Standpauke! Ude rüttelt Genossen wach
Der Oberbürgermeister nimmt für seinen Wahlkampf drei Monate unbezahlten Urlaub. Von seinen Parteifreunden verlangt Christian Ude mehr Engagement und weniger Störfeuer
München - Seit über einem Jahr hetzt er durch ganz Bayern, schüttelt alle Hände, die sich ihm nähern und lässt kein Festzelt ungenutzt stehen. Wenigstens einen halbwegs terminfreien Tag sehnt er sich in der Woche herbei und kommt oft erst tief in der Nacht von seinen Auftritten irgendwo im Bayernland nach Hause. Ein Glas Rotwein noch, ein paar Worte mit seiner Frau – und am nächsten Tag in der Früh sitzt der Wahlkämpfer Christian Ude wieder als Oberbürgermeister im Rathaus. Ude – allein im roten Haus? Beim Parteitag der Münchner SPD brach am Samstag die ganze Belastung aus ihm heraus. Haaalloooo! Ist da wer, der ihm in die rote Wahlkampfschlacht folgt?
Mit einer beispiellosen Standpauke rüttelte er die Partei wach:
Es sei auch in der SPD „leider Mode geworden“, angesichts der schlechten Umfragewerte „trotzig zu resignieren und keinen Finger zu krümmen, weil das Ergebnis schon feststeht“. Die SPD müsse und dürfe sich nicht verstecken: „Wir müssen in den nächsten drei Monaten einen Sturm entfachen, wie wir das seit dem Willy-Wählen in den 70ern nicht mehr erlebt haben.“
Ist der Landtagswahlkampf der SPD eine Solonummer für den rackernden Ude und ein paar engagierte Kandidaten?
Die Verzweiflung ist groß, und so peitscht Ude auch seine Rathausgenossen auf: „Da können auch Stadträte nicht sagen, wir sind mit der Wahl erst ein paar Monate später dran. Es sind schicksalhafte Monate vor uns.“ Die Genossen stellten ihre alten kämpferischen Tugenden auf den Kopf: „Der ganze Wahlkampf steht noch vor uns.“ Und es gebe noch Hoffnung: Weil sich „30 Prozent der Menschen“ erst kurz vor der Wahl entscheiden.
Die Partei müsse allen Umfragen zum Trotz wach werden: „Es wird vollkommen verdrängt, dass der Wahlkampf jetzt erst anfängt.“ Er kämpft da auch mit persönlichen Einbußen: „Ich werde in den letzten beiden Monaten unbezahlten Urlaub nehmen.“ Und dann werde er gegen eine Konkurrenz kämpfen, die seit zwei Jahren aus ihren Ministerien heraus Wahlkampf betreibe.
Die SPD, analysierte Ude schonungslos, habe ein massives Problem: „Das Verrückte ist, dass wir die Menschen schon von unseren Positionen überzeugt haben.“ Beim Kampf gegen den Mietanstieg, beim Atomausstieg, beim Donauausbau, beim gesetzlichen Mindestlohn, in der Bildungspolitik, beim Kampf „gegen den Murcks beim achtstufigen Gymnasium“ oder bei der Abschaffung der Studiengebühren. Aber es werde der SPD im Moment nicht mit Zustimmung in den Umfragen gedankt. Ude: „Wir müssen den Menschen klar machen, dass es sehr schön ist, dass sie unserer Meinung sind. Aber sie müssen dann auch SPD wählen.“ Irgendwann glaubten alle, das habe die CSU gemacht. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass der CSU diese Wählertäuschung durchgeht.“ Bei all diesen inhaltlichen Pluspunkten für die SPD sei es „um so schlimmer, dass wir bei so bescheidenen Werten stagnieren“.
Und er fragt offen heraus: „Tun wir denn alles, um einen möglichst starken Auftritt der SPD zu ermöglichen?“ Die SPD schwäche sich da selber – wenn sie innerparteiliche Kritik nach außen trage. Es sei erschütternd, „wie viele sich vor den Mikrofonen zum Stichwortgeber des politischen Gegners machen“. Ude fordert das genaue Gegenteil: „Wir müssen alle Kräfte bündeln. Ein wehleidiges Befinden können wir uns nicht leisten."
Sagte es und zog weiter in den Wahlkampf und zu Pflichtterminen: zum Stadtgründungfest am Rathaus und weiter zum Jubiläum am Elisabethmarkt.