Wein Feldmann in Neuhausen: Ein Stehausschank fürs Leben

Neuhausen-Nymphenburg - Tippt man in die größte Internet-Suchmaschine die Wörter Wein, Bar und München ein, steht ganz oben in der Trefferliste "Wein Feldmann". Das ist lustig, denn der Neuhauser Stehausschank ist heute alles andere als ein Szenelokal.
Zwei Stammgäste übernahmen das Lokal
Gut besucht war das Lokal - vor Corona - zwar immer. Aber vorwiegend von Stammgästen. Und die freuen sich über die neuen Gesichter, die Google ihnen immer wieder hereinspült. Zwei dieser Stammgäste, Doris Demel und Christian Molter, haben ihr Lieblingslokal im September vom Vorgänger übernommen und hoffen auf eine baldige Wiedereröffnung mit ihren Gästen. Diese kommen von überall her, von Äthiopien bis Südheide, denn willkommen ist hier jeder. "Was zählt, ist der Mensch", sagt Doris Demel. Viele Menschen gehen schon seit Jahrzehnten ins Feldmann, mindestens einmal pro Woche. "Hier treffe ich interessante Leute und führe nette Unterhaltungen. Wir sind kein richtiger Freundeskreis, aber gehen sehr freundlich miteinander um. Und irgendwann waren wir auf einmal alle 80", sagt Heiner Hagemann und lacht. Der erst 79-Jährige ist seit 1981 jeden Montag in dem kleinen Stehausschank und hat hier schon viel erlebt.
Über die jungen Gäste, die langsam dazu kommen, freut er sich sehr. "Die genießen die guten Unterhaltungen in ungezwungener Atmosphäre ebenfalls und viele kommen dann auch gerne wieder." Bodo Bleinagel besucht seit 48 Jahren regelmäßig das Feldmann. Früher öfter, heute immerhin noch einmal pro Woche. "Daran muss mich auch keiner erinnern. Ich komme automatisch jeden Montag in die Elvirastraße", erzählt der 84-Jährige schmunzelnd. Heiner Hagemann und Bodo Bleinagel sind ein bisschen stolz auf das Lokal. Die Nachricht, dass Doris und Christian, natürlich ist man per du, es jetzt weiterführen, hat "Glückseligkeit" bei ihnen ausgelöst. Denn Angst, dass es im Feldmann nicht weitergehen könnte, gab es in den vergangenen Jahren immer wieder mal. Zusammen mit ihrem Angestellten Helmut Roll, ebenfalls Stammgast, haben Doris Demel und Christian Molter das Feldmann in den vergangenen Monaten ein bisschen aufgehübscht und stehen nun in den Startlöchern für die Wiedereröffnung nach Corona.
Bei Würsteln und Livemusik wird gedichtet und geduzt
Bis dahin zehren die Wirte und Gäste von ihren Erinnerungen: der Tag, als ein Mensch vom Kreisverwaltungsreferat die legendäre Resopal-Theke verbieten wollte, die vielen fröhlichen Nikolausabende, an denen Bodo Bleinagel und Helmut Hagemann den kabarettistischen Nikolaus spielten, ein ehemaliger Lehrer Geschichten vorlas oder Heiner Hagemann und andere Gäste ihre Hobby-Lyrik zum Besten gaben. Das traditionelle Würstelessen an Heiligabend, Livemusik-Abende und unzählige Gespräche über Kunst, Kultur und was sonst noch so in der Luft liegt. Ein ungeschriebenes Gesetz gibt es jedoch: Man duzt sich und spricht nicht über seine Arbeit. Mit ein paar Ausnahmen halten sich die meisten auch daran.
Früher war das anders. Da hatten Kollegenrunden noch ihre Stammtische hier. Jahrelang gab es zum Beispiel einen vom LKA ums Eck. Das hat auch Irmgard Huggenberger noch erlebt. Die 74-Jährige kommt schon seit über 40 Jahren in den Stehausschank. Sie trinkt ihren geliebten Grünen Veltliner und genießt die guten Gespräche. Sie erinnert sich noch gut an die wechselnden Wirte des Lokals, die alle jeweils ihre ganz eigene Persönlichkeit ins Lokal einbrachten. Zum Beispiel gab es eine Zeit, in der das Feldmann eine angesagte Künstlerkneipe war. Damals zählten viele gut betuchte Männer zu den Gästen und ein paar Frauen sind immer zum Flirten gekommen. "Da wurde noch Champagner getrunken", erinnert sich Irmgard Hugenberger. Heute nicht mehr.
Frauen-Überschuss im Feldmann
Inzwischen gibt es sogar einen leichten Frauen-Überschuss im Feldmann. Dank der ungezwungenen Atmosphäre mit den wenigen Tischen kann man von einem Gesprächspartner zum nächsten wechseln und den Abend auch gut alleine dort verbringen. Wer Hunger hat, bestellt ein Schmalz- oder Leberwurstbrot. Manchmal schwingt Nordlicht Christian Molter den Kochlöffel, und dann gibt es Grünkohl mit Bregenwurst. Das spricht sich immer schnell herum in Neuhausen. Besonders treffend hat einst Bodo Bleinagel die Atmosphäre des Stehausschanks beschrieben. Dafür dichtete er nichts Geringeres als das berühmte Weihnachts-Gedicht von Joseph von Eichendorff (inklusive astreinem Versmaß) in eine Feldmann-Ode um. "Und ich trete in die Kneipe - grad hinein ins volle Glück" heißt es da, und man möchte am liebsten hinterhergehen, eintauchen in diese magische Welt und die nächsten Geschichten mitschreiben.
Wein Feldmann, Elvirastraße 11