Sterneköchin vom Dallmayr-Restaurant Alois in München: "Immer so eine leichte Anspannung"

Seit knapp einem Jahr ist Rosina Ostler Küchenchefin in Dallmayrs Alois. Die Zwei-Sterne-Köchin sprudelt nur so vor Elan. In der AZ spricht sie über Ehrgeiz, Kreativität und Bitternoten.
Ruth Frömmer
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Rosina Ostler fühlt sich sichtlich wohl bei Dallmayr. Das Zwei-Sterne-Lokal Alois ist mit viel Liebe zum Detail eingerichtet – so wie ihre Menüs.
Rosina Ostler fühlt sich sichtlich wohl bei Dallmayr. Das Zwei-Sterne-Lokal Alois ist mit viel Liebe zum Detail eingerichtet – so wie ihre Menüs. © Sigi Mueller

München - Sie ist ein Münchner Kindl. Rosina Ostler ist hier aufgewachsen und hat schon früh den Genuss für sich entdeckt. 2014 schaffte sie es bei der Fernsehsendung "The Taste" ins Halbfinale, absolvierte dann ihre Kochausbildung in der berühmten Traube Tonbach in Baiersbronn und kochte sich danach durch Sternerestaurants von Berlin bis Oslo.

Ende 2023 verließ Küchenchef Max Natmessnig das Dallmayr-Restaurant Alois. Ostler übernahm seinen Posten, hielt auf Anhieb die zwei Michelin-Sterne ihres Vorgängers und das zu Recht. Jeder einzelne Gang ihrer ausgefeilten Menüs beschert ein perfektes Genuss- und obendrein ein regelrechtes Aha-Erlebnis.

AZ: Sie kochen seit gut einem Jahr im Alois. Wie ist es Ihnen ergangen?
ROSINA OSTLER: Es war ein sehr schönes und extrem intensives Jahr. Ich habe über Neujahr viel reflektiert und finde, wir haben viel in eine sehr gute Richtung bewegt. Ich gehe beschwingt ins nächste Jahr!

Sie sagen, Ihre Mutter und Großmutter waren grandiose Köchinnen. Was haben sie der kleinen Rosina denn serviert?
Es war eher so, dass man dem Kochen überhaupt sehr viel Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt hat. Klar wurde jeden Tag nach der Schule und abends frisch gekocht. Aber für mich war immer besonders, wie viel Zeit an Feiertagen und Wochenenden fürs Kochen aufgewendet wurde. Wenn alle aus der Küche raus sollten, weil mein Großvater die letzten Züge des Bratens fertigstellt: Das war immer so eine leichte Anspannung und hat sich für mich so angefühlt wie jetzt in der Küche.

Im Dallmayr-Delikatessenhaus unter dem Alois finden die Münchner alles, was es für ein perfektes Menü daheim braucht.
Im Dallmayr-Delikatessenhaus unter dem Alois finden die Münchner alles, was es für ein perfektes Menü daheim braucht. © Sigi Mueller

Und wie ist es heute? Müssen Sie an Feiertagen allein für Ihre Familie kochen?
Eigentlich wird mir immer gesagt: "Nein, du kochst jetzt nicht." Aber ich koche gerne und das nehmen dann doch alle dankend an (lacht). Meine Freunde sagen oft, dass sie sich nicht trauen, für mich zu kochen. Das finde ich schade und ich versuche, es ihnen auszutreiben. Man isst ja trotzdem wie ein ganz normaler Mensch. Ich laufe ja auch nicht an jeder Currywurstbude vorbei und denke mir "Oh Gott, was machen die denn da?"

Hausmannskost und Sterneküche sind zwei Welten: Wann sind Sie zum ersten Mal mit Fine Dining in Berührung gekommen?
Schon relativ früh. Meine Eltern sind zu besonderen Anlässen auch mal ins Tantris, ins Aubergine oder zum Königshof gegangen. Ich habe das immer als etwas Besonderes und Tolles empfunden – und ich habe schon als Kind alles gegessen. Meinen Eltern war immer wichtig, dass ich alles probiere. Im Königshof habe ich dann auch mein erstes Praktikum gemacht.

"Was mich fasziniert: Wie sich das Ästhetische, Künstlerische mit dem Handwerk vereint."

