Vergessene Geschichten aus München: Was Sie noch nicht über das Lehel wussten

Lehel - Eigentlich ist er in Niederbayern geboren, aber in die Stadt München scheint er sich verliebt zu haben: Christian Lex (45) schreibt Drehbücher, spielt am Theater und ist als Schauspieler in vielen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen.
Wenn er nicht gerade kreativ arbeitet, schlendert er gerne durch das Münchner Viertel seines Herzens: das Lehel.
Phantomschmerz im Lehel
Dort wohnte er selbst viele Jahre – heute hat er es "nur" bis auf die andere Isarseite geschafft, wie er sagt. Warum er sich so für die Vergangenheit interessiert? "Wenn man so in einem Viertel wohnt, spürt man irgendwann die Fehlstellen. Wie ein Phantomschmerz.
Man merkt – es ist etwas nicht mehr da. Zum Beispiel da, wo heute der Verkehr des Altstadtrings drüber braust, war bis in die 60er noch ein weitgehend intaktes Gründerzeitviertel." Ein Blick in die Vergangenheit des Lehels.

Münchens pompöses Tröpferlbad: Das Maximilians-Bad
Wo heute der Altstadtring verläuft, trafen sich Ende des 19. Jahrhunderts die Münchner zum Schwimmen, Ratschen und Entspannen. Das Maximilians-Bad wurde 1883/84 in der Kanalstraße 19 (heute Thomas-Wimmer-Ring) erbaut.
Neben dem Badespaß und dem Austausch war auch der Hygienefaktor damals nicht zu vernachlässigen: "Die Wohnungen hatten einen schlechten Sanitärstandard, und so schossen an allen Ecken 'Tröpferlbäder' aus dem Boden. Freilich nicht alle so pompös wie das Maximiliansbad", weiß Lex.
Das herrschaftliche Maximilians-Bad kam modern daher: Im Jahr 1907 veranstaltete der Damen-Schwimmverein München sein erstes Schwimmfest. Montags und donnerstags "von 2 Uhr an" war im Maximilians-Bad sogar Damentag. Das Bad pries sich als "Größtes Bade-Etablissement Münchens" – samt russischem Dampfbad, beheizter Schwimmhalle und einem Telefon.
Amerikanische Filme im Lehel: Atlantik-Palast am Isartor
Jubelndes Publikum und ein Besuch des Kronprinzen Ludwig und des König Maximilian I. Joseph machten die Eröffnung des Theaters am Isartorplatz 1812 zum Großereignis. 1825 wurde der Spielbetrieb bereits wieder eingestellt – unter anderem gab es Kritik am Spielplan. Einige Jahre später diente das Gebäude fortan fast 100 Jahre als Leihhaus. "
Seit es 1931 zu einem über 1.000 Personen fassenden Kino umgebaut wurde, fanden nicht nur die großen Ufa-Premieren hier statt, nein, bis 1938 durften hier sogar amerikanische Filme gezeigt werden. Mit Ausnahme der 'Volksverräterin' Marlene Dietrich. Ich als Film- und Theatermensch fände es schön, wenn man das wieder aufbauen würde, aber auch hier war die Ruine nach dem Krieg dem Altstadtring im Weg", erzählt Lex. 1953 wurden die Gebäudereste abgetragen.
Unsöld-Eisfabrik
Hier lernten wohl einige Münchner das Schlittschuhlaufen: Ende des 19. Jahrhunderts entstand im Lehel eine kleine Sensation. Am 8. Februar 1893 ging die erste überdachte Eishalle Deutschlands in Betrieb. In der Galeriestraße 10, heute Unsöldstraße, eröffnete der Ingenieur Johann Felix Unsöld die Fläche als Teil seiner Eisfabrik.
"Um die Fabrik auch im Winter auslasten zu können, baute er – eingeklemmt zwischen die Hinterhöfe des Gründerzeitblocks – eine Eislaufbahn. Die Straße wurde erst 1970 nach dem Gründer benannt. Bis dahin war sie Teil der Galeriestraße. Hier fuhr auch die ‚Ruinenschleicher' genannte Trambahnlinie 37 entlang", weiß der Schauspieler.

