Stefinger (CSU) - Online-Apotheke Doc-Morris: Skandal um geklaute Kundendaten

Beim CSU-Abgeordneten Wolfgang Stefinger landen Protestbriefe aus München, die die Absender gar nicht verschickt haben: "Ein ungeheuerlicher Vorgang".
von  Irene Kleber
"Ich wende mich an Sie in einer für mich sehr wichtigen und persönlichen Angelegenheit", heißt es in den Protest-Postkarten. Und: "STIMMEN SIE NICHT für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln." Wolfgang Stefinger wunderte sich über die Briefe.
"Ich wende mich an Sie in einer für mich sehr wichtigen und persönlichen Angelegenheit", heißt es in den Protest-Postkarten. Und: "STIMMEN SIE NICHT für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln." Wolfgang Stefinger wunderte sich über die Briefe. © Nils Schwarz, AZ

München/Berlin - Der Münchner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger (CSU) ist fassunglos: Rund 800 "Protestbriefe" von Bürgern aus seinem Wahlkreis München-Ost haben sein Bundestags-Postfach in Berlin geflutet. Darin bitten sie als Kunden der niederländischen Versandapotheke "Doc Morris" darum, er möge gegen eine Gesesetzesänderung zum Apotheken-Versandhandel stimmen, die demnächst im Bundestag beschlossen werden könnte.

Doch jetzt kommt raus: Zumindest einige hundert der Münchner Absender wussten gar nichts davon, dass in ihrem Namen Briefe verschickt worden sind. Doc Morris hat zwar wohl kürzlich seine Kunden zu einer Protestaktion aufgerufen. Darüber hinaus hat sich aber offenbar jemand der Kundendaten des Versandhändlers bedient, die Adressen einfach über die Postleitzahlen den einzelnen Bundestags-Wahlkreisen zugeordnet – und ohne Wissen der betroffenen Bürger die Protestpost an CSU- und CDU-Abgeordnete versendet.

"Die Briefe und Postkarten kommen seit Anfang April waschkörbeweise in mein Büro", berichtet Stefinger der AZ. Alle Absender seien Münchner aus den Vierteln Bogenhausen, Haidhausen, Trudering, Ramersdorf, aus der Altstadt oder dem Lehel. "In meinem Postfach war kein einziger aus einer anderen Ecke Münchens dabei."

Dass vermutlich ein großangelegter Schwindel dahinter steckt, flog auf, nachdem Stefinger begonnen hatte, alle Protestbriefe mit einem persönlichen Schreiben zu beantworten. "Letztes Wochenende ist in meinem Büro der Anrufbeantworter vollgelaufen mit Bürgern, die sich bitter beschweren, wie ich bitteschön an ihre Adresse komme. Sie seien zwar Kunden des Apotheken-Versandhändlers Doc Morris, aber sie hätten mich überhaupt nie angeschrieben." Seither steht das Telefon in seinem Büro nicht mehr still. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang", empört sich Stefinger.

Inzwischen wird klar, dass etliche der 56 Abgeordneten der CSU-Landesgruppe mit solchen Briefen aus ihren Heimatwahlkreisen überschwemmt worden sind – darunter auch der CSU-Abgeordnete für den Münchner Westen, Hans-Peter Uhl. Stefinger: "Nach meiner Kenntnis wird aktuell von rund 140.000 Briefen und Karten ausgegangen, die die Abgeordneten von CDU und CSU erreicht haben."

Stefinger verlangt Aufklärung

Hintergrund ist offenbar eine Gesetzesänderung, die der CDU-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe fordert. Demnach sollen künftig Versandapothekenmit Sitz im Ausland keine verschreibungspflichtigen Artzney mehr nach Deutschland liefern können.

Das würde "Doc Morris", dessen Sitz sich in Holland befindet (15 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt), schwer treffen. Das Versandunternehmen, vor 17 Jahren vom holländischen Apotheker Jacques Waterval und dem Deutschen Ralf Däinghaus gegründet (500 Mitarbeiter in Deutschland und Holland), beliefert vor allem Kunden in Deutschland, die per Telefon, Post oder via Internet Artzney bestellen – zum Teil deutlich günstiger als in Apotheken in Deutschland.

Stefinger hat inzwischen per Brief an den Vorstands-Chef von Doc Morris Aufklärung verlangt. "Gerade im Gesundheitsbereich ist der Datenschutz äußerst wichtig und ich hoffe für die Kunden von Doc Morris, dass die Versandapotheke den Schutz sensibler Kundendaten ernst nimmt", sagt er.

Die CSU-Fraktion hat gestern auch die Bundesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. "Wir überlegen auch, Strafanzeige zu stellen", sagt Wolfgang Stefinger. Ein Antwortschreiben hat der Abgeordnete noch nicht erhalten.

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