Wohnwahnsinn: Schwabinger Mieter ziehen vor Gericht

Die Stadt wollte mit dem „München Modell“ bezahlbare Mietwohnungen für Familien schaffen. Jetzt verlangt ein Vermieter Wucher-Preise. Heute wird der Fall am Landgericht verhandelt
von  Christian Pfaffinger
„Wir fühlen uns wie das Mietvieh der Spekulanten“: Heinrich Blank, Franz Gehrold und Wolfgang Donauer (von links) sind Vorsitzende der Mietergemeinschaft in der Elisabeth-Kohn-Straße. Die Anwohner dort kämpfen vor Gericht gegen dreiste Mieterhöhungen.
„Wir fühlen uns wie das Mietvieh der Spekulanten“: Heinrich Blank, Franz Gehrold und Wolfgang Donauer (von links) sind Vorsitzende der Mietergemeinschaft in der Elisabeth-Kohn-Straße. Die Anwohner dort kämpfen vor Gericht gegen dreiste Mieterhöhungen. © Petra Schramek

 Die Stadt wollte mit dem „München Modell“ bezahlbare Mietwohnungen für Familien schaffen. Jetzt verlangt ein Vermieter Wucher-Preise. Heute wird der Fall am Landgericht verhandelt

Schwabing - Die Mieter fühlten sich sicher. Sie haben sich auf die Stadt verlassen. Was die aber als preiswertes Viertel für Familien lobt, wird immer mehr zu einem Brennpunkt des Wohnwahnsinns in München: der Ackermannbogen.

Letzte Woche berichtete die AZ, wie die GBW AG dort die Mieten in öffentlich geförderten Wohnungen dramatisch anhebt. Heute stehen Mieter aus dem Ackermannbogen vor dem Landgericht. Es geht um Mieterhöhungen von 20 Prozent, um falsche Versprechen und um ein Miet-Modell der Stadt, das zu scheitern droht.

„Wir haben auf die Zusagen vertraut und sind einer Mogelpackung aufgesessen“, sagt Wolfgang Donauer. „Der Vermieter hebelt das Modell einfach aus, missbraucht es.“ Wolfgang Donauer ist im Vorstand der Mietergemeinschaft, in der sich Bewohner aus den Häusern in der Elisabeth-Kohn-Straße 33, 35 und 37 organisiert haben. 51 Haushalte gibt es dort, in denen vor allem Familien mit Kindern leben. Sie sind einem Angebot der Stadt gefolgt: Wohnt hier im München-Modell, das ist langfristig preiswert und familienfreundlich!

Die Mieten lagen bei neun Euro pro Quadratmeter, sollten fünf Jahre gar nicht und danach nur moderat steigen. Dazu hatte sich der Vermieter, die Fischer Hausbau, verpflicht. Nach gut sechs Jahren kam der Schock für die Mieter: 20 Prozent mehr sollen sie zahlen. Danach sind regelmäßige Erhöhungen bis zur Kappungsgrenze von 15 Prozent zu befürchten.

„Wir sind hierhergezogen, um Familien zu gründen“, sagt der Mieter Franz Gehrold, der selbst zwei Kinder hat. „Dazu war das München-Modell doch gedacht. Jetzt fühlen wir uns wie das Mietvieh der Spekulanten.“ Das München-Modell sollte eigentlich Wohnraum schaffen, der dauerhaft 20 bis 25 Prozent weniger als die ortsübliche Vergleichsmiete kostet. Geworden ist daraus nichts. „Die Wohnung neben mir wurde neu vermietet für 13,62 Euro pro Quadratmeter“, sagt Wolfgang Donauer. „Das liegt nur 30 Cent unter dem Mietspiegel.“

Mit dem argumentiert die Fischer Hausbau in den Mieterhöhungsschreiben – obwohl die Wohnungen nach dem München-Modell gar nicht im Mietspiegel erfasst sind und daher nicht damit verglichen werden dürfen. Außerdem sollte es keine Staffelmieten geben. „Die Fischer Hausbau hat aber bereits im Winter 2011 Staffelmieten vereinbart, die Mietsteigerungen von knapp 60 Prozent in sieben bis acht Jahren bedeuten“, sagt Wolfgang Donauer. Für ihn ist klar: „Je schneller wir hier raus sind, desto besser finden die das. Weil sie bei Neuvermietungen mehr verlangen können.“

Ein Auszug könnte einigen Mietern bald drohen. „Die meisten könnten die erste Erhöhung gerade noch bezahlen“, sagt Heinrich Blank, der auch betroffen ist. „Aber dann kommt ja gleich die nächste. Das kann sich niemand mehr leisten.“ Doch die Mieter wehren gegen die Mieterhöhungen und werden verklagt.

Im Juni dieses Jahres wird der Streit um die Mieterhöhungen exemplarisch an zwölf Fällen vor dem Münchner Amtsgericht ausgetragen. Das Ergebnis: Die Richter halten Erhöhungen um 15 Prozent in drei Fällen für zulässig, neun weitere Fälle sollen ruhen. Das kann freilich niemand akzeptieren, sowohl die Mieter als auch der Vermieter wollen vor die nächste Instanz. Heute werden zwei Fälle nun am Landgericht verhandelt.

Die Mieter sehen sich im Recht. Ihre Argumente: Der Mietspiegel dürfe nicht als Vergleich herhalten. Der Kaufvertrag genehmige der Fischer Hausbau außerdem nur eine Erhöhung um fünf Prozent im sechsten Jahr.

Die Fischer Hausbau wollte sich gestern auf Anfrage der AZ nicht zu diesem Streit äußern und verwies auf das laufende Verfahren. In dem heutigen Prozess rechnen sich die Mieter gute Erfolgschancen aus. Wie der Prozess ausgeht, ist nicht nur für sie wichtig.

Sollten sie verlieren, droht auch anderen Mietern im München Modell ein Preisanstieg. Der Versuch der Stadt, die Mietpreisexplosion mit diesem Modell zu bremsen, wäre gescheitert.

 

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