Startschuss für neue Wagenknecht-Partei – Klaus Ernst ledert in München los: "Renten wichtiger als Mohrenköpfe“
München - Für Klaus Ernst ist es an diesem Dienstagabend ein Heimspiel. Zu Beginn kokettiert der frühere Linken-Chef damit, dass er einst in München eine Lehre als Elektromechaniker gemacht hat und dann Betriebsrat wurde. Der mitunter wegen seiner Vorliebe für schnelle Autos als "Porsche-Klaus" verspottete Schweinfurther Bundestagsabgeordnete will zeigen, dass er sich bereits in jungen Jahren für die Schwächeren in der Gesellschaft eingesetzt hat. Nicht nur bei der Vielzahl an Gewerkschaftern im Publikum kommt das an.
Knapp 100 Menschen sind gekommen. Der Genossenschaftssaal im Münchner Domagkpark ist brechend voll. Kein Wunder: Ernst und andere Fans von Talkshow-Ikone Sahra Wagenknecht wollen ihre Pläne für einen bayerischen Landesverband der künftigen Wagenknecht-Partei vorstellen. Wohl keine Partei hat in der Geschichte der Bundesrepublik bereits vor ihrer Gründung so oft die Schlagzeilen gefüllt.
"Werden darauf achten, wen wir aufnehmen": Klaus Ernst und Sahra Wagenknecht bauen neue Partei auf
Und klar ist: Klaus Ernst wird, nachdem die Partei am 8. Januar tatsächlich offiziell gegründet wird, eine maßgeblichen Rolle in ihr spielen. Bevor er am Dienstag nach München reiste, war er in Berlin. Wagenknecht gab bei einer Pressekonferenz bekannt, dass Ernst in der Gruppe von zehn Wagenknecht-Abgeordneten im Bundestag ihr Stellvertreter wird.
Und weil der frühere IG-Metall-Funktionär innerhalb des Bündnisses auch in Bayern eine breite Anhängerschaft hat und über eine gewisse Prominenz verfügt, gilt er als designierter Kandidat für den Posten des Landeschefs. Das bestätigten mehrere mit dem Aufbau eines bayerischen Parteiablegers beschäftigte Personen aus dem Wagenknecht-Umfeld auf Anfrage.

Für ihn spricht auch, dass er beim Aufbau der WASG und bei der Fusion mit der PDS zur Linken viel Erfahrungen mit den Tücken von Parteigründungen gesammelt hat. Es gebe Leute, die eine Partei für ihre Ziele übernehmen wollten, sagt Ernst. "Wir werden deshalb zu Beginn genau darauf achten, wen wir aufnehmen", sagt der 69-Jährige. Der genau Parteiname steht laut Ernst noch nicht fest. Klar sei aber: "Der Name Sahra Wagenknecht kommt darin vor."
AfD-Wähler sind zu großen Teilen nicht rechtsradikal, glaubt Klaus Ernst
Im Publikum sind vor allem Menschen, die mit der Politik der vergangenen Jahre extrem unzufrieden sind: Ernst versucht, sie alle für sich zu gewinnen – auch die Kritiker des Corona-Kurses, von denen manche längst zur AfD übergeschwenkt seien. "Der Meinungskorridor wird bei uns so eng, dass du dir schon überlegen musst, mit wem du beim Pinkeln stehst", sagt Ernst. Heftig kritisiert er frühere Impfpflichtpläne. Über AfD-Wähler sagt er, viele von ihnen seien nicht rechtsradikal.
Seiner alten Partei wirft der Ex-Linke vor, diese sei zuletzt "nur mehr auf Minderheitenthemen eingegangen." Unter tosendem Beifall sagt er: "Wenn die Umbenennung der Mohrenköpfe urplötzlich wichtiger wird als die Höhe der Renten, dann hat der Rentner damit ein Problem." Wichtiger sei es tatsächliche Missstände abzustellen, etwa die schlechtere Bezahlung von Frauen oder Migranten.
"Sollte keine Sanktionen machen, die einen selbst treffen": Ernst will gemeinsame Sache mit Russland machen
Die Sozialpolitik sei "ein Schwerpunkt der Partei". Renten und Mindestlöhne müssten steigen. "Es gibt keinen Grund dafür, warum der Österreicher 900 Euro mehr Rente bekommt als bei uns." Die Partei wolle die die Gewerkschaften und Tarifverträge stärken. Doch für einen ausreichenden Sozialstaat brauche man "einen funktionierenden Nationalstaat". Wie auch Wagenknecht fordert er einen Waffenstilstand zwischen Russland und der Ukraine. Dies werde nur unter Gebietsabtretungen möglich sein, räumt er ein. Ernst will die deutschen Waffenlieferungen nach Kiew gerne beenden.
Und Deutschland solle wieder russisches Gas und Öl kaufen. "Man sollte keine Sanktionen machen, die einen selbst treffen", sagt der frühere Vorsitzende des Energieausschusses des Bundestags. Viele energieintensive Unternehmen würden längst in die USA abwandern. Diese seien "der große Gewinner des Krieges". Er deutet sogar an, US-Präsident Joe Biden habe mit der Sprengung von North Stream 2 zu tun.