Zweite Stammstrecke: Markus Söder gibt der Bahn die Schuld am Fiasko

München - Die Redewendungen, die man im Untersuchungsausschuss zur Zweiten Stammstrecke am meisten hört, sind folgende: "Ich kann mich nicht erinnern" , "Das war nicht meine Zuständigkeit". Beliebt ist auch: "Es gab keine Zahlen von der Bahn".
Bei Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der am Donnerstag als Zeuge im Landtag geladen war, war das nicht anders: "Der Freistaat plant nicht, der Freistaat baut nicht, der Freistaat zahlt nur!" Söder will zeigen, dass er nur periphär mit dem schiefgelaufenen Großprojekt zu tun hat, das von 3,8 auf über 7 Milliarden Euro Kosten gestiegen ist und deutlich später in Betrieb geht, von 2037 ist nun die Rede.
Zweite Stammstrecke "kein Gewinnerthema": Blitzte Schreyer deswegen bei Markus Söder ab?
Dass etwas aus dem Ruder läuft, ist laut diversen Akten schon im Juni 2020 klar, als die damalige Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) Alarm schrie. Ein Schrei, der verhallte. Zwar hat Söder bei der Befragung größtes Lob für sie. Mit ihrem Wunsch nach einem Spitzengespräch mit Bahn und dem damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist sie aber wiederholt abgeblitzt.
Die Öffentlichkeit wurde erst von Schreyers Nachfolger Christian Bernreiter informiert, gut ein Jahr später. Womöglich, weil das Thema "kein Gewinnerthema" im Wahlkampf ist, wie es in einem Schreiben aus der Staatskanzlei heißt.
In einem anderen ist von "dilatorischer", also verzögerter Behandlung die Rede. Söder sagt, er kenne diese Schreiben nicht. Alles bloß Beamtenfantasie? Auch sieht er einen normalen Vorgang darin, dass er das Projekt eben nicht zur Chefsache gemacht hat. Und Schreyer, die bei der Bahn auf Granit biss, allein ließ. Dabei stöhnen viele Kabinettsmitglieder, dass ihr Chef sich in so viele Themen einmischt, gerne auch mit SMS um 5.30 Uhr in der Früh.
Zweite Stammstrecke: Gab es ein Gespräch zwischen Söder und Scheuer?
Doch in nichtöffentlicher Sitzung hat dieses Bild des Ministerpräsidenten Risse bekommen. Nach AZ-Informationen soll es sehr wohl ein Gespräch mit Scheuer, in dem die Stammstrecke explizit Thema war, gegeben haben, am 30. November 2020. Entsprechend soll es auch von der Staatskanzlei protokolliert sein. Söder kann sich daran nicht erinnern, will es aber nicht ausschließen, erfuhr die AZ. So was kennt man eher von Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal.
Für Scheuer könnte dieses Treffen noch ein Nachspiel haben. Sollte es stattgefunden haben, stimmt Scheuers Aussage nicht, dass er sich nur zwischen "Tür und Angel" über das Thema unterhalten habe und dass das Thema "gar keine Relevanz" für ihn gehabt habe. Eine Anzeige werden einer möglichen Falschaussage hat er schon von den Grünen. Möglicherweise kommt nun noch eine dazu.