Unternehmer aus der Donnersbergerstraße in München: "Viele können sich die Fachgeschäfte nicht mehr leisten"

München - Wer mittags in der Sonne am Rotkreuzplatz als stiller Beobachter auf einem der Bankerl aus Backstein sitzt, könnte schon mal meinen, die Welt ist wirklich noch in Ordnung: Geschäftig holen sich Männer im Anzug eine Brotzeit beim Bäcker, Muttis ratschen beim Kinderwagenschieben, Rentnerinnen mit Rollator feilschen ums frische Gemüse am Standl und dazu spielen zwei Straßenmusiker "La vie en rose". Die Sorgen um den Galeria Kaufhof sind da ganz weit weg.
Mit jedem Schritt weiter in die Donnersbergerstraße hinein wird es ruhiger: weniger Treiben, weniger Verkehrslärm. Durch die austreibenden Bäume ist die breite Straße in diesen Tagen geprägt von zartem Grün. In der Donnersbergerstraße 12 ist die Wäscherei Wäscheria zu Hause. Der Familienbetrieb existiert seit 48 Jahren. Chef Alexander Gibis fühlt sich wohl in der Donnersbergerstraße. Genauso wie seine beiden Kinder, die beide bereits ihren Meister absolviert haben und in der Wäscherei mitarbeiten. "Früher war hier alles voll mit Leuten von der Bundesbahn", erinnert sich Gibis. "Heute sind hier mehr Familien zu Hause."

Kaufhof in der Donnersbergerstraße in München: "Ein Magnet für die Leute"
Schade findet er, dass der Leerstand in der Straße zunehme. Beim Kaufhof wenige Meter weiter am Rotkreuzplatz hofft er stark darauf, dass er erhalten bleibt. "Das ist ein Magnet für die Leute. Der Platz ist dadurch belebter, es gibt eine Tiefgarage, Arbeitsplätze. Das wäre sehr wichtig", sagt Gibis.
Ein paar Häuser weiter, in der Donnersbergerstraße 34, betreibt Ferdinand Rendl seit 20 Jahren seine Landmetzgerei. Ihm fällt auf, dass es mittlerweile mehr junge Menschen in der Straße gibt. "Und die sind alle sehr hilfsbereit. Die holen mir schon auch mal was von Norma, wenn's ist", sagt er. Insgesamt werde es mit den Geschäften aber eher schlechter, findet der gebürtige Niederbayer. Es klingt durch, dass auch er sich mehr Kunden wünschen würde. "Aber viele können sich die Fachgeschäfte nicht mehr leisten. Das erzählen viele."

Immer wieder erlebt der Metzger in der Donnersbergerstraße Antisemitismus
Was Rendl aber wirklich bewegt, sind Angriffe ihm gegenüber. Er ist Jude und das zeigt er ganz klar im Schaufenster seiner nicht-jüdischen Metzgerei. Ein ganzes Bündel Israel-Flaggen steht in einem Steinkrug. "Ich erlebe hier sowohl direkten als auch indirekten Antisemitismus. Das hat seit dem 7. Oktober sehr zugenommen", sagt er.
Es gebe zwar auch ehrlichgemeinte Solidarität, aber viele Worte erscheinen ihm auch hohl. Wichtig ist ihm, sich nicht zu verstecken; und trotz Anfeindungen und Beleidigungen weiter seine Israelflaggen im Schaufenster zu zeigen.
Dass es schlechter um die Geschäfte in der Donnersbergerstraße stehen würde, kann Susanne Bleicher-Kaikkis bisher nicht bestätigen. Sie betreibt im Haus mit der Nummer 26 seit Oktober die Galerie Respct.me. Gearbeitet hat sie auch schon im Lehel und in der Reichenbachstraße. "Eine Freundin hat mir geraten, hierher zu kommen, weil die Straße recht aufstrebend ist. Mehr junge Leute, viele kreative Ideen", sagt sie. Mit ihren kleinen Labels und der kunstvollen Dekoration aus alten Plastikflaschen scheint sie selbst ein Teil davon zu sein.

Bis in die 1920er war die Donnersbergerstraße die "Neuhauser Reeperbahn"
Wie sehr sich die Straße über die Jahre verändert hat, weiß Franz Schröther von der Geschichtswerkstatt Neuhausen wohl am besten. Für die Geschichtswerkstatt hat er über die Donnersbergerstraße geschrieben – und er ist dort aufgewachsen. "Die Donnersbergerstraße war eine Flanier- und Geschäftsmeile. Alle 38 Meter gab es eine Gaststätte", weiß er zu berichten.
Das – und das einzige Nachtlokal Neuhausens – brachte der Straße in der Geschichtswerkstatt 1998 den Namen "Neuhauser Reeperbahn" ein. Bis in die 1920er gab es 16 Gaststätten auf der rund 600 Meter langen Straße. Heute sind es noch vier", sagt Schröther. Statt Gaststätten gibt es mittlerweile Sonnen- und Massagestudios. Der über Jahre hinweg beliebte Kiosk der Straße steht derzeit leer. Angst vor monatelangem Leerstand in der Straße ist aber wohl unbegründet.

Alle in Neuhausen hoffen, dass Galeria erhalten bleibt
Das sieht zumindest Anna Hanusch, die Vorsitzende vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg so. "Ich trauere zwar manchem Laden etwas nach, aber insgesamt mag ich die Straße immer noch sehr gerne", sagt die Grünen-Politikerin.
Bleibt in der Straße eigentlich nur noch die Frage nach Galeria vorne am Rotkreuzplatz. Hanusch: "Wir alle wollen gerne den Kaufhof an unserem Rotkreuzplatz erhalten, auch gerne mit möglichst breitem Sortiment, da es einfach für die Versorgung im Viertel wichtig ist. Es gibt hier schon Bürgerinnen, die aktiv werden – was man, falls sich etwas verändert, machen könnte. Aber noch hoffen wir, er kann bleiben und trägt sich – wenn endlich die absurd hohe Miete nicht mehr an Signa gezahlt werden muss."

So wünschen sich fast alle in der kleinen Flaniermeile, dass der Kaufhof bleibt. Und den ein oder anderen Laden, damit die Straße noch ein bisschen lebendiger wird. Sie muss ja nicht gleich wieder zu einer neuen Reeperbahn werden.