Stammstrecke: Wer sich ärgert, wer sich freut

OB Ude schlägt Alarm: "Der S-Bahn-Fahrgast wird zum Wutbürger!" Er organisiert den Widerstand der notleidenden S-Bahn-Regionen und fordert zwei Milliarden Euro.
von  W. Bock, J. Lenders

MÜNCHEN Die einen protestieren wild. Die anderen fühlen sich bestätigt. Dass der Bund keinen Milliarden-Beitrag zur zweiten Stammstrecke leisten will, hat heftige Reaktionen heraufbeschworen.

Lesen Sie hier die Reaktionen:

 


 

OB CHRISTIAN UDE: Ohne den Ausbau des Systems ist für OB Ude der Ärger programmiert: „Irgendwann wird man den S-Bahn-Fahrgast als Wutbürger erleben.” Es gehe um eines der drei größten S-Bahn-Systeme in der Bundesrepublik, das zu kollabieren droht. Hier sei kein Platz „für parteipolitische Mätzchen”.

Der Bund versündige sich aber nicht nur an der Region München. Deshalb arbeitet Ude an einem Bündnis der S-Bahn-Regionen mit dem größten Investitionsbedarf. Für sie müsse es ein Sonderprogramm mit mindestens zwei Milliarden Euro geben. Ude: „Wenn der Finanztopf nicht ausreicht, dann muss er eben vergrößert werden.”

Denn „wenn in jeder Nachtsitzung in Berlin zum Beispiel gegen die Finanzkrise ein paar Milliarden locker gemacht werden, dann muss das auch für das S-Bahnsystem gehen. Wir können in München in Zeiten der Finanznot auch nicht sagen, wir lassen Schulen verfallen.”

München stelle keine plötzliche Forderung, der Bund sei seit Jahrzehnten in der Pflicht. Bei den Finanzverhandlungen im Herbst stehen Stadt und Land Schulter an Schulter.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), so berichtet Ude, habe das S-Bahn-Desaster noch drastischer formuliert: Nach zwei Jahrzehnten Investitionsstau bei der S-Bahn sei das keine Vorzugsbehandlung für München, sondern eine bittere Notwendigkeit für die Region, die gar nicht hätte entstehen dürfen.

Und die Alternativen? Ude: „Die müssen alle genauso finanzierbar sein. Ich halte es für unmöglich, auf den Südring zu verweisen. Es gibt dafür nach den Berechnungen des Freistaats keine Wirtschaftlichkeit. Sofortmaßnahmen auf den Außenästen können kein Ersatz für einen Tunnel sein.”




MINISTERPRÄSIDENT SEEHOFER: Er betont, dass die Metropolregion München ein dynamischer Wirtschaftsraum ist. „Wir brauchen jetzt den Ausbau des S-Bahn Systems, damit die Region nicht im Autoverkehr erstickt und den Verkehrskollaps erleidet”.


VERKEHRSMINISTER MARTIN ZEIL: Der Bund dürfe die Metropolregion jetzt nichtim Stich lassen, appelliert der FDP-Politiker. „Die Bundespolitik kann nicht auf eine Energiewende setzen und sich gleichzeitig gegen ökologisch sinnvolle Verkehrsprojekte stellen.”




DIE LANDTAGS-GRÜNEN: Sie haben das Vorhaben seit Jahren abgelehnt und fühlen sich jetzt bestätigt. „Der Nutzen des Projektes stünde in keinem tragbaren Verhältnis zu den Kosten in Milliardenhöhe", sagt der Fraktionsvorsitzende Martin Runge
. „Die Realisierung der Röhre würde andere, wirklich wichtige Verkehrsprojekte kannibalisieren.” Für zigtausende Fahrgäste würde es mit der zweiten Röhre aufgrund der Streckenführung und der geringen Zahl der Halte- und Verknüpfungspunkte sogar zu massiven Verschlechterungen kommen – wie neuen Umsteigezwängen, Umwegfahrten und Taktausdünnungen.




CSU-FRAKTION: Die CSU im Münchner Stadtrat appellierte an alle Beteiligten, doch noch eine Finanzierung zu erzielen. Gegebenenfalls könnten auch Finanzmittel aus einer PKW-Autobahn-Maut Verwendung finden. Außerdem habe die CSU bereits kurz- und langfristige Maßnahmen zur Stärkung des Bahnknotens München vorgeschlagen, die weniger kosten würden. Fraktionschef Josef Schmid: „Es war schon immer offensichtlich, dass die Finanzierung dieses Verkehrsprojekts schwierig ist, erst recht nach dem Aus für die Olympischen Spiele 2018.” Die Mitteilung aus dem Bundesverkehrsministerium dürfe jetzt aber nicht zur Resignation führen.




FDP-FRAKTION: „Für die FDP im Rathaus ist es nicht überraschend, dass der 2. S-Bahn-Tunnel seitens des Bundes so nicht finanziert wird”, sagt Fraktionschef Michael Mattar. „Der Nutzen des 2. Tunnels ist einfach zu gering im Hinblick auf die enormen Kosten. Deshalb macht es auch keinen Sinn, den Freistaat, die Stadt oder die Bürger mit einer PKW-Maut, wie dies die CSU möchte, in die finanzielle Verantwortung zu ziehen.” 

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