Stiftung für Arme baut in München Mietwohnungen zu Luxuspreisen

In Neuhausen baut die St.-Antonius-Stiftung der Erzdiözese 50 neue Wohnungen. Die Preise sind nur für Vermögende erschwinglich. So kosten vier Zimmer (122 qm) über 3.000 Euro warm.
von  Nina Job
Hier baut die Kirche - beziehungsweise eine Stiftung der Erzdiözese. Im Juni sollen alle 50 neuen Wohnungen fertig sein.
Hier baut die Kirche - beziehungsweise eine Stiftung der Erzdiözese. Im Juni sollen alle 50 neuen Wohnungen fertig sein. © Bernd Wackerbauer

München - Der Tipp kam vom Pfarrer: "Versuchen Sie es doch mal bei der katholischen Stiftung St. Antonius", riet er einer Wohnungssuchenden. Über zwei Ecken erreichte der Tipp eine Mutter aus Neuhausen, die ebenfalls dringend nach einer neuen Bleibe für sich, ihren Mann und die Kinder sucht. Denn sie müssen raus aus ihrer Altbauwohnung, eine Eigenbedarfskündigung steht bevor.

50 neue Wohnungen neben der Kirche Sankt Vinzenz

"Wir hetzen von Wohnungsbesichtigung zu Wohnungsbesichtigung. Bislang war alles vergeblich", berichtete Alexandra Weber (Name geändert) der AZ. Es ist eine alte Geschichte: In München eine bezahlbare Wohnung zu finden, grenzt an ein Wunder. So war die Hoffnung groß, als die Webers über den Pfarrer auf das Neubauprojekt in der Klarastraße 10 aufmerksam wurden. Hier baut die katholische St.-Antonius-Stiftung neben der Kirche Sankt Vinzenz 50 neue Wohnungen.

Früher stand auf dem Grundstück mal ein Schwesternheim, es folgte jahrelanger Leerstand. Schließlich übernahm die Stiftung der Erzdiözese München und Freising das Grundstück von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul. Etwa drei Jahre dauerten Abriss und Neubau.

Die Wohnungen werden seit Kurzem angeboten

Nun sollen im April die Wohnungen im sogenannten Gartenhaus bezugsfertig werden. Zwei Monate später werden auch die Wohnungen im Vorderhaus fertig, so der Plan. Seit Kurzem werden die Wohnungen auf dem freien Markt angeboten. Ein Makler wurde eingeschaltet, der Grundrisse und Preislisten an Interessierte verschickt.

Keine sozialverträglichen Mieten

Ein kirchlicher Träger, dachte Alexandra Weber, werde sozialverträgliche Mieten verlangen. Bis vergangene Woche. Da bekam sie die Listen zugeschickt und damit die große Ernüchterung. Denn die Quadratmeterpreise, die die katholische Stiftung verlangt, liegen allesamt deutlich über 20 Euro Kaltmiete. Los geht es bei 21,70 Euro; für die teuerste Wohnung müssen sogar mehr als 24,70 pro Quadratmeter aufgebracht werden.

Gartenseite: Die Bäume konnten größtenteils erhalten werden.
Gartenseite: Die Bäume konnten größtenteils erhalten werden. © Bernd Wackerbauer

Fast 2.000 Euro für eine 2-Zimmer-Wohnung: "Fassungslos über diese Preise"

So wird zum Beispiel eine 1,5-Zimmer-Wohnung mit knapp 60 Quadratmetern (58,4 qm) im Erdgeschoss für 1.380 Euro angeboten. Warm dürfte das künftige Zuhause dann laut Liste rund 1.540 Euro kosten. Eine 2-Zimmer-Wohnung mit etwas mehr als 74 Quadratmetern im vierten Stock wird für 1.705 Euro kalt vermietet, warm werden es dann über 1.900 Euro. Vier-Zimmer-Wohnungen kosten ab 2.830 warm, die teuerste (134 qm) sogar 3.255 Euro.

