Star-Design von der Stange

Ansturm auf die Textilkette H&M: Die hat morgen eine Sonder-Kollektion von Versace im Angebot - warum Modemacher ihre besten Stücke für weniger als 300 Euro verkaufen.
von  AZ

München - Eben noch bei der Prêt-à-Porter-Schau in New York – und jetzt zu erschwinglichen Preisen an der Kleiderstange: Auf diese Masche setzt man bei H&M gerne. Immer im Herbst lockt der schwedische Modekonzern mit der Sonder-Kollektion eines Star-Designers. Vor allem junge, mode-affine Kunden mögen das. Am morgigen Donnerstag wird der alljährliche Run auf die Designer-Fummel neu eröffnet – auch in den drei Münchner H&M-Filialen in der Innenstadt. Im Angebot diesmal: eine ziemlich schrille und bunte Kollektion aus dem Hause Versace.

Das Prinzip: Kein Kleidungsstück darf mehr als 300 Euro kosten. Wäre es Prêt-à-Porter-Mode, würde man für ein Versace-Kleid dagegen gut und gerne bis zu 2000 Euro löhnen. Bei H&M in München rechnet man mit langen Warteschlangen. Startschuss sei um acht Uhr morgens, sagt Sprecher Hendrik Heuermann. „Unser Motto ist wie immer: First come, first serve.“ Denn die Versace-Kollektion sei – „natürlich“ – limitiert. Wie lange der Vorrat reicht? Darüber wolle er nicht spekulieren. Man könne die Klamotten auch eine Zeit lang online kaufen. „Ebenfalls an diesem Donnerstag, ab zehn Uhr.“ Damit’s beim Anstehen keinen Streit gibt, verteilen H&M-Mitarbeiter bunte Bändchen. „Je nach Farbe bekommt man Einlass etwa um neun oder zehn Uhr.“

Danach darf fröhlich geshoppt werden, „aber nur 20 Minuten, dann sind die nächsten Kunden an der Reihe. Jedes Teil darf man nur in einer Größe kaufen“. Ob so etwas Spaß macht, sei dahingestellt. Und trotzdem gibt der Erfolg den Modemachern Recht. Immer wieder holen auch Kaufhäuser namhafte Designer aus Paris oder London ins Boot (siehe Kasten). Bei H&M hatte es 2004 mit Karl Lagerfeld begonnen: Der Verkauf seiner Kollektion brachte dem schwedischen Konzern damals ein Umsatzplus von stolzen 24 Prozent. Bei Stella McCartney waren es immerhin noch elf Prozent. Die Normalo-Modekette arbeitet mal mit Roberto Cavalli, mal mit dem Nobelschuhdesigner Jimmy Choo, aber auch mit dem holländischen Designer-Duo Viktor und Rolf – oder der in München recht beliebten Sonia Rykiel.

Der Deal lohnt sich für beide Seiten: Die Ketten schmücken sich mit fremden Federn – die Designer bekommen viel PR und einen Batzen Geld. Wie viel es im Fall Versace war, wollte man bei H&M nicht sagen. Axel Augustin, Sprecher beim Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels, sagt: „Für H&M ist die Versace-Kollektion ein Image-Gewinn.“ Man wolle neue Zielgruppen ansprechen. „Es ist ein Highlight, wenn auch mal andere Kunden in den Laden kommen.“ Sprich nicht nur die ganz jungen Frauen und Männer, wie sie bei günstigen Ketten ein- und ausgehen. Sondern etwa auch die modebewusste Münchnerin, die ein wenig mehr verdient – „aber eben nicht so viel, dass sie sich ein Versace-Kleid leisten kann“.

Machen Kaufhäuser und Ketten den Luxus-Läden insgeheim Konkurrenz? Mode-Expertin Sabine Spieler schüttelt den Kopf. „Ein Prêt-à-Porter-Kleid für zweitausend Euro ist mit einem Pendant von H&M doch gar nicht zu vergleichen.“ Zudem hätten auch Firmen wie Versace ein Interesse daran, junge Menschen für ihr Label zu begeistern – obwohl sie weniger Geld haben. „Vielleicht sind gerade sie die Versace-Kunden von morgen.“

Gerade im Luxussegment gehe es der Modebranche aktuell „sehr gut“, sagt sie. Edel-Firmen wie Prada, Louis Vuitton oder Hermes hätten sogar „ordentliche Zuwächse“. Doch auch in der Mode fürchtet man die Euro-Krise. Und der vergleichsweise warme Herbst setzt den Händlern zu. „Viele erhöhen die Rabatte“, sagt Sprecher Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels. Prompt sank auch deshalb beim Billig-Anbieter H&M der Gewinn, er ging im dritten Quartel um 15 Prozent zurück auf 3,6 Milliarden Kronen. Da kommt der Versace-Deal womöglich gerade rechtzeitig.

 

 

 

 

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