"Wie ein Sechser im Lotto"

Partys, Eichhörnchen, Entdeckungsreisen und Zoff unterm Fenster: AZ-Leser Susanne Ebnet schreibt über ihr Münchner Lieblingsviertel
Susanne Ebnet |
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Im Frühling besonders sehenswert: der Alte Südfriedhof.
Gregor Feindt Im Frühling besonders sehenswert: der Alte Südfriedhof.

Isarvorstadt - Seit 14 Monaten bin ich Glockenbachviertel-Bewohnerin. Jeder, den ich hier treffe, versichert mir, dass das einem Sechser im Lotto gleichkommt.

Mein Appartment liegt an der Thalkirchner Straße. An den Wochenenden sowie an warmen Sommerabenden ist hier Party angesagt. Sollte man einfach nur nach Hause wollen, muss man Geduld mitbringen. Die Bürgersteige scheinen Menschen mit Getränken vorbehalten, die sich zu Gruppen zusammengesellt haben und sich nur im Notfall bewegen.

Seit ich hier wohne, weiß ich, dass München an der Isar liegt und der Englische Garten nicht unbedingt der schönste Park der Stadt ist: meine Liebe gilt jetzt dem Südfriedhof.

Bei jedem Wetter lese ich nun Grabinschriften, zähle die Eichhörnchen und wundere mich über die hohe Rate an Analphabeten in Deutschlands heimlicher Hauptstadt: die überall angebrachten Schilder "Radfahren verboten" können offensichtlich die meisten nicht entziffern.

Während ich früher der Meinung war, das Internet sei der Königsweg zum Erwerb ausgefallener Dinge, weiß ich jetzt: in meinem Viertel gibt es zahlreiche kleine Fachgeschäfte, in denen man fast alles bekommt, was das Herz begehrt - und eine freundliche Beratung gibt's meist gratis dazu.

Meine Entdeckungsreisen führen mich oft durch die verwinkelten, kleinen Straßen und am Glockenbach entlang, der, glaube ich, in Wirklichkeit gar nicht so heißt.

Immer entdecke ich etwas Neues, bin beglückt, lasse mich überraschen.

Dass Schwulsein nicht vor Beziehungsstress schützt, kann ich inzwischen bezeugen: so mancher erbitterte Streit wurde schon vor meinem Fenster ausgetragen. Und falls ich irgendwelche Vorurteile mit hierher gebracht habe, sind sie inzwischen den vielen bereichernden Erfahrungen gewichen, die ich täglich machen darf.

Schon im Januar freue ich mich wieder auf Dezember, weil dann genau vor meinem Fenster "Pink Christmas" eröffnet wird, ein Mini-Weihnachtsmarkt mit liebevoll dekorierten kleinen Ständen, Qualitätsglühwein und den einzigen Käsekrainern, die ich freiwillig esse. Dazu gibts noch täglich ein Live-Konzert - ich brauche nur das Fenster aufzumachen.

Wenn sich das jetzt wie eine Liebeserklärung anhört, dann liegt das einfach daran, dass es eine ist: an das schönste Viertel dieser Stadt, das Glockenbachviertel.

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