Wohnwahnsinn: Miete um 30 Prozent rauf

Giesing - Seit vier Jahren kämpft Maximilian Heisler gegen den Wohnwahnsinn. Der 26-jährige Student führt das Aktionsbündnis Untergiesing an, das sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzt. Jetzt ist er selbst Opfer des Wohnwahnsinns geworden. Und das gleich deftig: Rund 30 Prozent mehr Miete soll er bald zahlen. Seine Nachbarn trifft es teils noch schlimmer.
Das Haus, in dem Maximilian Heisler wohnt, gehört der GBW, ebenso wie sieben weitere Reihenhäuser in der Konradinstraße in Untergiesing. Allesamt sollen jetzt saniert werden. Die Wohnungen würden dabei besser ausgestattet, heißt es, die Häuser energiesparender und die Speicher unterm Dach sollen zu acht neuen Dachgeschosswohnungen ausgebaut werden. Das klingt erst einmal gar nicht so verkehrt.
„Es ist kompletter Unsinn“, sagt aber Sepp Reiserer. Er wohnt in einem der Häuser. „Die GBW will uns eine Modernisierung aufzwingen, die keiner von uns will und die keinem von uns was bringt!“ Der 85-Jährige steht vor dem Haus und diskutiert mit Nachbarn über die Pläne der GBW. Die Mieter sind sich einig: „Die Sanierung ist einfach der pure Wohnwahnsinn!“
Die Miete wird für alle um 30 bis 45 Prozent steigen
Denn für die Mieter bedeutet die Sanierung vor allem, dass die Miete steigt. Und das enorm. „Bis zu 200 Euro sollen drauf kommen“, sagt Sepp Reiserer. „Im Schnitt sollen es mindestens drei Euro mehr pro Quadratmeter sein“, ergänzt Maximilian Heisler. Das hieße für die Bewohner eine Erhöhung der Kaltmiete zwischen 30 und 45 Prozent.
Bei einer Modernisierung darf der Vermieter nämlich Kosten auf die Mieter umlegen. Elf Prozent seiner Kosten kann er auf die Miete aufschlagen. Eine Deckelung wie etwa die Kappungsgrenze bei anderen Mieterhöhungen gibt es dabei nicht.
Und die GBW plant eine recht umfangreiche Sanierung. Zum einen will sie das Haus energetisch modernisieren, die Fenster austauschen und die Wände dämmen. Außerdem sollen die Balkone vergrößert und in den Wohnungen neue Anschlüsse installiert werden. Und schließlich sollen die Speicher zu Dachgeschosswohnungen ausgebaut werden. Dadurch würden zwar acht neue Wohnungen geschaffen, gleichzeitig aber 32 bezahlbare Wohnungen zerstört, klagen die Mieter. „Wir sind doch keine Großverdiener“, sagt Sepp Reiserer. „Ich hab diese Wohnung doch, weil ich nicht so viel verdient hab.“
Sepp Reiserer hat früher bei der Post gearbeitet. Die Wohnung bekam er damals zu einem niedrigen Mietpreis von seinem Arbeitgeber gestellt. Genauso wie das Ehepaar Ried. Rudolf Ried war bei der Post, seine Frau Renate zog den Nachwuchs groß und machte den Haushalt. Seit 1956 leben die Rieds in ihrer Wohnung. „Wir können doch jetzt nach so vielen Jahren nicht mehr umziehen, das packen wir doch gar nicht“, sagt Renate Ried. Die 83-Jährige ist empört über das Bauvorhaben: „Ich hab das Gefühl, dass die GBW das Haus nicht für uns herrichten will, sondern für andere.“
Der Verdacht, den viele Mieter in der Konradinstraße haben: Die GBW GmbH, die einem Investorenkonsortium um die „Pearl Aquico Eins GmbH & Co. KG“ gehört, will die Wohnungen aufhübschen und danach mit Gewinn weiterverkaufen. „Auf die Mieter wird wohl kaum Rücksicht genommen“, sagt Clemens Baumgärtner. Der CSU-Politiker ist Vorsitzender des Bezirksausschusses 18 Untergiesing-Harlaching. Er will die teure Sanierung im Viertel nicht einfach hinnehmen: „Ich werde die GBW auffordern, einen Vertreter in die BA-Sitzung zu schicken. Der soll uns dann mal erklären, was sich die GBW eigentlich dabei denkt.“
Die AZ fragt bei der GBW nach. Eine Sprecherin antwortet: „Die Wohnanlage in der Konradinstraße stammt aus dem Jahre 1956, ihre Qualität ist mit Instandhaltungsmaßnahmen alleine nicht mehr dauerhaft zu erhalten. Wir haben daher entschieden, eine Modernisierung mit Augenmaß durchzuführen.“ Es gehe darum, die Qualität des Wohnungsbestandes zu erhalten. Die Mieter sehen das anders. „Instandhaltung wünschen wir uns auch“, sagt Maximilian Heisler. „Aber keinen teuren Umbau, der uns mehr kostet, als er bringt.“
Die Mieter fordern: Die Stadt soll unsere Häuser kaufen!
Um die Sanierung zu verhindern, hat die Mietergemeinschaft einen Brief an die GBW geschickt. „Darin stehen zwei Forderungen“, sagt Maximilian Heisler. „Erstens: Lasst diese Sanierung sein! Und zweitens: Verkauft die Häuser zu einem fairen Preis an die Stadt!“ Daraus ergibt sich natürlich noch eine dritte Forderung, und zwar an die Stadt: „Kauft unsere Häuser!“
In den letzten Monaten hat die Stadt München bereits mehrfach Häuser aus dem Bestand der GBW gekauft. Von den knapp 32 000 Wohnungen der GBW liegen etwa 8000 in München und Umgebung. Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht auf diese Wohnungen. Die Mieter in der Konradinstraße wünschen sich, dass auch ihre Wohnungen an eine städtische Wohnungsgesellschaft gehen.
Die AZ fragt die GBW auch, was sie davon hält. Statt auf diese Frage zu antworten, heißt es: „Niemand zahlt gerne mehr Miete – ist doch klar. Aber jeder möchte in einer wohnlichen Umgebung leben. Unsere Aufgabe ist es, zwischen diesen beiden Wünschen einen dauerhaft gangbaren Weg zu gehen. Dafür sprechen wir mit den Mietern, dafür investieren wir, dafür suchen wir nach gemeinsamen Lösungen.“ Soziale Härtefälle sollen in Einzelgesprächen besprochen werden. Die Mieter glauben dagegen, dass es der GBW nur um Profit gehe.
Momentan kämpfen sie mit sanften Mitteln. Es gibt eine Unterschriftenliste und bereits viele Unterstützer. Sogar der Pfarrer von St. Franziskus hat am Ende seines Gottesdienstes dafür geworben.
Anja Franz vom Mieterverein München rät den Mietern aber, sich rechtlichen Beistand zu holen. „Bei solch extremen Mieterhöhungen, wo soziale Härtefälle zu befürchten sind, muss man sich schnell und entschieden wehren.“