Zu reich für Sozialwohnung, zu arm für eine Mietwohnung
Eine Familie mit drei Kindern sucht ein größeres Zuhause – vergeblich. Sozialreferentin Meier: „München ist in Zukunft eine Stadt für die ganz Armen und die ganz Reichen“
HaishausenAls Kinderpflegerin verdiente Maria H. (Name geändert) 1500 Euro Netto. Damit war die junge Mutter auf dem Münchner Wohnungsmarkt chancenlos. Zur Not zog sie bei den Eltern ihres Freundes ein. Übergangsweise – dachte sie. Im Amtsdeutsch heißt das schonungslos: Maria H. lebt als Obdachlose in einer Notunterkunft. Beim Wohnungsamt beantragte sie eine Sozialwohnung: abgelehnt.
„Die Rennerei hätte ich mir sparen können“, sagt sie heute. Um eine Sozialwohnung zu bekommen, muss man mindestens fünf Jahren in München leben. Ihr Freund, der in einem Geologenbüro arbeitet, war sozialwohnungsberechtigt. Aber das nutzte ihnen nichts: Ledig und kinderlos stand ihm nur eine Einzimmerwohnung zu. Zu klein für die zwei und die beiden Buben.
Also blieb das Paar im Haus der Eltern. Aus übergangsweise wurde ein Jahr: Ein Jahr in einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit vier Erwachsenen und zwei Kindern.
Heute sind Maria und ihr Freund verheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn. Mit drei Kindern (12, 8, 2) leben sie seit 2009 in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Haidhausen. „Das ist für uns viel zu klein“, berichtet die 30-Jährige. Die Miete von 1200 Euro warm können sie sich nur leisten, weil beide Vollzeit arbeiten. Sie als Kinderpflegerin, er als Baustoffprüfer in einem Geologenbüro.
Rund 4800 Euro brutto hat die junge Familie pro Monat, Kindergeld inklusive. Zu viel für eine Sozialwohnung. Dafür dürften sie maximal 3000 Euro verdienen. Für eine Sozialwohnung verdienen die jungen Eltern also zu viel, aber eine größere Wohnung auf dem freien Markt ist für die kleine Familie unbezahlbar.
Wie der Familie von Maria H. geht es vielen. Das weiß auch Sozialreferentin Brigitte Meier: „Wenn sich die Mieten weiter so entwickeln, ist München in Zukunft eine Stadt für die ganz Armen und die ganz Reichen.“ Für die Armen muss die Stadt sorgen, die Reichen leben im teuren München sowieso problemlos.
Und die Probleme werden größer, wie Brigitte Meier erklärt: In München gibt es heute 75000 Sozialwohnungen. Rund 50000 davon gehören der Stadt, der Rest gehört Privaten. Das Problem: Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft. „Heute gibt es in München 45000 Sozialwohnungen weniger als noch vor 20 Jahren“, sagt die Sozialreferentin. Tendenz sinkend.
Gleichzeitig steige die Nachfrage, und die Wartelisten werden länger. So hätten voriges Jahr 23000 Münchner eine Sozialwohnung beantragt, nur rund 12500 erfüllten die Voraussetzungen – und nur 3000 haben eine bekommen.
Dabei baut die Stadt neue Sozialwohnungen: zum Beispiel in der Bayernkaserne, am Ackermannbogen oder nach dem Umzug der Paulaner-Brauerei auch am Nockherberg. Die Münchner Faustregel: 30 Prozent der Wohnungen in Neubaugebieten sollen Sozialwohnungen sein.
Trotzdem: Mit Haidhausen oder Schwabing sind die neuen Viertel nicht zu vergleichen. Oft wirken sie steril und ungemütlich, ein Viertelleben gibt es nicht. Für eine junge Familie wie die von Maria H. sind sie deshalb unattraktiv. „Ich will meine Kinder nicht im Ghetto großziehen“, sagt die 30-Jährige. Aus Haidhausen möchte die Familie nicht weg. Die Kinder gehen hier zu Schule und in den Kindergarten, „und die Umgebung ist familienfreundlich“.
Ab und zu schaut Maria H. nach Wohnungsangeboten. Doch die Hoffnung, eine Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnung zu finden, die sich die Familie leisten kann, ist fast unmöglich. „Die Vermieter nehmen lieber kinderlose Pärchen“, weiß sie aus Erfahrung. „Kinder werden oft gleichgesetzt mit Instrumenten oder Haustieren – das wollen sie nicht.“ Also bleibt die junge Familie erst einmal in ihrer zu kleinen Wohnung. Übergangsweise.
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