Störungen bei der S-Bahn: Woran es wirklich hakt

MÜNCHEN - Die Fahrgastzahlen haben sich seit dem Start im Jahr 1972 mehr als verdreifacht – von 240 000 auf 800 000.
Der Takt wird immer dichter: Die angebotenen Zugkilometer haben sich seit 1972 verdreifacht (ein Plus von 207 Prozent). Die Länge des S-Bahn-Netzes ist seit der Betriebsaufnahme 1972 aber nur um ein Fünftel (22 Prozent) gewachsen – die Folge: Mehr Züge stauen sich auf zu wenig Gleisen.
Alle zwei Minuten fährt ein Zug: Mit 30 Zügen pro Stunde und Richtung in der Hauptverkehrszeit ist die S-Bahn-Stammstrecke die am dichtesten befahrene Eisenbahnstrecke in Deutschland.
Die Stammstrecke ist am Anschlag: Laut Bahn sind die Grenzen der Infrastruktur erreicht. In Spitzenstunden werden sie sogar regelmäßig überschritten, so die Bahn. Die Züge überschritten schon im Regelbetrieb Soll-Fahrplanzeiten und verbrauchten dabei eingeplante Zeit-Puffer. Ein Sprecher: „Hier liegt die häufigste Ursache für die Verspätungen von S-Bahnen.“ Rund 60 Prozent seien darauf zurückzuführen.
Der Rest – 40 Prozent – der Verspätungen werden unmittelbar von Schäden, Störungen und Betriebsfehlern verursacht:
14 Prozent gehen auf „externe Faktoren“ wie Notarzteinsätze, Personen im Gleis oder gefährliche Ereignisse zurück. 2011 gab es 245 Notarzteinsätze, 237 Sperrungen wegen „Personen im Gleis“ und 47 Suizide oder Suizidversuche.
16 Prozent entstehen im Schienennetz, etwa durch Baustellen, Störungen an der Leit- und Sicherungstechnik (Stellwerk, Signale), an Weichen sowie Fahrbahnen oder Oberleitungen.
Zehn Prozent entstehen im Fahrbetrieb. „Das sind Haltezeitüberschreitungen beim Fahrgastwechsel, Fahrzeugstörungen und versäumte Übergänge von Triebfahrzeugführern aus verspätet ankommenden Zügen“, so ein Sprecher.
Computer bremsen Züge aus: Bei längeren Störungen auf der Stammstrecke übernehmen Störfallprogramme die Kontrolle. Züge wenden vorzeitig oder fahren abseits der Stammstrecke oberirdisch zum Hauptbahnhof. Das soll Auswirkungen auf das gesamte S-Bahn-Netz reduzieren. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl dieser Störfallprogramme von 15 (2007) auf 37 (2011) – mehr als doppelt so viel.
Wer außerhalb wohnt, kommt öfter zu spät: Ein Drittel der Außenäste im S-Bahn-Netz sind eingleisige Strecken oder Mischverkehrsstrecken, bei denen sich die S-Bahn Gleise mit Fern-, Regional- oder Güterzügen teilt. Hier müssen sich S-Bahnen an bestimmten Kreuzungsbahnhöfen begegnen und auf andere Züge achten. Da führen kleine Störungen zu größeren Verspätungen: „Ist ein Zug zu spät, wendet er oft schon vor dem Endbahnhof, um die Verspätung reinzuholen“, sagt ein Sprecher. „Dadurch kommt es auf den weniger nachgefragten Außenästen der S-Bahn-Linien dann zu Teilausfällen von Zügen.“
Züge werden als unpünktlich gewertet, wenn sie mehr als fünf Minuten von der Fahrplan-Sollzeit abweichen. 2012 beträgt die Gesamtpünktlichkeit bisher 93,8 Prozent. 2011 lag sie bei 94,1 Prozent, 2010 bei 93,8 Prozent. Damit sei man „selbst nicht zufrieden“, so ein Bahn-Sprecher.