Untergang der Lese-Insel

Kein Platz mehr für das „Kulturgut Buch“ am Marienplatz: Der Hugendubel muss das Geschäft nach mehr als 35 Jahren Ende 2015 räumen. Einziehen soll die Telekom. Die Kunden werden in der City in den Häusern am Stachus und in den Fünf Höfen weiter bedient.
von  Rudolf Huber
Eine der Leseinseln im Hugendubel am Marienplatz: Mit diesem Service machte Buchhändler Heinrich Hugendubel ab 1979 bundesweit Furore.
Eine der Leseinseln im Hugendubel am Marienplatz: Mit diesem Service machte Buchhändler Heinrich Hugendubel ab 1979 bundesweit Furore. © Robert Haas/SZ-Foto

 

Der Hugendubel am Marienplatz – das ist seit dem Jahr 1979 eine Marke wie Hofbräuhaus oder Donisl, so etwas wie ein feststehender Begriff. Ein riesige Bücher- und Schmöker-Insel, perfekt geeignet als Treffpunkt in der Münchner Innenstadt, bekannt in ganz Deutschland – und darüber hinaus. Das mutige Konzept des visionären Buchhändlers Heinrich Hugendubel auf stolzen 3650 Quadratmetern revolutionierte die ganze Branche, wurde zum Erfolgsmodell und zum Vorbild. Doch die Zeiten ändern sich. Ende nächsten Jahres ist die Buchhandlung Geschichte. Nicht weil die Betreiber nicht mehr wollen oder weil sie es wirtschaftlich nicht mehr schaffen. Sondern weil der Hausbesitzer, die Bayerische Hausbau, eine andere Nutzung geplant hat: durch die Telekom und mit Büros.

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„Nie zuvor konnten Kunden in einer mehrgeschossigen Buchhandlung nach Herzenslust stöbern, aus einem riesigen Bücherangebot auswählen und es sich in Leseinseln bequem machen“, schildern die Buchhändler noch heute ihr seit 1979 bewährtes Konzept. Es machte Schule und den Hugendubel am Marienplatz zu einer der umsatzstärksten Buchhandlungen Europas.

Historie Hugendubel: Die Geschichte der Buchhandlung

Ein wenig angestaubt war das Innere des Buchladens trotz diverser Aktualisierungen zweifellos. Kleine, verwinkelte Etagen, ein viel zu enger Eingangsbereich, ein umständliches Aufzugskonzept. Und natürlich machten die Konkurrenz durch Internet-Händler und E-Book-Reader oder die Insolvenz des Partners Weltbild auch Hugendubel massive Probleme.

Trotzdem war für Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin des Münchner Familienunternehmens, klar: „Wir wollten den Marienplatz unbedingt behalten und haben einen Vorschlag für eine neue Nutzung der Fläche vorgelegt.“

Dann kam die Absage von der Bayerischen Hausbau. „Der Eigentümer hat sich für ein anderes Nutzungskonzept entschieden“, umschreibt Nina Hugendubel den Rauswurf. „Wir bedauern dies sehr, gleichzeitig respektieren wir diese Entscheidung.“

Ein bisschen klingt so etwas wie ein „jetzt erst recht“ durch, wenn der zweite geschäftsführende Gesellschafter Maximilian Hugendubel erklärt: „Wir sind der festen Überzeugung, dass das Kulturgut Buch in den deutschen Innenstädten erhalten bleiben muss.“ Seine Firma jedenfalls werde „den Standort München über das Jahr 2016 hinaus stärken“.

Das bedeutet konkret, dass Hugendubel in die Innenstadt-Filialen am Stachus und in den Fünf Höfen investieren und sie quasi als Auffangbecken für die dann heimatlosen Stammkunden vom Marienplatz nutzen will.

Dass das Aus für das Haupthaus eine große Lücke reißen wird, ist den Kunden klar. „Das finde ich schade. An den Marienplatz gehört einfach eine Buchhandlung“, meint etwa Petra Hugenschmidt, die am Mittwoch in einer Leseinsel im dritten Stock sitzt und ein Buch für ihren 15-jährigen Sohn sucht. Diana Reinert blättert im zweiten Stockwerk in mehreren Israel-Reiseführern: „Da geht schon etwas verloren, wenn der Hugendubel hier nicht mehr ist. In der Nähe gibt es einfach nichts Vergleichbares.“ Auch Josef Kopold ist bestürzt, als er von der bevorstehenden Schließung hört: „Das finde ich nicht gut. Ich schmökere hier sehr gerne.“

Die Stimmung bei den Beschäftigten am Marienplatz, die erst am Dienstagabend in einer kurzfristig angesetzten Mitarbeiterversammlung über die bevorstehende Schließung informiert wurden, ist sehr angespannt: „Die Zukunft der Beschäftigten ist noch völlig ungewiss. Dass die 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach so auf andere Filialen verteilt werden können, ist wohl mehr als unwahrscheinlich, wenn nicht gar utopisch“, heißt es aus der Belegschaft. Und: „Wir müssen 2016 wohl alle mit einer großen Kündigungswelle in München rechnen.“

„Ich hoffe, die Münchnerinnen und Münchner werden sich ihren Hugendubel im Herzen Münchens nicht einfach so wegnehmen lassen“, schreibt ein Betroffener im Internet-Blog der Hugendubel-Beschäftigten.

Aber es schaut ganz so aus, als würde ihnen gar nichts anderes übrig bleiben.

 

 

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