Stählerne Lady: Madonna rockt München
Madonna beigesterte das Münchner Publikum als tanzende Doppelgängerinnen - zwischen Disco-Girl, Sex-Lolita und Eso-Ätherischer. Die Pop-Diva versteht es immer noch zu beeindrucken.
Die Bühne ist eine Videokathedrale, ein gigantomanischer Flimmerkasten. Es ging auf halb zehn zu, da kamen Madonna und ihre Entourage durch das Marathontor ins Olympiastadion geschlendert.
“Human Nature“ - da steht das kleine blonde Mensch auf der ins Publikum gebauten Vorbühne. Rechts und links auf der Bühne werkt unauffällig eine Band. „Vogue“ - der Beat pumpt in den Magen. Auf den Videoleinwänden tanzt Madonna riesenhaft. Als Pop-Künstlerin ist sie auch auf dieser Tour eine Herrscherin über die Oberfläche, die Assonanzen der Farben, Töne, aber auch der Lebensentwürfe und sogar Religionen. Das darf und muss niemals in die Tiefe tauchen, denn die Wahrheit eines Madonna-Songs, sie hält nur für seine Dauer.
Und so kommt sie uns zum ersten Mal mit der Hedonistendisco der 80er nahe, tanzt sie zu „Into The Groove“ in der quickbunten Kulisse animierter Keith-Haring-Figuren und seilspringender Tänzer. Das reale Wesen, es ist hinter der Übermacht der virtuellen Bilder nur zu ahnen. Nicht zufälligerweise ist es der Miniauftritt des größten Irrealen der Pop-Musik, der das Publikum zum ersten Mal zum Toben bringt. Michael Jackson tanzt als Erinnerung über die Bühne. Zu „Die Another Day“ ist Madonna nur Videobild mit Vocoder-Stimme, während sich in einem Boxring auf der Vorderbühne zwei Tänzer prügeln. „Bei Dress You Up“ ist es die fetzende E-Gitarre, die für den realen Schweiß steht.
Diese Show ist getaktet wie ein Herzschrittmacher. Vom aktuellen Album geht es zurück tief in de 80er zu „Into The Groove“ und „Holiday“. Madonna heute, dass ist die stählerne Lady, die mit einem unbezwingbaren Körper über alle ihre vergangenen Formen zugleich herrscht und sie in einer Revue-Show nacheinander durchspielen kann.
She's not me“ - Madonna, reflektiert mit diesem Song des letzten Albums „Hard Candy“ sich und ihre vergangenen Emanationen auf den Videowänden und als tanzende Doppelgängerinnen - zwischen Disco-Girl, Sex-Lolita und Eso-Ätherische. Zwischen der mit gespreizten Beinen posierenden Gangster-Bitch, die mit „Candy Shop“ die Show eröffnet und dem Zuschauer den Pop verkauft wie Porno-Bückware und der entrückten Dame und ihren religiösen Avancen liegt eben nicht die Erfahrung eines ganzen Lebens, sondern nur ein launiger Wandel in der Verpackung des Pop-Produktes Madonna. Das ist immer noch beeindruckend.
Christian Jooß
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