Vom Armen- zum Luxusviertel

AZ-Leserin Gisela Welzenbach lebt seit den 60iger-Jahren im Lehel und blickt zurück, wie sich das Viertel verändert hat. Früher, da war es ein Vorstadtviertel mit einfachen Leuten...
Gisela Welzenbach |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Das Lehel vom Maximilianeum aus gesehen.
Wikipedia Das Lehel vom Maximilianeum aus gesehen.

Lehel - Seit den 60iger Jahren, da ich im Lehel aufgewachsen bin, hat sich im Verlauf von mehr als 50 Jahren hier baulich und von den Einwohnern her einiges verändert. Es war einst ein armes Vorstadtviertel, was man sich heute so gar nicht mehr vorstellen kann. In den 60iger Jahren war es sowohl von einfacheren Leuten als auch dem Mittelstand, wie zum Beispiel Beamten, bewohnt und die Mieten waren noch bezahlbar. Teilweise richtig niedrig.

Wenn man durch die Straßen spazierte, sah der eine oder andere der alten Bürger aus dem Fenster, ein Kissen unter den Armen und vertrieb sich die Zeit damit, auf die Leute schauen und zu sehen, wer oder was sich da so rumtreibt. Das Lehel veränderte sich dann aber, nachdem die alten Bürger nach und nach wegstarben, durch Neubauten und dem auch damit verbundenen Zuzug von gut verdienenden Bürgern zu einem für die Leute immer attraktiveren Wohnviertel.

Die Nähe zum Englischen Garten und die gute Verkehrsanbindung zur Stadtmitte taten ein übriges. Das hatte natürlich zur Folge, dass die Mieten immer höher kletterten und heute von normal verdienenden Leuten kaum noch zu bezahlen sind. Zum Beispiel am Eisbach wird beziehungsweise wurde wieder neu gebaut, mit Eigentumswohnungen, die schon mal eine Million kosten, nach oben keine Grenzen.

In der Lerchenfeldstraße, entlang der Straßenbahnlinie und am Englischen Garten wird ebenfalls neu gebaut und auf der Schautafel steht „Park-Avenue“. Dabei bleibt es aber die gute alte Lerchenfeldstraße. Also ich denke mir, dass man sich unter einer Park-Avenue eine Prachtstraße vorstellt. Es stimmt zwar, dass der Englische Garten gleich gegenüber ist, soweit stimmt das mit dem Park. Aber es ist keine breite Straße (Einbahnstraße) und wird weiter eingeengt durch das Straßenbahngleis.

Alle paar Minuten fährt also die Straßenbahn direkt unter der Nase der künftigen Anwohner vorbei. Neben der neu erbauten (künftigen) Häuserzeile befindet sich das Luitpold-Gymnasium, wo es außerhalb der Unterrichts- und Ferienzeiten lebhaft zugeht, was ja auch völlig normal ist an einer Schule. Und jetzt soll auch noch die Tennisplatzanlage Tivoli weg. Also das schlägt doch wirklich „dem Fass den Boden aus“!

Dort hat mein Vater als Tennislehrer fungiert und meiner Familie und mir das Tennisspielen beigebracht. Und nicht nur uns! Und er hat viele Jahre dort gespielt, bei Turnieren mitgemacht und wir haben dort auch Feste gefeiert. Sigi Sommer, der dort ebenso viele Jahre lang Tennis gespielt hat, hätte wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sich ans „Hirn g'langt“. Vermutlich hätte er gesagt:: „Geht’s no? Ja Herrschaftszeiten, wo samma denn!“

Auf jeden Fall hätte er nicht gezögert, alles erdenklich mögliche zu tun, um dies zu verhindern. So stelle ich mir seine Reaktion vor. Man sagt zurecht, die Zeit verändert den Ort. Der Ort Lehel hat sich in meinen Erinnerungen aber schon sehr verändert. Aus meiner Sicht finde ich diese Entwicklung wirklich sehr schade. Denn der alte Charme des Viertels geht und ging, gegenüber von früher, mehr und mehr verloren und es gibt keine Originale mehr.

Die „Oasen“ der Normalität und der Bodenständigkeit werden zunehmend weniger. Es gibt wirklich noch den einen oder anderen Hauseigentümer, der sich dem Profit nicht unterwirft und seine Mieter nicht ausnimmt und trotzdem nicht „verarmt“. Eine leider „aussterbende“ Rasse!

Es ist völlig in Ordnung, dass Veränderungen stattfinden. Die Zeit bleibt nicht stehen und Weiterentwicklung ist für jeden Stadtteil beziehungsweise jede Stadt wichtig. Vielleicht sollte man aber doch über das eine oder andere gründlicher nachdenken, bevor man eine Veränderung plant und sich nicht über alles, was gut war und ist, rücksichtslos hinwegsetzen.

Haben Sie auch schöne Bilder aus ihrem Viertel oder ist Ihnen ist etwas Besonderes aufgefallen? Über was haben Sie sich gefreut, worüber geärgert? Mailen Sie Ihren Beitrag an stadtviertel@abendzeitung.de. Hier können Sie auch Fotos hochladen.

 

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.