Stärkste Oppositionsfraktion: Was das für die AfD und den Landtag bedeutet

Die AfD stellt künftig statt den Grünen die stärkste Oppositionspartei im Landtag. Was bedeutet diese Entwicklung für den Freistaat?
von  Heidi Geyer
Die bayerischen AfD-Spitzenkandidaten Martin Böhm und Katrin Ebner-Steiner bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Landtagswahl.
Die bayerischen AfD-Spitzenkandidaten Martin Böhm und Katrin Ebner-Steiner bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Landtagswahl. © Foto: Fabian Sommer/dpa

München - Der große Soziologe Niklas Luhmann hat die Opposition als "eine der großen Errungenschaften moderner Gesellschaftsentwicklung" bezeichnet. Er sah die Tatsache, dass ein Staat eine Opposition überhaupt zulässt, allein schon als einen Wert an.

AfD drittstärkste Fraktion im neuen Landtag

Es wirkt daher fast wie eine Perversion, dass nun ausgerechnet eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und den Pluralismus infrage stellt, genau diese Rolle übernehmen soll.

Mit 14,6 Prozent stellt die AfD nach CSU und Freien Wählern die drittstärkste Fraktion im Landtag. Eine Rolle, die bislang die Grünen innehatten. Sie liegen nun aber um 0,2 Prozent hinter der AfD. Beide Fraktionen haben 32 Sitze: Die Grünen haben sechs Mandate verloren, die AfD hat zehn hinzugewonnen.

Nicht nur auf die Sitze im Parlament hat die neue Verteilung einen Einfluss. "Die Mehrung an Stimmen kann je nach Zusammensetzung des Gremiums und der Zahl der insgesamt zu vergebenden Sitze zur Folge haben, dass die AfD mehr Sitze für sich beanspruchen kann als in der vergangenen Wahlperiode", sagt Landtagssprecherin Caroline Kubon der AZ.

Stimmenzugewinn: bessere finanzielle Ausstattung der AfD

Gleiches gelte für die Zahl an Ausschussvorsitzendenstellen. Der Gedanke, dass die AfD nicht nur im Innenausschuss, sondern auch an dessen Spitzen stehen könnte - ein Graus für viele Vertreter anderer Parteien.

Der Stimmenzugewinn der AfD bedeutet auch, dass die Fraktion nun finanziell besser ausgestattet wird. Das hängt aber ebenfalls nur mit dem prozentualen Stimmenergebnis, nicht mit der Rolle als Oppositionsführer im Landtag zusammen. "Oppositionsfraktionen erhalten demnach - neben dem Grundbetrag und einem Kopfbetrag je MdL - einen sogenannten Oppositionszuschlag für jedes Fraktionsmitglied. Diesen Zuschlag erhalten alle Oppositionsfraktionen gleichermaßen", erklärt Kubon.

Die AfD hat bereits angekündigt, angriffslustige Oppositionspolitik machen zu wollen. In der Tat wird man auch mehr von ihr hören. Da auch das Rederecht der Fraktionen im Plenum ist laut Kubon abhängig von "der Reihenfolge der Fraktionen, welche sich gem. § 6 BayLTGeschO wiederum nach der Zahl ihrer Mitglieder zu Beginn der Wahlperiode bemisst".

AfD: Mehr Redezeit und mehr Räumlichkeiten

Die AfD könne daher nun im Plenum im Regelfall früher sprechen als bisher. Und zudem länger: "Auch die Dauer der Redezeit hängt von der Fraktionsgröße ab", so Kubon. Räumlich wird sich die AfD ebenfalls ausbreiten können, denn Fraktionen erhalten verhältnismäßig zur Mandatszahl auch Räume.

"Die Berechnung der genauen Anzahl der Räume sowie die konkrete Raumverteilung im Landtag werden in den kommenden Tagen und Wochen nach einem festgelegten Verfahren von der Landtagsverwaltung vorbereitet und müssen vom Präsidium des Landtags beschlossen werden", sagt Kubon der AZ.

Der Opposition kommt besonders eine Aufgabe zu: Ein Fünftel der Mitglieder des Landtags kann einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Das wären laut Kubon derzeit 40 oder 41 Mitglieder des Landtags. Die Grünen können sich hier also mit der SPD als demokratische Opposition zusammentun, ohne auf die AfD angewiesen zu sein. Zusammen stellen sie 49 Abgeordnete.

Schulze: "Der Rechtsrutsch ist eine echte Bedrohung für Bayern"

Für die Grünen ist der Verlust der Oppositionsführerschaft dennoch eine äußerst bittere Pille. "Dass wir nicht mehr Oppositionsführerin sind, schmerzt", sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, der AZ. Gleichzeitig sei diese Wahl ein Weckruf für alle Demokraten. "Der Rechtsrutsch ist eine echte Bedrohung für Bayern", sagt Schulze.

Sie finde es gefährlich für Bayern, wenn Rechtsextreme nach verantwortungsvollen Posten greifen und die politischen Debatten zu torpedieren probieren. Zumal sie der AfD nicht viel Kompetenz zutraut: "Die AfD agiert faktenfrei und ohne Lösungen, das hat sie in den zurückliegenden Jahren hinreichend bewiesen." Lateinisch bedeutet "oppositio" Entgegensetzung. Es bleibt abzuwarten, ob die AfD mehr entgegensetzen kann, als bloß zu zündeln.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.