Wegen des verschachtelten Glasbaus zwischen den Häusern nannten die Münchner die Eisfläche "Schachterleis". Die Fläche war mit 725 Quadratmetern nicht besonders groß. Angeboten wurden Eislaufkurse, aus dem Grammophon krachte Musik, sonntags spielte sogar ein Orchester.
Im Oktober 1943 wurde die Dachkonstruktion durch Bomben zerstört. Nach Kriegsende wurde das Dach nicht wieder aufgebaut – so wurde aus dem Schachterleis eine Freiluft-attraktion. 1960 schloss die Bahn, sie war unrentabel geworden. Ein Jahr später stellte die Eisfabrik den Betrieb ein.
Theatermeile Maximilianstraße
"Neben der Leopoldstraße war die Maximilianstraße der größte 'Umschlagplatz' für Schauspieler in München", so Lex. Heute sind in der Maximilianstraße nur noch die Oper und die Kammerspiele übrig. "Und das Resi, wenn man den Max-Joseph-Platz noch dazuzählt", ergänzt der Schauspieler.

Früher waren gleich mehrere Bühnen auf der Maximilianstraße ansässig. Lex: "Die legendäre Kleine Freiheit von Trude Kolman, Heimat von Werner Finck und Erich Kästner, für viele der Start ins Kabarett-, später Schauspielerleben – heute ein Lagerraum von Gucci. Weiter vorne, neben dem Opern-Espresso, fand sich das Theater unter den Arkaden – heute ein Hermes-Laden. Weiter vorne die Kleine Komödie am Max II., wie das Theater unter den Arkaden ein Boulevardtheater, in dem Stars en suite spielten."
Widenmayerstraße 2
"Als ich nach München kam, hab ich mit als erstes das Pumuckl-Haus gesucht. Aber – nicht gefunden. Es war längst abgerissen", sagt Lex. Die Schreinerwerkstatt im Hinterhof existiert nicht mehr, das baufällige Gebäude wurde nach Ende der Dreharbeiten 1985 weggerissen. Heute erinnert eine kleine Plakette an den Meister-Eder-Darsteller Gustl Bayrhammer und den Pumuckl.

Lex: "Das berühmte große halbrunde Fenster der Werkstatt war eigentlich die Einfahrt für die Kutschengarage. In Meister Eders Wohnung darüber wohnte der Kutscher. Vom Zweiten Weltkrieg bis in die 60er Jahre war tatsächlich eine Schreinerei in dem Gebäude. Auch kurios: Die Landesstelle der Katholischen Landjugend hatte nach dem Krieg auch ihren Sitz hier."
Pumuckl-Dreharbeiten im Lehel
1979 begannen die Dreharbeiten für den Pumuckl in dem baufälligen Haus. "Als man zu drehen begann, stand das Haus schon eine Weile leer – was Filmmenschen immer super finden, weil sie dann tun können, was sie wollen - und musste aufwendig saniert werden. Es wurden Pappmauern gebaut, die man in der Serie auch erkennt, wenn man es weiß, um unter anderem die hässlichen Abbruchkanten zum Nachbarhaus zu verdecken", erzählt der Schauspieler.
Für die zweite Staffel musste das Haus für 250.000 Mark hergerichtet werden, damit die Dreharbeiten überhaupt weiter stattfinden konnten. Der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß setzte sich eigens dafür ein. "Als Letztes wurde ‚Das Spiel mit dem Feuer' gedreht und das wunderschöne Haus direkt abgerissen." 1985 rückten die Bagger an.
Neuauflage von Pumuckl
Ende 2023 erscheint nun die Folgeserie "Neue Geschichten vom Pumuckl". Dafür wurde die Schreinerwerkstatt aus der Widenmayerstraße 2 komplett nachgebaut – allerdings nicht im Lehel, sondern in einem Industriegebiet. "Für die Neuauflage bei RTL+ hat man das Haus in einer Halle wiederaufgebaut und dabei sogar den ‚Eichinger-Parkplatz' nicht vergessen. Der war im realen Haus für eine Dame aus dem Vorderhaus reserviert, die von den Dreharbeiten so gar nicht begeistert war…"
Die ersten Folgen sind am 24. und am 27. Juni beim Filmfest München zu sehen.