifel, ob Sie mit Ihrer Arbeit vielleicht den Falschen helfen?
Da wir aus unserer Geschichte verantwortungsvoll gelernt haben, hat jeder Betroffene die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Im Hinblick auf eine Verteidigung bin ich, genauso wie die Justitia das sein sollte, vorurteilsfrei. Ich helfe bei der rechtlichen Auf- und Abarbeitung von Sachverhalten, mit denen sich ein Gericht in einem Rechtsstaat auseinandersetzen muss. Ein Betroffener, der sich gut verteidigt fühlt, wird nach einer auch hohen Strafe eine solche eher akzeptieren als derjenige, der einen kampflosen oder stummen Verteidiger an seiner Seite hatte. Meine Aufgabe ist es, auch in schwierigen Lagen und Fällen in rechtlicher Hinsicht zur Seite zu stehen.
Was ist Ihnen wichtiger: das Recht oder der Schutz der Allgemeinheit?
Es ist ein Widerspruch in sich, wenn man zum Schutz der Verfassung, also der Allgemeinheit, unveräußerliche Grundsätze der Verfassung preisgibt. Dass ein Gesetz nur dann zur Anwendung kommen darf, wenn es zum Zeitpunkt der Tat galt, stellt in einem Rechtsstaat einen der wichtigsten unveräußerlichen Grundsätze der Verfassung dar. Außerdem: Mein Mandant hatte mit einer Therapie in der JVA begonnen, die dann von der JVA selbst abgebrochen wurde. Nun wird ihm zum Vorwurf gemacht, dass er die Therapie nicht zum Abschluss gebracht hat.
Werden Sie sich unbehaglich fühlen, wenn Michael W. doch noch freikommt?
Nein, zumal der soziale Empfangsraum gesichert ist.