Star-Mediziner soll Fall Böhringer klären
MÜNCHEN - Im Prozess-Endspurt im Fall Böhringer wollen die Anwälte die Widersprüche zweier Gutachter auflösen. Helfen soll dabei ein US-Experte, der schon im Fall O.J. Simpson ausgesagt hat.
Er hat im Verfahren gegen O.J. Simpson ausgesagt und den Tod von John F. Kennedy untersucht. Einer der bekanntesten Gerichtsmediziner der Welt, Henry Lee (69), soll seine Fachkenntnisse in den Mordprozess Böhringer einbringen. Mit diesem überraschenden Beweisantrag hoffen die Anwälte von Bence T. (33) zu untermauern, dass der Mörder der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer zumindest die letzten fünf Schläge mit der rechten Hand ausführte. Ihr angeklagter Neffe Bence T. aber ist Linkshänder.
Anwalt Peter Witting: „Der Gutachter Sasse hatte für die letzten fünf Schläge einen Linkshänder ausgeschlossen, Gutachter Peschel hatte das offen gelassen. Diesen Widerspruch soll Henry Lee klären.“
Lee gehörte zum Team der Verteidigung von Rock-Produzent Phil Spector, der des Mordes an der Schauspielerin Lana Clarkson angeklagt war. Auch im Fall O.J. Simpson wurde er von den Verteidigern als unabhängiger Berater zu Rate gezogen. Der berühmte Gerichtsmediziner leitet ein forensisches Institut an der Universität von New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) und ist Autor von über 30 Büchern.
Dass er für das fragliche Beweisthema kompetent ist, steht außer Frage. In den USA lehrt er unter anderem, wie Blutspritzer oder -tropfen am Tatort zu interpretieren sind. Gegen Peschel und einen Ermittler haben die Anwälte zusätzlich einen Befangenheitsantrag gestellt. Beide hätten sich bei ihren Aussagen wie „Erfüllungsgehilfen der Behörden“ aufgeführt. Der Ermittler habe die Bemühungen der Verteidiger sogar einmal mit „dumm gelaufen“ kommentiert.
Mit einer Reihe von weiteren Zeugen, Verwandten und Freunden will die Verteidigung beweisen, dass Bence T. ausschließlich Linkshänder ist. Auch sein Bruder erklärte gestern, dass sein Bruder „alles mit links mache“. Als das Gericht den Vater fragte, ob es denn eine spezielle Schere für Linkshänder im Haushalt gäbe, platzte Bence T. der Kragen: „So ein Schmarrn“, schimpfte er los und wurde von Richter Manfred Götzl daraufhin zur Ordnung gerufen.
Zu keinem Ergebnis führte die Überprüfung der Akten im Fall Ursula Herrmann. Eine Verbindung zum Böhringer- Fall – außer der immer noch rätselhaften Identität zweier DNA-Spuren – konnten die Anwälte und der Angeklagte nicht finden. Allerdings sei er zu dem Schluss gekommen, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg „weit übers Ziel hinausgeschossen ist“, erklärte Peter Witting. „Ich glaube nicht, dass sie den richtigen Mann festgenommen haben. Das ist alles kalter Kaffee, der wieder aufgekocht wurde.“
Da die Verteidigung keine neuen Beweis-Anträge plant, könnte nächste Woche plädiert werden.
John Schneider