Westenriederstraße soll Fußgängerzone werden: Wird das die neue Partymeile?

Altstadt - Also für den Whiskey-Mike, der rund ums Tal in der Altstadt seit 40 Jahren eigentlich der große Lampen-Zampano ist, ist die Sache klar: "Wenn de wirklich hinten am Isartor Poller hibaun woin, dann fahr i de um."
Es ist nämlich so, dass sein Cadillac Escalade Esv Platinum, sechs Meter vierzehn lang, qua Anwohnerparkausweis das verbriefte Recht hat, täglich vor seinem Laden "Der Lampenschirm" an der Westenriederstraße 49 zu parken. Er findet da auch jeden Tag wieder einen Parkplatz, "und wenn i a Stund umanandkurven muaß".

Keine Parkplätze mehr? "Dann ist das ja das Chaos perfekt"
Und jetzt das. Es soll also nicht nur das Tal zwischen Marienplatz und Isartor hoppladihopp zur Fußgängerzone werden, sondern zeitgleich auch noch die kleine Westenriederstraße, die vom Isartor über 300 Meter zum Viktualienmarkt führt.
Nächstes Jahr schon wollen Grüne und SPD im Rathaus das durchsetzen. "Echt, bravo", knurrt der Mike, der genaugenommen Michael Werner heißt (aber Mike passt besser zu seinem Zweitgeschäft, den Whiskey-Importen), "dann ist ja das Chaos perfekt." Es geht nämlich nicht nur um seinen Cadillac. Seine Lampenkundschaft kommt in der Mehrheit auch im Auto angefahren, "wuist einen Kronleuchter vielleicht zu Fuß transportiern?"
Die Westenriederstraße, so erzählen sich das die alten Münchner, ist in den 70er Jahren noch eine "Huren- und Zuhälterstraße" gewesen, mit diversen Gold-Tandlern, An- und Verkauf, und der berüchtigten Boazn, in der mehr oder weniger finstere Gestalten ein- und ausgegangen sind, wo sich heute der Gasthof "Beim Sedlmayr" befindet.

Später tauchte die Westenrieder als "Antiquitätenstraße" in den Reiseführern der Touristen auf und lockte viel geldige Kundschaft her, auch aus Russland oder den Emiraten.
Viel ist nicht mehr davon übrig. Ein halbes Dutzend Goldhändler kann man in der Straße noch zählen, einen Laden mit etlichen Gipsskulpturen im Schaufenster, der selten geöffnet hat, und zwei Antikhändler.
Einzelhändler sorgt sich vor "Fress- und Partymeile"
Stefan Gespers (58) ist einer davon, auf Nummer 21, seinen Antikladen mit Uhrenwerkstatt "Roman Odesser" gibt's seit 1985, und auch Gespers freut sich gar nicht über die rot-grüne Schnell-Idee.

Das westliche Straßenteilstück zwischen Viktualienmarkt und der Kreuzung Radlsteg, wo sein Laden liegt, ist vor ein paar Wochen schon zur "Spielstraße" erklärt worden (anders als im östlichen Stück, wo es noch rund 50 Parkplätze gibt, inklusive E-Ladesäulen).
Heißt, hier dürfen Autos noch im Schritttempo Richtung Viktualienmarkt durchfahren, aber nicht mehr parken. "Ich spür das an weniger Kundschaft", sagt er, "die Grundidee ist beschissen, weil das jetzt hier eine Fress- und Partymeile wird. Kein Publikum, das uns alte Einzelhändler hier noch suchen wird."
Gastronomie verdrängt alte Einzelhändler
Die Tendenz merke man sowieso schon. Ein kleiner alter Laden nach dem anderen verschwindet. Stattdessen ziehen Bars ein, die jetzt ihre Stühle und Bierbänke auf dem Gehweg aufstellen dürfen, Sushiläden, eine vietnamesische Suppenküche. Neuerdings auch ein Donutladen, von dem man sagt, er zahle eine exorbitante Miete.
Ein paar Schritte weiter hat Wolfgang Rössig seinen Alpaka-Laden Pachamama, den es auch schon gut 20 Jahre an dieser Stelle gibt. Und er immerhin fände eine Fußgängerzone vor seiner Tür "wunderbar, einfach wegen der Atmosphäre". Genau wie Enikö Racz, die in der "Muc Bar" kellnert: "Für uns wäre eine Fußgängerzone gut."

Wie das allerdings mit dem Lieferverkehr dann gehen soll, fragt sich Rössig. Und wie die Leute zu den beiden Tiefgaragen in der Straße kommen sollen. Und wieso eigentlich der Parkautomat vor seinem Geschäft noch immer da steht, und Autofahrer einlädt, einfach trotzdem zu parken, obwohl's verboten ist.

Hotelbesitzer: "Wenn die Fußgängerzone kommt, klage ich die Poller weg"
Keine Tiefgarage, aber 27 eigene Hotelparkplätze hat Fabian Stöhr in den Innenhöfen seines "Hotels Schlicker Zum Goldenen Löwen" auf der Nummer 15, das mit 70 Zimmern auf der Rückseite bis zum Tal reicht. Die Parkplätze seien sein "absolutes Verkaufsargument", gerade für seine älteren Stammgäste und die Geschäftsleute, die zu Messen und zum Oktoberfest kommen.
Insofern sagt er: "Fußgängerzone finde ich gut, solange meine Gäste trotzdem bis zum Hotel durchfahren dürfen." Und wenn nicht? "Dann wär's die absolute Katastrophe", sagt er, und kündigt schon mal an: "Dann klage ich vor Gericht die Poller weg."

Der Whiskey-Mike denkt wahrscheinlich auch nochmal nach, ob er künftige Poller an der Westenrieder wirklich mit seinem Amischlitten umfahren will oder sich doch lieber einem Klageweg anschließt. Der Cadillac steht am Nachmittag jedenfalls immer noch auf seinem Parkplatz vor dem "Lampenschirm". Und garantiert, morgen ist er auch wieder da.