Stehen die aktuellen Sobon-Richtlinien bezahlbarem Wohnungsbau am Ende im Weg?

München - Wohnraum wird immer teurer. Ein Instrument, mit dem die Stadt München es schaffen will, die Preise zu regulieren, ist die "Sozialgerechte Bodennutzung" (Sobon).
Matthias Ottmann: Münchner Baukastenmodell Sobon "ist wahnsinnig kompliziert"
Damit macht die Stadt der privaten Immobilienwirtschaft Vorgaben, etwa inwieweit sie sich an der sozialen Infrastruktur beteiligen und wie viele geförderte Wohnungen sie bauen muss.
Im Sommer wurden diese Richtlinien verschärft. Für gut gemeint, aber nicht gut gemacht, hält Matthias Ottmann die Reform. Er ist Honorarprofessor für Immobilienwirtschaft an der TU München.

AZ: Herr Ottmann, ein Investor wollte am OEZ 700 Wohnungen bauen. Doch nun ist das Projekt angeblich wegen der Sobon nicht mehr wirtschaftlich. Können Sie das nachvollziehen?
MATTHIAS OTTMANN: Das kann ich gut nachvollziehen. Die Stadt München hat sich bei der Sobon für eine Art Baukastenmodell entschieden. Es gibt da um die 35 verschiedene Varianten, zwischen denen Eigentümer wählen können. Das ist wahnsinnig kompliziert. Zudem ist die Belastung an sich aus meiner Sicht über der Norm. Diese beiden Faktoren führen dazu, dass Bauträger sich denken: Dann eben nicht.
In Baugebieten soll durch die neuen Regeln 60 Prozent preisgedämpfter Wohnraum entstehen. Was ist daran verkehrt? In München explodieren die Mieten schließlich.
Grundsätzlich ist der sozialpolitische Ansatz nicht verkehrt. Die Sobon hat eine lange Geschichte. Sie geht auf die 1990er Jahre zurück. Damals gab es erhebliche Widerstände seitens der Immobilienwirtschaft. Aber inzwischen haben alle, auch die Bauherren, verstanden, dass es wichtig ist, Sozialquoten zu erfüllen.
Aber?
Diese Quoten wurden immer mehr erhöht. Am Anfang lag die Sozialquote bei 30 Prozent, dann bei 40 Prozent und jetzt bei 60 Prozent. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Modell 80 Prozent Mietwohnungsbau entstehen soll. Gleichzeitig beobachten die Grundstückseigentümer, wie die Immobilienpreise steigen. Deshalb ziehen auch die Preise für Grundstücke an. Doch um in der Lage zu sein, die Vorgaben der Stadt zu erfüllen, müssten die Grundstückspreise sinken. Das führt dazu, dass Grundstückseigentümer nun erst einmal abwarten, weil sie die Preise, die sie erwarten, nicht mehr erzielen.
Matthias Ottmann: "Die Eigentümer sind ja nicht gezwungen, zu verkaufen"
Wo beobachten Sie das?
Das ECE, das Wohnungen am Olympia-Einkaufszentrum realisieren wollte, ist ein Beispiel. Ich bin aber auch immer wieder in Gesprächen mit Eigentümern, die jetzt dazu tendieren, erst einmal abzuwarten, ob die Stadt München mit der neuen Sobon Erfolg hat. Die Eigentümer sind ja nicht gezwungen, zu verkaufen. Manche warten schon seit 20 Jahren. Fünf Jahre mehr machen denen auch nichts aus.
Was kann die Stadt tun, damit sich nicht nur reiche Menschen München leisten können?
Die wenigen Flächen-Ressourcen, die es in München noch gibt, muss die Stadt nutzen und auch dichter bebauen.
Kann es ernsthaft die Lösung sein, die wenigen Flächen dem freien Markt zu überlassen?
Die Sobon ist eine ganz starke Reglementierung des Marktes. Es gibt da ja noch andere Maßnahmen: Erhaltungssatzungen, den Mietspiegel. Die Immobilienwirtschaft spürt, dass nicht mehr viel übrig ist. Aber dann, wenn es doch etwas gibt, explodieren die Preise. Selbst am Stadtrand, wo wir es niemals gedacht hätten, reden wir über 10.000 bis 12.000 Euro für den Quadratmeter.
War die Sobon früher besser?
Bei der Sobon 2017 gab es einen breiten Konsens, den die Stadt mit den Bauträgern gesucht hat. Da gab es auch ein Modell, das Eigentum gefördert hat. Das finde ich richtig. Denn wir sollten nicht nur darauf schauen, den Mietwohnungsbau zu stärken, sondern auch das Eigentum.
Würde die Stadt damit nicht bloß ein Geschenk an die Reichen machen?
Das Modell war an Eigentumsgrenzen gebunden. Die Frage ist, ob die Belastung den Kredit für das Eigentum zurückzuzahlen höher ist als die Mietbelastung? Die Zinsen sind schließlich niedrig. Das Modell sah vor, dass die Wohnungen zur Hälfte des Preises verkauft werden. Das kann sich auch ein Facharbeiter oder ein guter Normalverdiener leisten. Gleichzeitig ist Wohneigentum eine Altersvorsorge. Wenn diejenigen Bevölkerungsgruppen, die wir Mittelstand nennen, vom Wohnungsmarkt nicht mehr bedient werden, müssen wir das offen ansprechen.
Rechnen Sie damit, dass Investoren klagen?
Das wird nicht einfach. Gesetzlich muss ein Drittel des zu erwartenden Gewinns beim Planungsbegünstigten, also beim Investor, bleiben. Bei der Sobon gibt es so viele verschiedene Varianten, zwischen denen Bauträger entscheiden können, dass es schwierig wird, das nachzuweisen. Es wird eher darauf hinauslaufen, dass die Stadt ihre eigenen Flächen vermarktet und dass sich die private Immobilienwirtschaft aus München zurückzieht.
So funktioniert die Sobon
Dass Immobilienunternehmen in München nicht bloß Wohnungen bauen dürfen, mit denen sie maximalen Gewinn erzielen, ist nichts Neues. Bereits seit den 90er Jahren müssen sich Bauherren, wenn sie Neubaugebiete entwickeln, an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen und einen gewissen Anteil an günstigerem Wohnraum bauen. Im Sommer hat der Stadtrat die Grundlagen dafür mit einer neuen "Sozialgerechten Bodennutzung" verschärft.
Die Stadt hat dafür ein komplexes Punktesystem entwickelt. Insgesamt müssen 100 Punkte erreicht werden. Wie die Unternehmen diese erzielen, ist flexibel. Das Grundmodell sieht so aus: 60 Prozent des Wohnraums wird preisgünstig vergeben, 80 Prozent sind Mietwohnungen und mit 175 Euro pro Quadratmeter müssen sich Investoren an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen.
Theoretisch könnten die Eigentümer die 100 Punkte auch erfüllen, wenn sie sich mit einem höheren Betrag an der Infrastruktur beteiligen oder indem sie noch mehr Mietwohnungen schaffen.
Nicht verhandelbar ist die Dauer: 40 Jahre müssen sich Bauherren an die Vorgaben halten. Zuvor waren die Bindungen für Sozialwohnungen nach 25 oder 30 Jahren ausgelaufen. Auch eine Zusatzklausel, die garantieren soll, dass genug Sozialwohnungen entstehen, gibt es: Wenn Investoren nur 40 Prozent vergünstigten Wohnraum schaffen, müssen sie 40 Prozent der Fläche an die Stadt verkaufen.