Zweite Stammstrecke: Laute Töne in der Tonhalle

Minister Herrmann und OB Reiter versuchen, rund 1.000 Anwohner von den Vorzügen der zweiten Münchner Stammstrecke zu überzeugen – mit überschaubarem Erfolg.
von  Nina Job
Gebannt wie kritisch lauschen die Anwohner den Worten von Minister Joachim Herrmann, OB Dieter Reiter und Projektleiter Markus Kretschmer.
Gebannt wie kritisch lauschen die Anwohner den Worten von Minister Joachim Herrmann, OB Dieter Reiter und Projektleiter Markus Kretschmer. © Nina Job

Haidhausen - Dieses Mal war der Raum groß genug: Im ehemaligen Kartoffellager auf dem Pfanni-Gelände, der Tonhalle, wurde gestern die Bürgerversammlung von Haidhausen zur zweiten Stammstrecke nachgeholt. Rund 1.000 Bürger kamen.

Auf dem Podium saß nach der wegen Überfüllung geplatzten Versammlung im Februar, dieses Mal auch OB Dieter Reiter, der die Versammlung leitete, neben Verkehrsminister Joachim Herrmann und Projektleiter Markus Kretschmer von der Deutschen Bahn. "Uns hat die Phantasie gefehlt, wie viele sich mit dem Thema noch befassen", wollte der OB scherzen. Er erntete grimmiges Gejohle.

Reiter versicherte, den Ausbau eines Nord- und Südrings voranzutreiben, den viele Haidhauser für sinnvoller halten als die zweite Stammstrecke. Herrmann versprach, die Belastungen während der Bauzeit würden so gering wie möglich gehalten. "Nach den ersten vier Monaten haben Sie das Schlimmste überstanden", sagte Projektleiter Kretschmer.

Wegen Schallschutzfenstern und einer Bestandsaufnahme der Häuser und Wohnungen in unmittelbarer Nähe der Bohrungen werde man als die Bahn aktiv auf die Bürger zugehen. Und zwar die, die in der Keller-, Püttrich- und Milchstraße wohnen. "Und warum gibt die Bahn so viel Geld für die zweite Stammstrecke aus, ist aber nicht in der Lage, zu den Hauptverkehrszeiten längere Züge fahrenzulassen?", fragte eine Haidhauserin.

Herrmann versprach: "In zwei Jahren haben wir 36 zusätzliche Triebzüge und können dann wesentlich mehr Vollzüge einsetzen." Am Ende stimmten die Betroffenen trotzdem mit überwätigender Mehrheit für einen Baustopp und die Erstellung einer neuen Kosten-Nutzen-Analyse. Rückblick: Bereits am 22. Februar hatten viele Haidhauser ihren Unmut über das Mega-Projekt kundgetan.

Auf dem Wiener Platz demonstrierten damals Bürger mit Transparenten gegen den Baubeginn. Im Hofbräukeller, wo eine Informationsveranstaltung mit Innen- und Bauminister Joachim Herrmann stattfinden sollte, kam es zu tumultartigen Szenen.

"Sinnlos verballertes Geld"

Die AZ auf Meinungsfang bei den Münchner Bürgern...

Verkehrsplaner Clemens Pingel (68): "Der Nutzen der zweiten Stammstrecke ist gering. Drei neue Stationen für 3,8 Milliarden – das hätte man billiger haben können. Die Mittel, die jetzt verbraten werden, würden allen Bayern zustehen. Kleine Hoffnung habe ich noch, dass wir Einfluss nehmen können."

Projektmanagerin Andrea Baumgartel (53): "Die zweite Stammstrecke ist ein Projekt wider jede Vernunft. Sie wird keine Entlastung bringen. Das ist sinnlos verballertes Geld. Ich hätte auf einen noch breiteren Widerstand von Bürgern gehofft. Das betrifft ja nicht nur Haidhausen, sondern alle S-Bahnfahrer."

Wirt Ferdl Schuster (72, Nomiya) hat pinkfarbene Buttons mit der Aufschrift "Not my Tunnel" gesponsert: "Absoluter Schmarrn. Die Obrigkeit erklärt München den Krieg. Da bauen sie den milliardenschweren Tunnel und oberirdisch wird der Nahverkehr schlechter. Die wollten sogar die Tram 19 streichen."

Lesen Sie hier: So will der MVV das Tarifsystem vereinfachen

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