Zur Sterneküche gehört ja auch die Optik und damit Fingerfertigkeit. Scheitern manche Köche an Letzterem?
Das ist zur Hälfte Übung und Erfahrung, aber auch intuitiv. Ich sehe bei mir, dass ich das künstlerisch-Kreative in mir habe, und ich muss es auch ausleben. Das ist nicht jedem Koch ganz natürlich mitgegeben. Bei uns im Team merkt man, dass viele noch gar nicht die Möglichkeit hatten, für sich herauszufinden, ob sie das können. Allgemein gesagt, sind manche nicht so kreativ, aber handwerklich supergute Köche. Aber in der oberen Liga ist das sehr wichtig. Und das ist auch der Grund, warum ich in den Job gegangen bin. Weil mich genau das so fasziniert und begeistert: Wie sich das Ästhetische, Künstlerische mit dem Handwerk vereint.

Sie waren schon vor Ihrer Ausbildung bei der Fernsehsendung 'The Taste’. Dort müssen die Teilnehmer viel Geschmack auf einen einzigen Löffel bringen. Ist das die perfekte Schule für die Sterneküche
Ja. Und ich glaube, jetzt wäre ich bei ’The Taste’ noch viel besser (lacht). Denn unser Menü-Konzept besteht aus vielen One-Bites. Das ist noch einmal etwas ganz Anderes als ein Tellergericht. Bei so einem Löffel wird man vom ersten Bissen bis zum letzten Geschmack im Gaumen auf eine Reise mitgenommen.

Das Münchner Restaurant hat mit Ostler seine zwei Sterne halten können (Archivbild).
Das Münchner Restaurant hat mit Ostler seine zwei Sterne halten können (Archivbild). © Matthias Balk/dpa

Sie haben sich per E-Mail auf die Stelle im Alois beworben. Wie sieht denn eine Sternekoch-Bewerbung aus?
Ich habe meinen Lebenslauf geschickt und einfach mal angefragt, ob die Stelle noch zu haben ist. Ich habe nur geschrieben, dass ich im Maaemo in Oslo arbeite und mich gerne wieder zurück in meine Heimatstadt München orientieren würde. Es gab zwar schon viele Bewerbungen, aber Florian und Sunny Randlkofer hatten sich bewusst Zeit für die Entscheidung genommen und mich dann in Oslo besucht. Nach mehreren Bewerbungsrunden haben wir gemerkt: Miteinander, Sympathie und Vertrauen passen. Wir haben uns gefunden!

"Meine Küche ist nicht nordisch, nur die Technik zum Teil."

Welche Einflüsse aus Skandinavien prägen heute Ihre Küche?
Diese Küche ist sehr produktbezogen, klar und einfach verständlich. Man schmeckt die einzelnen Komponenten klar hervor. Anders als bei der französischen Küche, wo die Produkte in Speisen eingearbeitet werden, die das Gericht runder machen. Es gibt auch typisch skandinavische Techniken wie Garen über offenem Feuer und das Arbeiten mit der Saison. Wenn es bestimmte Produkte nur ganz kurz gibt, dann werden sie eingelegt oder fermentiert. Ebenfalls nordisch ist im Gegensatz zur französischen Küche, dass nicht nur die klassischen Luxusprodukte zum Star werden. Meine Küche ist aber nicht nordisch, nur die Technik zum Teil.

Und was sind typische Münchner Einflüsse?
Innereien zum Beispiel. Damit arbeite ich gerne. Die Metzgerkultur ist hier in der Region sehr ausgeprägt. Ich bin damit aufgewachsen, dass das etwas Gutes und Besonderes ist, zum Beispiel Bries, Leber oder Herz. Ebenfalls typisch bayerisch ist Wild. Aber das ist auch typisch nordisch – wie naturnahe Produkte, bestimmte Kräuter und Gemüse. Klassisch bayerische Küche findet man in meinem Menü nicht. Ich bin in meiner Küche wirklich sehr frei. Und wenn ich etwas brauche, was es hier gerade nicht gibt, sitze ich ja mit dem Delikatessenhaus an der Quelle. Hier kann ich alles bekommen, was ich für ein bestimmtes Gericht brauche.

