Verkauf von Rischart-Backstube am Gärtnerplatz: Geht die Stadt leer aus?

Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt - Es ist noch nicht lange her, da hat die Bäckerei Rischart viel Lob bekommen. Momentan baut das Unternehmen nämlich oberhalb der Theresienwiese nicht nur eine neue Backstube, sondern auch 100 Wohnungen für seine Mitarbeiter. "Ich wünsche mir, dass viele weitere Unternehmen diesem Beispiel folgen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der AZ, als Rischart seine Pläne vorstellte.
Geht die Rischart-Backstube am Gärtnerplatz an einen Investor?
Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Denn die Bäckerei plant anscheinend, ihre alte Backstube an der Buttermelcherstraße am Gärtnerplatz zu verkaufen - mit einem "weinenden Auge", wie das Unternehmen betont. An wen, ist noch unklar. Allerdings ist die Sorge groß, dass das Grundstück am Ende an einen Investor geht, der noch mehr Luxuswohnungen baut - in einem Viertel, in dem ohnehin schon viele wohnen, die sich nicht wundern, wenn der Kaffee vier Euro kostet.
"Seinen teuren Neubau auf der Theresienhöhe muss sich Rischart sicher irgendwie finanzieren", sagt Grünen-Stadtrat Paul Bicklbacher, der sich in seiner Fraktion viel mit Planen und Bauen beschäftigt. Aus Unternehmer-Sicht also eine gute Entscheidung, ein Grundstück in einer Münchner Bestlage auf dem Markt zu bringen, soll das heißen.

Zu teuer: Stadt will Backstube nicht kaufen
Das Problem dabei: Das 5.400 Quadratmeter große Areal auf der Theresienhöhe, wo Rischart heute seine neue Backstube baut, gehörte der Stadt. Sie verkaufte es 2017 an Rischart, um das Münchner Gewerbe zu fördern.
Trotzdem könnte die Stadt leer ausgehen, wenn Rischart nun seinen alten Standort verkauft.
Bereits 2019 hat das Kommunalreferat mit Rischart über einen Kauf des Grundstücks an der Buttermelcherstraße verhandelt. Ohne Erfolg - es war zu teuer. Jetzt hat das Kommunalreferat die Verhandlungen wieder aufgenommen. Der Ausgang ist ungewiss.
Die Stadt solle das Grundstück selbst kaufen, fordert Jagel
"Es ist eine Unverschämtheit, dass Rischart das Grundstück nicht der Stadt anbietet", findet Linken-Fraktionschef Stefan Jagel. Er hat am Mittwoch einen Antrag gestellt, dass die Stadt das Grundstück kaufen soll.
"Ein Münchner Unternehmen hat auch eine Verantwortung für die Stadt", sagt Jagel. Aus seiner Sicht gilt das erst recht, wenn dieses Unternehmen erst vor kurzem ein städtisches Grundstück in bester Lage kaufen konnte.
Statement von Rischart: Das sagt das Unternehmen
Was die Bäckerei dazu sagt? Auf Anfrage schickt sie ein Statement, eine DIN-A4-Seite lang. An wen sie ihr Backstube Buttermelcherstraße verkaufen will, geht daraus allerdings nicht hervor.
Das Unternehmen betont allerdings, wie schwer ihr der Wegzug aus der Buttermelcherstraße falle und welchen wichtigen Beitrag die Bäckerei für die Landeshauptstadt leiste - im Rahmen der Gewerbesteuern und durch seine Werkswohnungen.
Mit seinen 100 Werkswohnungen auf der Theresienhöhe schaffe die Bäckerei deutlich mehr als bisher und leiste damit einen Beitrag zur aktuell angespannten Wohnungssituation in München, heißt es in der Stellungnahme von Rischart.
Warum haben Stadt München und Rischart die Grundstücke nicht getauscht
Allerdings sieht Jagel auch ohnehin nicht nur das Verhalten des Unternehmens kritisch. Auch die Stadt hat in seinen Augen versagt. Schließlich hätte sie darauf dringen müssen, die beiden Grundstücke zu tauschen. Doch das ist offensichtlich nicht passiert.
Warum? Der Chef der SPD-Fraktion Christian Müller meint: "Einen Tausch durchzusetzen, war rechtlich nicht möglich." Das wäre "erpresserisch" gewesen. Ähnlich schätzt die Lage der Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) die Lage ein.
Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher sieht das anders: Einen Tausch einzufädeln, wäre klug gewesen, sagt er. Und aus seiner Sicht auch möglich. Warum geschah es nicht? "Das müsste man genauer recherchieren", sagt Bickelbacher.
Allerdings erinnert er daran, dass die Stadt einst mit Grundstücksverkäufen ihren maroden Haushalt aufbesserte. "Aus heutiger Perspektive eine kurzfristige Entscheidung."
Bickelbacher hofft trotz allem, dass an der Buttermelcherstraße keine Luxuswohnungen entstehen. Seine Fraktion habe Verhandlungen zwischen der Bäckerei und dem Kulturzentrum Bellevue di Monaco eingefädelt.
Dieses würde an der Buttermelcherstraße gerne einen Ausbildungsbetrieb für geflüchtete Menschen gründen, erzählt Bickelbacher.
So soll bezahlbarer Wohnraum auf dem Areal entstehen
Linken-Stadtrat Stefan Jagel hat einen anderen Plan, falls die Stadt das Grundstück nicht kaufen kann. Er fordert, dass der Stadtrat so schnell wie möglich einen sektoralen Bebauungsplan für das Areal aufstellt. Das ist ein neues Instrument des Baugesetzbuches, das es Kommunen ermöglicht, Bauherren auch auf kleineren Flächen zu zwingen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Auch die SPD könnte sich vorstellen, dass dieses Instrument an der Buttermelcherstraße eingesetzt wird, sagt Fraktionschef Müller.
Zumindest 40 bis 60 Prozent geförderter Wohnraum könnte dort dann entstehen, schätzt Jagel. Auch, wenn ihm 100 Prozent lieber wären. "Doch Enteignungen sind ja leider nicht möglich."