Wegen eines Stückchens Mauer im wunderschönen Garten: Münchnerin hat enormen Streit mit der Stadt

Neuhausen-Nymphenburg - Wer ihn einmal mit eigenen Augen gesehen hat, kann nicht widersprechen. Catherine Jennings Garten ist ein Idyll, ein Juwel, ein Kleinod. Und er ist ein Biotop. Hier wachsen Laub- und Nadelgehölze, Rankpflanzen und Farne. Eiche, Birne, Wilder Wein. Rose, Blauregen und Akelei. Es gibt Nahrungs- und Nistmöglichkeiten für Insekten, Kleintiere und Vögel. Kein Wunder – der Garten ist preisgekrönt und eine kleine Berühmtheit.
Im Buch "Grüne Glücksorte in München" hat er ein eigenes Kapitel. Die Stadt München verlieh dem Stadtgarten in Nymphenburg 2018 den ersten Preis in der Kategorie "Außenanlagen". "München begrünt sich" hieß der Wettbewerb damals, ein Foto von Jennings Garten zierte die Titelseite der dazugehörigen Broschüre, und noch heute die Internetseite der Stadt zum Förderprogramm "Mehr Grün in der Stadt". Auch die AZ berichtete damals.
Stadtgarten in Nymphenburg: Die grüne Oase der Münchnerin hat Preise gewonnen
Geheimer Garten, so nennen viele die grüne Oase in der Hirschgartenallee. Doch Jennings betont, sie schotte sich nicht ab, nehme regelmäßig am "Tag der offenen Gartentür" teil.
Der Garten umgibt ein wunderbares Stadthaus von 1912, das schon seit Generationen ihrer Familie gehört. Jennings pflanzt, jätet, dekoriert. Überall finden sich kleine und größere Sitzecken und Schattenplätze, auch ein kleiner Brunnen steht da, ein Sandkasten und ein großer Gemeinschaftssitzbereich für die insgesamt 20 Mietparteien beider Haushälften.

Denn von dem schönen Garten profitiert die Hausbesitzerin nicht alleine, die Mieter nutzen ihn ebenso. Gerade in den Pandemiejahren hatte der Garten allen Hausbewohnern einen großen Dienst erwiesen.
"Er war geschützter Raum und wichtige Freifläche für uns alle, sagt Kathrin Kreuzpoitner, die mit ihren vier Kindern im Haus wohnt und mit ihrer Jüngsten aus gesundheitlichen Gründen nicht das Grundstück verlassen konnte.
Nymphenburger Idyll: Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Ärger mit den Nachbarn
Und doch – über das Idyll ist ein Schatten gefallen. Seit Jahrzehnten gab es immer wieder Ärger mit einem Nachbarn, der ein 70er-Jahre-Geschäftshaus auf dem Nachbargrund hin zur viel befahrenen Wotanstraße besitzt. Immer wieder ging es um die Pflanzen, die durch den ziemlich dicht bewachsenen schmiedeeisernen Zaun hindurch wuchsen. "Ich hätte es so gelassen, aber es wurden vom Nachbargrundstück aus immer wieder Pflanzen so massiv zurückgeschnitten, teils mit der Säge, bis sie kaputt waren", sagt Catherine Jennings.
Im Coronajahr 2020 schließlich löst sie das Problem. Sie ersetzt die eisernen Zaunteile zwischen den gemauerten Säulen durch eine Backsteinwand. Keine wuchernden Pflanzen, kein Streit.
Die neue Mauer gefällt allen – doch die Stadt München will sie nicht dulden
Nebenbei entsteht so für sie und ihre Mieter ein Sicht-, Wind-, Lärm und Abgasschutz vor der Straße. Der Bereich des Gartens, der hier ziemlich schmal ist, grenzt an die Rückseite des Geschäftshauses, wo sich dessen Lieferzufahrt befindet.
Dementsprechend herrscht hier schon ab den frühen Morgenstunden viel Betrieb. Es wird viel ein- und ausgefahren, auch mal mit laufendem Motor gehalten. Und das quasi direkt vor Jennings Gartentisch. Die Mauer, eine pragmatische Lösung zur Zufriedenheit aller, dachte sie. Eine Win-win-Situation. Doch leider nicht.

