Städtisches Klinikum: Jedes vierte Bett soll weg!

Unternehmensberater stellen ihre Vorschläge zur Sanierung der städtischen Kliniken vor: Ein Haus soll geschlossen werden, Entlassungen sind auch im Gespräch.
von  Willi Bock
Krankenhaus Schwabing. Ist: 880 Betten. Soll: 200 bis 300 Betten.
Krankenhaus Schwabing. Ist: 880 Betten. Soll: 200 bis 300 Betten. © az

Unternehmensberater stellen ihre Vorschläge zur Sanierung der städtischen Kliniken vor: Ein Haus soll geschlossen werden, Entlassungen sind auch im Gespräch – als letztes Mittel. „Das wird weh tun“.

München - In den städtischen Kliniken geht es in den nächsten Jahren knallhart zur Sache. Die Alternative hieße: Insolvenz. Das Heilungsrezept der Unternehmensberatung Boston Consulting lautet: Gesundschrumpfen!

Dafür sollen rund ein Viertel der Betten (800 von 3300) abgebaut, die Klinik Thalkirchner Straße geschlossen und das Krankenhaus Schwabing radikal verkleinert werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind als letztes Mittel nicht mehr ausgeschlossen.

Jahrelang hatten sich große Teile im Stadtrat, die Gewerkschaften und OB Christian Ude gegen betriebsbedingte Kündigungen gewehrt. Nach der schonungslosen Diagnose der Boston Consulting Group (BCG) über den katastrophalen wirtschaftlichen Zustand der fünf städtischen Kliniken wendet sich das Blatt: Die Personalkosten sind viel zu hoch. Ude will betriebsbedingte Kündigungen „möglichst vermeiden, aber als Ultima Ratio kann man sie nicht ausschließen“. „Das wird weh tun“, sagt auch der Verdi-Vertreter Dominik Schirmer: „Es wird Unsicherheiten und Angst in der Belegschaft geben.“

Die Unternehmensberater der BCG haben am Dienstag dem Lenkungskreis um OB Ude ihre Eckpunkte für ein neues Medizinkonzept vorgestellt, also wie die Kliniken bis zum Jahr 2020 aufgestellt werden sollten. Das sind bis jetzt nur Vorschläge. Stadtrat und Aufsichtsrat bekommen die Entwürfe erst noch erläutert. Beschlossen ist noch nichts.

Das sind die Vorschläge: Die Kliniken sollen auf Schwerpunkte konzentriert werden. Von den heute 69 Abteilungen sollen 30 zusammengelegt werden. Die Verlagerungen von Abteilungen aus Schwabing und Harlaching hängen davon ab, wann die Häuser in Bogenhausen und Neuperlach umgebaut sind. Die gesunden Kerne sollen gestärkt werden. Bogenhausen und Neuperlach werden die großen Maximalversorger und Notfallzentren. 800 Betten würden abgebaut.

„Das ist schmerzlich“, sagt Ude, „aber die Kunden haben das schon praktiziert“ – indem sie weg und viele Betten leer blieben.

Das bedeutet für die Häuser:

Thalkirchen
Das Haus wird aufgegeben, die Hautklinik (140 Betten) soll nach 2020 nach Neuperlach umziehen.

Schwabing
Das veraltete Haus wird radikal verkleinert – von heute 880 Betten auf 200 bis 300. Schwabing bleibt eine Poliklinik mit Notfallversorgung. Der Schwerpunkt: Es wird ein Mutter/Kind-Zentrum mit Pädiatrie, Neonatologie, Kinderchirurgie, Orthopädie, Geburtshilfe geben. Mit einem Teilverkauf freier Flächen könnte die Klinikreform mitbezahlt werden. Der Altbau am Bonner Platz könnte für gesundheitsnahe Angebote vermietet werden.

Bogenhausen
Das ist heute die am besten ausgelastete Klinik der Stadt. Das Haus muss modernisiert werden, es war auch schon von einem Neubau die Rede. Das Haus wird Notfallzentrum, die Bettenzahl wird von heute 985 auf 1000 bis 1100 aufgestockt. Die Klinik bekommt fünf Schwerpunkte: Herz- und Gefäß-Zentrum mit Kardiologie, Herzchirurgie, Gefäßchirurgie. Neurozentrum: Neurologie, Neurochirurgie. Darmzentrum: Allgemeine Chirurgie, Gastroenterologie, Onkologie, Hämatologie. Bewegungsapparat/Trauma: Unfall, Orthopädie, Plastische, Wirbelsäule. Lungenzentrum: Pneumologie, Thoraxchirurgie. Dazu kommen Abteilungen für Urologie, Konservativ Intensiv sowie Anästhesie/OP Intensiv. Neuperlach Das Haus wird neben Bogenhausen das zweite Notfallzentrum. Betten: heute 520, dann 700 bis 800.

Neuperlach
bekommt drei Schwerpunkte. Darmzentrum: mit Allgemeiner Chirurgie, Gastroenterologie, Onkologie. Herz- und Gefäßzentrum: mit Kardiologie und Gefäßchirurgie. Diabeteszentrum: Endokrinologie, Nephrologie, Angiologie. Dazu kommen noch Abteilungen für operative Gynäkologie, Unfallchirurgie/Orthopädie, Dermatologie(nach dem Jahre 2020 aus der Thalkirchner Straße inklusive der Kooperation mit der LMU) Konservativ Intensiv, Anästhesie/OP Intensiv.

Harlaching
Die Pläne für den Neubau liegen seit Jahren auf Eis. Die BCG schlägt vor: Reduzierung von heute 750 Betten auf 400 bis 500. Drei Schwerpunkte: Neurozentrum mit Neurologie, Physikalischer Medizin, Neuro-Reha. Mutter-Kind-Zentrum mit Pädiatrie, Neonatologie, Geburtshilfe. Um diesen starken Kern soll ein neues Zentrum für Seelische Gesundheit/Altersmedizin geschaffen werden – mit Psychosomatik und Geriatrie. Das Gelände in Harlaching eigne sich „hervorragend“ dafür. Das Konzept erfordere einen „kompletten Neuaufbau“. Ob das wirtschaftlich ist, muss noch berechnet werden.

„Die Stunde der Wahrheit kommt Ende des Monats“, sagt OB Ude: Dann legt die BCG ein Sanierungsgutachten vor. Darin gibt es erste Zahlen, wie viele Millionen der Umbau kostet und wie viel Personal abgebaut werden muss. Dann beginnt die große Debatte im Stadtrat und mit den Kliniken. Ude: „Wer aus diesem Konzept etwas rauskickt, muss einen Gegenvorschlag machen, der genauso viel bringt.“ Es müsse bewiesen werden, dass ein wirtschaftliches Überleben des Klinikums möglich sei.

Dafür wird die Stadt weitere 60 Millionen Euro Kapital zuschießen. Damit sei die Insolvenz bis 2016 abgewendet. Kämmerer Ernst Wolowicz ist Realist: Er wird wohl später noch mehr nachschießen müssen. Ob er das darf, muss vorher ein „Privat-Investor-Test“ belegen. Der prüft, ob auch Private in dieser Situation Geld investieren würden. Voriges Jahr betrug das Defizit 40 Millionen Euro! Alle haben einen Wunsch: Am Ende der Operation möge wenigstens eine schwarze Null in der Bilanz stehen

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