Nicht nur das Menü ist schick: So sieht es im Alois aus (Archivbild).
Nicht nur das Menü ist schick: So sieht es im Alois aus (Archivbild). © Dallmayr

Unterscheiden sich die Gäste in München von den norwegischen?
Wir haben viele internationale Gäste und die sind überall gleich. Das Münchner Publikum ist kulinarisch gebildet, die meisten kennen viel, waren schon in mehreren Fine-Dining-Lokalen essen. Die Dichte an Sternerestaurants hier ist hoch und damit natürlich auch die Vergleichbarkeit. Aber das inspiriert auch. Viele Münchner sind so richtige Genussmenschen.

Es heißt, Sie lieben starke Aromen: Was bedeutet das eigentlich genau?
Ich liebe es, wenn Sachen gewisse Spitzen haben. Wenn etwas sauer ist, darf es auch so schmecken. Bitternoten essen viele Menschen zum Beispiel nicht mehr gerne, weil sie aus vielen Produkten rausgezüchtet werden. Aber ich finde bitter toll. Gerade haben wir einen Hauptgang mit Ente und Radicchio. Klar, der ist bitter – und das darf er auch sein. Mir ist wichtig, sein Aroma durch die passenden Gegenparts im Gericht scheinen zu lassen. Ich koche insgesamt gerne gut gewürzt, schmecke jede einzelne Komponente perfekt ab. Tatsächlich wundert mich, dass noch nie jemand gesagt hat, es ist ihm zu salzig (lacht). Ich koche nicht nordisch, nicht asiatisch, nicht bayerisch, habe keine typische Stilrichtung. Aber es muss kräftig sein.

"Ich will immer gewinnen."

Kommt bei einer kulinarischen Idee zuerst das Produkt oder eine Geschmacksvorstellung?
Meistens ist es erst das Produkt. Die Geschmacksvorstellung kommt dann durch die Kombination. Die versuche ich dann mit dem Team zusammen zu erreichen. Meistens kann ich mir dann auch schon vorstellen, wie es aussehen soll. Aber es ist lustig: Dem einen Kollegen kann ich manchmal schwer erklären, was ich meine. Und der nächste sagt sofort: "Das fühle ich total."

Gibt es Ideen, die sich einfach nicht umsetzen lassen?
Selten. Aber gerade haben wir ein neues Kaviargericht mit Schweinesülze in der Mache. Dazu gibt es Schüttelbrot. Da tut sich die Patisserie gerade ziemlich schwer, dieses Brot passend auf den Teller zu bringen. Aktuell haben wir ein Kartoffelsoufflé im Menü. Die Idee war, ein herzhaftes Soufflé zu machen. Das so hinzubekommen, dass es immer perfekt funktioniert, daran haben wir lange getüftelt. Aber irgendwann klappt’s dann immer.

Wie wichtig ist Ehrgeiz in der Sterneküche?
Ich bin in allen Bereichen ehrgeizig. Ich kann auch nur kompetitiven Sport machen, weil ich immer gewinnen will (lacht). Die Kollegen an der Spitze sind alle ehrgeizig. Ich glaube, in der Kochwelt geht es ohne Ehrgeiz nicht. Es ist nicht wie bei einem klassischen Künstler, der Bilder malt. In der Küche gehört noch so viel anderes dazu. Es ist ja auch Teamarbeit. Da kann ich nicht allein rumstehen und kreativ sinnieren.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Gefühlt sind Sie jetzt angekommen – wie befriedigen Sie Ihren Ehrgeiz denn jetzt?
Mein Ehrgeiz wird ständig mit allen möglichen Dingen, Projekten und Weiterentwicklungen befriedigt. Es geht ja vorwärts und es hört glücklicherweise noch lange nicht auf. Mir fällt genug ein, was ich hier noch alles machen kann. Ich bin keine, die darauf wartet, was mir passiert. Ich ergreife gerne viele neue Projekte und Ideen. Es tut sich immer was und es ist auch noch Luft nach oben. Ich habe das Gefühl, dass sich meine ganze Energie und Leidenschaft gerade so richtig ansammelt und aufbaut. Hier habe ich künstlerische Freiheit und kann meine Kreativität ausleben. Das ist schön.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.