"Wir wollen keinen Nachbarschaftskrieg": Darum sind die Anwohner für eine Fußgängerzone

Die Lauten – das seien immer die, die dagegen sind. Deshalb haben sich 50 Anwohner, die dafür sind, dass die Weißenburger Straße in Haidhausen zur Fußgängerzone wird, zusammengeschlossen.
von  Christina Hertel
So könnte die Fußgängerzone in der Weißenburger Straße aussehen - mit Hochbeeten und Bänken.
So könnte die Fußgängerzone in der Weißenburger Straße aussehen - mit Hochbeeten und Bänken. © Andreas Greogor/Grüne

Haidhausen - Wie laut die Autos in ihrer Straße sind, das habe sie lange gar nicht mitbekommen, erzählt Heidrun Stangenberger. Seit sieben Jahren lebt sie in der Weißenburger Straße. Während Corona, als sie viel zu Hause war, habe sie den Verkehr genauer beobachtet - und vor allem gehört: das Gehupe, die Motoren. In anderen Straßen in der Nachbarschaft seien zu der Zeit Schanigärten mit bunten Lichtern gebaut worden, sagt die 54-jährige Lehrerin. Aber in der Weißenburger Straße sei dafür gar kein Platz: "Die Lieferautos parken oft in der zweiten Reihe." Gleichzeitig seien die Gehwege so schmal, dass Fußgänger oft warten müssten, wenn einem jemand mit Kinderwagen entgegenkommt.

Heidrun Stangenberger freute sich, als der Stadtrat beschloss, die Weißenburger Straße zu einer Fußgängerzone zu machen. "Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass da jemand dagegen sein kann", meint sie.

Die Geschäftsleute sind eher gegen eine Fußgängerzone

Doch sie irrte sich. Vor allem die Gewerbetreibenden äußern sich kritisch. Vor Kurzem haben ein Buchhändler, ein Schlüsseldienst, die Chefin eines Damenmoden-Geschäfts und noch fünf weitere Geschäftsleute einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geschrieben: "Viele fürchten angesichts der Erfahrungen aus anderen neueren Fußgängerzonen, unter anderem aufgrund steigender Mieten und erhöhtem Aufwand für Anlieferungen oder Sondergenehmigungen um ihre Existenz", steht darin. Sie fordern, dass das Rathaus das eingeplante Geld für die Fußgängerzone lieber in Trinkbrunnen investiert.

"Es wird ganz doll Stimmung gemacht", sagt Heidrun Stangenberger. Sie erlebt, dass viele Anwohner rund um die Weißenburger Straße für die Fußgängerzone sind. "Aber sie schreien eben nicht so laut."

"Die Gegner sind nicht die Mehrheit"

Etwa 50 Anwohner (auch Heidrun Stangenberger ist dabei) schlossen sich deshalb vor Kurzem zu einer Initiative zusammen: Haidhausen für alle heißt sie. "Wir haben gemerkt, dass negative Stimmen leichter zu transportieren sind. Aber sie sind nicht die Mehrheit", glaubt Anja Voss, die die Gruppe mit ins Leben rief.

Die Anwohner erstellten eine Website (www.haidhausenfueralle.de), auf der sie die Argumente für eine Fußgängerzone auflisten: Weniger Unfälle. Eine gerechtere Aufteilung des Platzes. Positive Effekte fürs Klima. Auch auf die Sorgen der Ladeninhaber gehen sie ein - mit einer Studie, die das Bundesverkehrsministerium förderte. Ergebnis: Fußgänger geben 730 Euro in Geschäften aus. Und Autofahrer nur 480 Euro.

Ab April 2024 soll die Fußgängerzone kommen 

Sowohl Heidrun Stangenberger als auch Anja Voss betonen: "Es geht doch nur um eine Testphase." Das Mobilitätsreferat plant, ab April 2024 den Abschnitt zwischen Pariser Platz und Weißenburger Platz für Autos zu sperren – zunächst für ein Jahr. Danach soll der Versuch bewertet werden. Während der Testphase soll An- und Ablieferverkehr hin zu den Anliegern, den Kiosken und Verkaufsständen erlaubt bleiben. Allerdings darf der Lieferverkehr nur von Osten, also vom Pariser Platz, einfahren.

Für Anwohner und Lieferverkehr gibt es Ausnahmen

Anwohner, die einen Stellplatz angemietet haben, sollen den weiterhin anfahren dürfen. Dazu brauchen sie eine Erlaubnis der Stadt. Für Anwohner kostet sie 15 Euro. Ansonsten sind es für zwölf Monate 60 Euro, wenn das Fahrzeug nicht mehr als 7,5 Tonnen wiegt. Ausnahmen gibt es auch für Kranke, für alle mit einem Schwerbehindertenausweis und für Pflegedienste. Genauer informiert das Mobilitätsreferat diesen Donnerstag bei einer Online-Veranstaltung. Doch die ist bereits ausgebucht.

"Wir wollen keinen Nachbarschaftskrieg", sagt Heidrun Stangenberg. Sie hat ihr Auto vor 20 Jahren abgeschafft und ist Mitglied bei den Grünen, ohne Mandat. Doch mit ihrem Engagement für die Weißenburger Straße habe das nichts zu tun, meint sie. "Der Bezirksausschuss war einstimmig dafür – nicht nur die Grünen."

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