Und plötzlich ein Gleis

Die Radler müssen noch warten: Wegen nicht kartierter Tramschienen verzögern sich die Bauarbeiten an der Schleißheimer Straße.
von  Linda Jessen
Bäume und Radlstreifen: Ab Mai soll die Schleißheimer Straße südlich der Elisabethstraße so aussehen.
Bäume und Radlstreifen: Ab Mai soll die Schleißheimer Straße südlich der Elisabethstraße so aussehen. © Baureferat

Schwabing West/Maxvorstadt - Längst vergessene Überreste aus vergangenen Zeiten auszugraben, ist eigentlich der Job von Archäologen. Gelegentlich finden aber auch Bauarbeiter die Zeugnisse früherer Generationen. Eine solche Überraschung gab’s auch imzuge der Arbeiten an der Schleißheimer Straße südlich des Nordbades, wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Freitagsausgabe berichtete. Allerdings lagen hier nicht einfach ein paar keltische Waffen oder römische Tonscherben herum. Unter dem herausgerissenen Fahrbahnbelag tauchte ein Trambahngleis auf. In den Planunterlagen war die Trasse nicht enthalten.

Die Schleißheimer Straße wird umgebaut, um zwei Radstreifen anzulegen und damit eine Nord-Süd-Achse durch die Maxvorstadt zu schaffen. Ende des vergangenen Jahres sollte alles fertig sein. Die Zeitplanung wurde von dem Geister-Gleis zerschossen, die Arbeiten konnten nicht mehr rechtzeitig vor der Winterpause abgeschlossen werden. Die Bauarbeiter müssen im Frühjahr nun doch noch einmal anrücken. Bis voraussichtlich Mai müssen die Radfahrer also weiterhin über die Teng- oder Winzererstraße ausweichen.

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Woher kommen die Geister-Gleise der Schleißheimer Straße

 

Aber wie kann es sein, dass eine ganze Tramtrasse aus dem kollektiven ÖPNV-Gedächtnis verschwindet? Matthias Korte, Sprecher der Stadtwerke München (SWM) betont zwar, dass es in der Unternehmenszentrale selbstverständlich eine zentrale Kartierung aller Linien gebe, inklusive stillgelegter Gleise. Dennoch könne es vorkommen, dass einzelne, nicht mehr genutzte Gleise nicht erfasst seien. Aus den Augen, aus dem Sinn quasi. 900 000 Euro haben die ursprünglich geplanten Arbeiten bisher gekostet. Der Mehraufwand für die Entfernung des Geister-Gleises und dessen Unterbaus wird allerdings nicht aus der Stadtkasse bestritten. Die SWM sind vertraglich dazu verpflichtet für den Rückbau alter Anlagen aufzukommen.

Auf den wieder aufgetauchten Schienen rollte einst die Linie 7 vom Josephsplatz gen Milbertshofen. Sie war Teil eines Trambahnnetzes, das viel weiter verzweigt war als das heutige: 135 Kilometer war es einst lang, 21 Linien gab es in München. Mit dem Bau von U-Bahn und S-Bahn verschwanden viele Gleise seit den 70er Jahren. Heute sind es nur noch 13 Linien.

Wo in der Stadt sonst noch vergessene Schienen schlummern, wird sich wohl Stück für Stück bei kommenden Umbauprojekten enthüllen.

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