Das Problem: Die Münchnerin hat keine Baugenehmigung für die Mauer
Catherine Jennings orientierte sich bei ihrem Mini-Mauerbau an historischen Vorbildern. "Wir haben uns an die relevanten Vorgaben im Grundstück mit den angrenzenden Nachbarn gehalten. Und um eine passende Form für das Haus von 1912 bemüht, in Optik, Material und auch handwerklicher Ausführung", sagt sie. Tatsächlich gibt es in der Umgebung viele solche Gartenmauern zwischen den Grundstücken zu sehen. Über die Jahre wächst ihre neue Mauer – wie es für ihren Garten typisch ist – üppig ein.
Das Problem. Catherine Jennings hatte für die Aktion keine Baugenehmigung und der Mauerbau wurde gemeldet. Und wie ein Gartenzaun oder eine Einfriedung aussehen darf, das ist in München genau geregelt. In der Satzung für Einfriedungen, die so seit 1990 gilt.
Die Stadt München sagt: Die Mauer ist zu hoch und muss wieder weg
Diese Satzung diene, so erklärt es die Lokalbaukommission (LBK) in einem späteren Schreiben an die Hausbesitzerin, "einer aufgelockerten Gestaltung der Freiflächen bebauter Grundstücke und um ein Ortsbild zu schaffen, in dem Freiflächen in erhöhtem Maße dem Zutritt von Licht und Luft geöffnet werden und prinzipiell allseitig einsehbar sind."
Weiter heißt es: "Geschlossene Einfriedungen auch in straßenabgewandten Bereichen, insbesondere mit einer Höhe von 2,60 Metern, würden das angestrebte aufgelockerte Ortsbild stören". Freiflächen der Grundstücke würden voneinander abgeschottet, ein Durchblick und die freie Luftzirkulation eingeschränkt.
Die Münchnerin hat sich einen Anwalt genommen und gegen die Stadt München geklagt
Catherine Jennings bekommt also im Frühjahr 2021 Post von der LBK. Die Mauerpfeiler und den bisherigen 1,50 hohen Eisenzaun durch eine geschlossene Mauer zu ersetzen sei nicht zulässig. Sie wird "zum Rückbau" verpflichtet.
Sie erhebt Einspruch, nimmt sich einen Anwalt, klagt. In diesem Frühling kommt es zum Vor-Ort-Termin. Zehn Personen seien gekommen, von der Lokalbaukommission und vom Verwaltungsgericht. "Für jemanden der so etwas noch nie erlebt hat, eine etwas einschüchternde Situation", sagt Jennings.
Sie ist enttäuscht: "Die haben sich die Mauer nur von außen angeschaut. Den Zusammenhang mit meinem Garten und den Nutzen für uns konnte ich gar nicht zeigen und erklären", sagt sie. Es sei nur darum gegangen: "Die Mauer ist zu hoch."
Das Gericht weist die Klage ab und bestätigt die sogenannte Beseitigungsanordnung. Es gibt wieder Post von der LBK: Keine Baugenehmigung, zu hoch, zu geschlossen. Aufgrund der Verstöße könne keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Werde die Mauer nicht freiwillig entfernt, drohe eine "kostenpflichtige Verfügung".
Wenn die Mauer nicht wegkommt, droht ein Bußgeld
Der zur Straße hin sichtbare Teil ihrer Mauer ist etwa 2,50 Meter hoch. Was laut Jennings auch am unterschiedlichen Bodenniveau der Grundstücke liege. Zäune, nur 1,50 Meter hoch und einsehbar – das "entspricht nicht dem heutigen Leben im städtischen Raum", sagt Jennings. "Die Regeln gehen zurück auf eine Zeit, in der Nymphenburg viel ländlicher war. Heute haben wir hier viel Verkehr, Passanten, Touristen, die zum Schloss gehen."
Sie findet deshalb, es brauche in solchen Dingen "weniger Normierung und mehr Blick auf Nutzbarkeit, statt nur auf Optik". Falls die Backsteinoptik störe, könnte sie die Mauer begrünen.
Die Münchnerin hat sich an den Oberbürgermeister gewandt
Catherine Jennings versteht, dass "der Rechtsweg ist, wie er ist", sagt sie. Doch sie ist überzeugt: "Die Stadt kann das von oben nach unten anweisen, wenn sie will." Sie wendet sich daher direkt an OB Dieter Reiter (SPD) und Bürgermeisterin Kathrin Habenschaden von den Grünen. Denn den Konflikt um ihre Gartenmauer sieht sie auch als Modellfall. "Wir wünschen uns, dass sich politisch etwas ändert und Natur in der Stadt wirklich eine Priorität bekommt", sagt sie.
Es gehe doch andauernd um Stadtklima und Begrünung selbst im Allerkleinsten. Um die Schaffung von Schattenplätzen und kühlenden Inseln. "Die Mauer steht ja nicht hier, um die Lokalbaukommission zu ärgern oder eine Norm zu brechen, sondern weil sich eine Notwendigkeit ergeben hat", sagt sie.
Auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter will die Mauer nicht retten
In der vergangenen Woche bekam Catherine Jennings von der LBK eine Antwort auf ihr Schreiben an den OB und die Bürgermeisterin. Darin heißt es: Die Einfriedung verstoße gegen die Vorschriften der Einfriedungssatzung. "Rechtmäßige Zustände" ließen sich "nicht auf andere Weise als die Beseitigung dieser" herstellen.
Es könne auch "weder eine Ausnahme noch eine Abweichung von den Festsetzungen" der Satzung gewährt werden, da "das Straßenbild nicht durch hohe und geschlossene Einfriedungen geprägt ist und keine besonderen grundstücksbezogenen Belastungen ersichtlich sind". Dem Wunsch nach Erhaltung der geschlossenen Einfriedung könne daher "auch nach erneuter intensiver Prüfung" leider nicht entsprochen werden.