Strafen trotz gültiger Streifenkarte Münchnerin soll 60 Euro für Ticket zahlen

Eine Münchnerin wird zur Schwarzfahrerin erklärt, weil sie ihr Ticket erst nach dem Aussteigen zeigt. Dann wühlt die Kontrolleurin in ihrer Handtasche.
von  Irene Kleber
Angelika Koll mit ihrer korrekt gestempelten Fahrkarte. Die Bahn wollte trotzdem ein Bußgeld von ihr – und muss sich nun
entschuldigen.
Angelika Koll mit ihrer korrekt gestempelten Fahrkarte. Die Bahn wollte trotzdem ein Bußgeld von ihr – und muss sich nun entschuldigen. © Petra Schramek

Angelika Koll ist immer noch aufgebracht. Wie ein Schwarzfahrer soll die Münchnerin happige 60 Euro als "Fahrpreisnacherhebung" an die Deutsche Bahn (DB) zahlen, obwohl sie eine gültige Streifenkarte für die S-Bahn-Fahrt dabei hat. Erst als sie einen Anwalt einschaltet, rudert die DB zurück und entschuldigt sich. Nur: Auf den teuren Anwaltskosten bleibt die 57-Jährige nun sitzen.

Deutsche Bahn entschuldigt sich, aber...

Vorgefallen ist das Ganze an einem Freitag in der S6. Angelika Koll, die als Referentin am Münchner Flughafen arbeitet, steigt am Nachmittag daheim in Pasing in die S-Bahn, um in der Innenstadt zu ihrem Friseurtermin zu fahren. "Ich hatte Kopfhörer im Ohr und habe Musik gehört", erzählt sie.

Kurz vor 16 Uhr sieht sie im Wagen noch zwei Kontrolleure (eine junge Frau und einen Mann), die die Fahrkarten kontrollieren. Noch bevor die beiden sie erreichen, öffnen sich die Türen am Marienplatz, Angelika Koll steigt aus.

Draußen am Bahnsteig baut sich plötzlich die Kontrolleurin, die mit ausgestiegen ist, vor ihr auf und verlangt Angelika Kolls Personalausweis. "Die Frau sagte, ich hätte im Zug mein Ticket nicht vorgezeigt und den Wagen unerlaubt verlassen", berichtet die Münchnerin.

Fahrpreisnacherhebung trotz gültiger Streifenkarte

Sie zieht daraufhin ihre ordnungsgemäß gestempelte Streifenkarte aus der Tasche, zeigt diese vor, sagt, dass sie keinen Personalausweis bei sich trage. "Aber mein Ticket hat die Frau überhaupt nicht interessiert", empört sich Angelika Koll. "Sie hat trotz meiner Streifenkarte verlangt, dass ich 60 Euro Schwarzfahrer-Strafe zahlen soll." Die sogenannte "Fahrpreisnacherhebung" also.

Was sich nun abspielt, klingt abenteuerlich. Die Kontrolleurin habe sie gezwungen, ihr die Handtasche auszuhändigen und anschließend darin herumgewühlt, um dort Ausweispapiere zu finden. Das dürfen S-Bahn-Kontrolleure nicht – dieses Recht hat nur die Polizei. Danach habe die Frau ihr die Geldforderung über 60 Euro in die Hand gedrückt.

"Eine Unverschämtheit", ärgert sich die Münchnerin. "Ich habe das so sehr als Nötigung empfunden, dass mir ganz schwindlig und schlecht geworden ist. Ich bin dort eine ganze Weile festgehalten worden, musste meinen Namen und Adresse nennen – und bin dann auch zu spät zum Friseur gekommen."

Anzeige wegen Nötigung

Noch am Abend erstattet Angelika Noll Anzeige wegen Nötigung bei der Polizei, und schaltet wenig später ihren Anwalt ein. Der erklärt den Vorgang für "rechtswidrig", die Handlung der Kontrolleurin sei "amtsmissbrauchend", "erniedrigend", und "nötigend" gewesen und habe Angelika Nolls Persönlichkeitsrecht verletzt.

Das Verhalten erfülle außerdem den "Tatbestand der versuchten ungerechtfertigten Bereicherung" zugunsten der Deutschen Bahn. Die DB habe also nicht nur die Geldforderung zurückzuziehen, sondern auch die Anwaltskosten zu bezahlen.

Knapp vier Wochen rührt sich erst mal nichts. Jetzt aber rudert die Bahn zurück. "Wir bedauern, dass Ihre Mandantin in die unangenehme Situation einer Fahrpreisnacherhebung kam", heißt es im Antwortschreiben der DB an den Rechtsanwalt. "Ihre Unterlagen haben wir geprüft. In diesem Fall reduzieren wir unsere Forderung auf die Bearbeitungsgebühr."

Über 250 Euro Anwaltskosten

Nur noch sieben Euro soll Angelika Noll nun an die DB überweisen. "Eine Frechheit", findet die Münchnerin. Zumal: Sie soll auch auf den Anwaltskosten sitzen bleiben: 255,85 Euro.

Auf die Bitte der AZ um eine Stellungnahme erklärt die DB, es habe sich "hier wohl um ein Missverständnis" gehandelt, wie es "bei der Vielzahl von Fahrkartenkontrollen leider nicht immer ausbleibt". Die Frage nach den Konsequenzen für die beteiligte Kontrolleurin blieb unbeantwortet.

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