Alexandra Weber ist tief enttäuscht - und empört: "Ich bin fassungslos über diese Preise. 1,5 Zimmer kosten so viel, wie wir momentan für unsere Vier-Zimmer-Wohnung bezahlen!" Von einer Wohnanlage in kirchlicher Trägerschaft hätte sie das "niemals erwartet". Damit steht sie nicht alleine da.

Volker Rastätter vom Mieterverein zur AZ: "Für viele Vermieter scheinen leider soziale Gesichtspunkte und Artikel 14 aus dem Grundgesetz ,Eigentum verpflichtet' keine große Rolle zu spielen. Wenn auch kirchliche Vermieter so vorgehen, drängt sich die Frage auf, ob sie ihrer sozialen Verantwortung nachkommen."

Keine Mietpreisbremse für Neubauten - Die Kirche sollte helfen

Mieten von mehr als 20 Euro kalt pro Quadratmeter für Neubau sind keine Seltenheit, erläutert Rastätter. "Hintergrund ist, dass für Neubau die Mietpreisbremse nicht gilt und somit im Grunde fast jede Miete verlangt werden darf." Kirchliche Vermieter sind beim Mieterverein bislang weder besonders negativ noch besonders positiv aufgefallen.

"Sie verhalten sich auf dem Münchner Mietmarkt so wie viele andere auch. Es gibt positive Beispiele, aber auch negative. Wir würden uns wünschen, dass kirchliche Vermieter sich sozialer verhalten", sagt der frühere Geschäftsführer des Vereins. Rastätter wünscht sich, dass die Kirchen versuchen, zu helfen. "Etwa, indem sie Grundstücke zu günstigen Erbpacht-Konditionen über lange Zeiträume hinweg zur Verfügung stellen oder selbst bezahlbaren Wohnraum auf ihren zahlreichen Grundstücken schaffen."

Nach AZ-Informationen hat die St.-Antonius-Stiftung das Grundstück aber im Erbbaurecht übernommen - und somit von günstigeren Konditionen profitiert, als wenn sie ein Grundstück zum seit Jahren steigenden Bodenpreis hätte erwerben müssen.

So rechtfertigt sich die St.-Antonius-Stiftung

Stefan Fritz, Geschäftsführer der St.-Antonius-Stiftung, rechtfertigt die hohen Mieten in der Klarastraße auf Anfrage so: Zum einen seien die Baukosten während der Bauzeit um rund vier Millionen Euro auf nun 22,5 Millionen Euro (ohne Grundstückskosten) gestiegen. Grund: die allgemeine Kostensteigerung.

Sowieso seien die Mietpreise gar nicht außergewöhnlich: "Die Miete in der Klarastraße 10 richtet sich nach den vor Ort marktüblichen Mieten für Neubauten dieser Qualität." Bei anderen Wohnungen der St.-Antonius-Stiftung würden die Mieten dagegen im Durchschnitt "deutlich unter dem Mietspiegel" liegen. So habe man bei den Bestandsmietern drei Jahre aus sozialen Gründen komplett auf Mieterhöhungen verzichtet.

Der Stiftungschef erklärt: "Einen gut ausgestatteten, nachhaltig errichteten Neubau in Münchner Bestlage unter Markt zu vermieten, hieße, den eigentlich Begünstigten der Stiftung Mittel vorzuenthalten, um diese stattdessen einer ganz anderen Zielgruppe zu gute kommen zu lassen."

Über sechs Millionen Euro flossen 2021

Zweck der Stiftung ist es laut Satzung Personen zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Die St.-Antonius-Stiftung hat laut eigener Finanzdaten 2021 insgesamt 6,15 Millionen Euro an verschiedene Sozialträger ausgeschüttet. Davon rund eine Million für Projekte im Bereich der Armutsbekämpfung und Hilfe für Wohnungslose.

Die Erträge würden ausschließlich zur Finanzierung zahlreicher Projekte und Vorhaben im karitativen Bereich auf dem Gebiet der Erzdiözese eingesetzt, erläutert Fritz. Und auch wenn die neuen Wohnungen nicht für jeden erschwinglich seien - das Objekt leiste in vielerlei Hinsicht einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Wohnsituation. Familie Weber und unzählige andere Wohnungssuchende allerdings müssen weitersuchen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.