"Zum Wolf": Mit dem Presslufthammer gegen den Lärm

Ein eigenes Lokal aufzumachen ist risikoreich: Am Anfang stehen hohe Investitionen, angefangen von Behördenauflagen, die erfüllt werden müssen über Einrichtung von Geschirrspüler bis zur Kaffeemaschine, Pacht – und dann muss die Bar noch bestückt, Personal angeheuert werden. Und bis zu diesem Zeitpunkt ist noch kein einziges Bier verkauft.
Wenn dann noch die erhoffte Gästeschar erstmal ausbleibt und knapp kalkuliert ist, bricht das einem Wirt schnell das Genick, noch bevor der Betrieb richtig ins Laufen gekommen ist.
Läuft der Betrieb aber wirklich gut, gibt es da einen anderen Faktor, der den Wirt noch ruinieren kann: der Nachbar. Wenn sich Anwohnerbeschwerden häufen, meldet sich die Stadt – und der Wirt muss handeln. Oft sind es aber die Raucher vor der Tür, die die Anwohner wirklich stören.
Das Rauchverbot hat ein eigenes Berufsbild geschaffen: Den „Silencer“, der vor einschlägigen Kneipen vor der Türe steht, um die Gäste draußen immer wieder um Ruhe zu bitten. Wenn hingegen aus einem alten Gebäude Lärm von der Kneipe in die Wohnungen dringt, müssen Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden. Gerade im Glockenbachviertel hat sich die Lage in den letzten Jahren verschärft.
Der „Trachtenvogel“, früher eine beliebte Anlaufstelle zu später Stunde, ist ein Ess-Lokal geworden. Das „K&K“, ebenfalls in der Reichenbachstraße, hat der Besitzer von wilder Szenekneipe zur gediegenen Cocktailbar umgerüstet. Das „München72“ in der Kohlstraße musste nach einem Besitzerwechsel im Haus ausziehen.
Wolfgang „Wolfi“ Götz, der vor drei Jahren die Blues-Bar „Zum Wolf“ in der Pestalozzistraße eröffnet hat, stand in letzter Zeit oft selbst vor seiner Bar, um die Gäste zum Leisesein anzuhalten. Die Musik läuft in gedämpfter Lautstärke. Trotzdem gibt es Beschwerden – jetzt zieht er die Konsequenzen daraus. Am Wochenende hat er die letzten Gäste aus seiner Bar gescheucht, er baut um. Einen Monat schließt er, um sich weitere schlaflose Nächte zu ersparen. „Jeden Tag belastet einen dieses Problem, dass es zu Ende sein kann, wenn es weitergeht wie bisher.“
Abgesehen von der Raucherproblematik: Ein von ihm beauftragter Gutachter hat festgestellt, dass der „Trittschall“ das Problem ist, die Bewegungen der Gäste über den Boden und dann über die Wände in die darüber liegenden Wohnungen geleitet wird. „Es ist ein alter Bau von 1968“, sagt Götz. „Aber: Hier war auch schon immer eine Kneipe drin.“
Gerade hat er gelbe Kacheln freigelegt, die noch aus dem „Spatenquick“ der 70er stammen, die rotbraunen Holzlatten, die an der Wand lehnen, stammen vom Vorgänger, der „Teddybar“. Liebevoll hatten Wolfi Götz und seine Frau Corinna die Bar „Zum Wolf“ vor zweieinhalb Jahren eingerichtet: Mit roten Lampions aus Asien, gerahmten Bildern von Blues-Größen an der Wand.
Die Lampions baumeln noch an der Decke, darunter: Baustelle. Der Barchef schlägt mit einer Spitzhacke auf das Regal ein, das er einst mühsam angebracht hat. „Wir sehen es sportlich“, sagt er trotzdem. „Als wir die Bar aufgemacht haben, haben wir einen sechsstelligen Betrag investiert. Jetzt investieren wir das gleiche nochmal.“
Denn er kennt die letzte Konsequenz, wie sie andere Lokale wie etwa den Trachtenvogel getroffen hat: Konzessionskürzung. Schluss um 22 Uhr, wenn er den „Lärm“ der kleinen Blues-Bar nicht in den Griff bekommt. Für eine Bar wie seine der Todesstoß.
„Die Bar ist unsere Existenz“, sagt Corinna Götz. „Und wir haben vier Festangestellte, zwei davon mit Kindern.“ Ständig das drohende Aus im Nacken – dann lieber jetzt viel Geld in die Hand nehmen, einen Monat Umsatzeinbußen in Kauf nehmen, und dafür Frieden mit den Anwohnern und keine Existenzängste mehr haben.
Das Niveau des Bodens steigt um 7 Zentimeter, auf eine Schallschutzmatte wird 250 Grad heißer Gussasphalt aufgetragen – die ganze Konstruktion ist sozusagen freischwebend, berührt die Wände nur durch Hartgummi. Wenn der Boden in der Kneipe ist, lassen die Götz’ eine amtlich beglaubigte Messung durchführen – und erst wenn das Referat für Gesundheit und Umwelt die abgesegnet hat, wird die Bar wieder aufgebaut. Außerdem sind Schallschutzfenster bestellt, um auch nach außen hin Geräusche besser abzufangen. Sicher ist sicher.
Die Gäste sollen später keine Veränderung bemerken. „Die Bar soll wieder so aussehen, wie wir sie lieben“, sagt Corinna Götz. Selbst wie die Bilder an der Wand hingen, hat sie abfotografiert.
Manchmal hat ein Schicksalsschlag im Nachhinein auch Gutes: Tom Zufall zum Beispiel hat für sein Olympia-Lokal „München72“ ein neues Zuhause in der Holzstraße gefunden: Hier hat er mehr Platz und mehr Laufkundschaft. Wolfgang Götz will den Umbau zum Anlass nehmen, ein paar Unzulänglichkeiten auszumerzen: „Vieles war noch auf dem Stand von ’68. Wenn wir fertig sind, sind wir stromsparend umweltschonend auf dem Stand von 2015.“
Das wird ab dem 13. Juli wieder mit allen Gästen gefeiert. Die Nachbarn werden währenddessen hoffentlich ruhig schlafen.