Umbruch in der Maxvorstadt: Das Ende des alten Uni-Viertels

Das Sausalitos in der Maxvorstadt macht dicht. Die Zukunft des gesamten Gebäudes ist ungewiss.
von  Lea Kramer
Hier standen die Häuser der Nummer 52.
Hier standen die Häuser der Nummer 52. © Lea Kramer

Maxvorstadt - Im Februar füllten sie noch die Gläser zum 25-jährigen Jubiläum in der Türkenstraße. Am Rosenmontag tanzten weiße Engel auf dem Tresen des "Sausalitos". Und für Silvester ist eine große Party angekündigt – doch es könnte die letzte sein, denn die Cocktailbar mit Restaurant und Biergarten wird schließen.

Der Eigentümer des Gebäudes hat den Gewerbemietvertrag mit dem Eventgastronomen, der drei weitere Läden in München betreibt, gekündigt. "Somit wird die Filiale an dem Standort zum 31. Dezember 2019 leider geschlossen", sagt Dominic Cloudt, Marketingchef von Sausalitos. Man sei auf der Suche nach einem neuen Standort im Univiertel.

Univiertel: Geschäfte schließen, Häuser werden von Investoren abgerissen

Das Ende des Tex-Mex-Etablissements mit Biergarten im Hinterhof werden wohl einige Anwohner begrüßen. Erst kürzlich hatten sich ein paar Maxvorstädter in einer Bürgerversammlung über die Lautstärke im Viertel beschwert. Ohnehin gebe es dort zu viele Freischankflächen. Mit dem Ende des Sausalitos ist eine davon weg. Der Auszug der Cocktailbar wird allerdings eine andere Ruhe ins Viertel bringen, als sich die Anwohner bislang ausmalen. Mit der Schließung wird fortgeführt, was schon lange schleichend vorangeht: Die Türkenstraße verödet auf dem Abschnitt zwischen Theresien- und Schellingstraße zunehmend.

Wie das Planungsreferat bestätigt, hat der Eigentümer der Hausnummer 50 – ein Immobilienunternehmen aus Augsburg – im Juli dieses Jahres eine Anfrage für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage gestellt. "Das Vorhaben orientiert sich an der benachbarten Bebauung und wurde als überwiegend möglich beurteilt", sagt ein Sprecher der Behörde. Diese Aussage kann man zynisch finden, momentan ist neben dem Haus nur ein riesiges Loch. Nach langjährigem Protest von Lokalpolitikern hatte im Frühjahr der Abriss an der Türkenstraße 52-54 begonnen.

Hier standen die Häuser der Nummer 52.
Hier standen die Häuser der Nummer 52. © Lea Kramer

Versuche das Projekt zu stoppen scheitern

Vergeblich war versucht worden, das Projekt des Investors "Real-Treuhand Immobilien GmbH" noch zu stoppen. Die Tochterfirma der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich hatte den Komplex 2017 für 80 Millionen Euro gekauft. Sie plant auf dem Grundstück einen Neubau mit 64 Eigentumswohnungen, einem Laden und einer Tiefgarage.

Dafür mussten fünf Gebäude weichen. Einzig das Vorderhaus (Nummer 54) mit seiner prominenten Fassade und zehn Mieteinheiten darf bleiben: Es steht unter Denkmalschutz.

Ein paar Häuser weiter bangen die Mieter ebenfalls um die Zukunft ihrer Bleibe – und das schon seit mehr als einem Jahr. Im Dezember 2018 hatte der Bezirksausschuss (BA) Maxvorstadt einen Antrag auf Abriss in der Türkenstraße 66 zugestellt bekommen. Das Gebäude, in dem sich seit 1892 das Antiquariat J. Kitzinger befindet, gehört zu dem Komplex in der Schellingstraße 25/27. In einer überfallartigen Aktion hatte der neue Eigentümer damals alte Geländer und Metallgitter entfernen lassen. Der Vorwurf: Er wollte verhindern, dass das historische Haus wieder unter Denkmalschutz gestellt wird. Seine Planung sieht einen Neubau mit vielen kleinen Apartments vor. Vorerst muss der Eigentümer warten. Der BA hat den Bauantrag Anfang Herbst dieses Jahres einstimmig abgelehnt.

Grundstückspreise in der Maxvorstadt massiv gestiegen

Die Grundstückspreise in der Maxvorstadt sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Eine Untersuchung der Bodenrichtwerte durch Aigner Immobilien zeigt enorme Steigerungen. In der Türkenstraße (Hausnummer 26) und der Hartmannstraße liegen die Preissteigerungen zwischen 2014 und Ende 2018 bei 89 Prozent bzw. 85 Prozent, heißt es im Marktbericht.

Im Bezirksausschuss wollten deshalb einige die Türkenstraße unter Ensembleschutz stellen lassen. Dieses Vorhaben scheiterte im Frühjahr.

Die Absage aus dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) könnte für den Eigentümer der Türkenstraße 50 das entscheidende Signal gewesen sein. Schon länger bemerken Bewohner von Vorder- und Rückgebäude, dass etwas im Haus nicht stimmt. So würden Wohnungen nicht wieder vermietet, sagt ein Alteingesessener. Oder: Neue Mieter hätten befristete Verträge erhalten.

Blick auf Hausnummer 50 in Richtung Theresienstraße heute.
Blick auf Hausnummer 50 in Richtung Theresienstraße heute. © Lea Kramer

Der Eigentümer will sich zu dem geplanten Abriss nicht äußern

Während der Abrissarbeiten auf dem Nachbargrundstück hätte der Vermieter Ersatzwohnungen angeboten. Einige Mieter sahen sich in ihrer Befürchtung bestätigt, dass sie der Besitzer so aus dem Haus bekommen will. Die Gesellschaft will dazu nichts sagen. "Zu der Sache äußern wir uns nicht", heißt es auf Anfrage. Tatsächlich wird derzeit eine Wohnung im Dachgeschoss der Türkenstraße 50 über ein Immobilienportal inseriert – befristet bis September 2020.

Der Bezirksausschuss steht der Sache kritisch gegenüber. Wie die angrenzenden Gebäude steht die Türkenstraße 50 nicht unter Denkmalschutz. Das Hinterhaus ist 1953 entstanden. Vorder- und Hintergebäude haben großzügige Höfe. Für Nachverdichtung wäre dort noch Platz.

Die Hausnummern 60 bis 50 im Jahr 1925.
Die Hausnummern 60 bis 50 im Jahr 1925. © Stadtarchiv München

Die Bauprojekte in der Nachbarschaft haben allerdings gezeigt, dass Bauunternehmer zuweilen träge sind. Bis die ersten Mieter in ein Gebäude auf der Brache an der Nummer 52 einziehen werden, wird es dauern. Das Grundstück hat mehrmals den Besitzer gewechselt. Die alten Bewohner wurden vertrieben. Eine Veränderung des Milieus ist absehbar. 3.721 Euro kalt für eine Dreizimmerwohnung mit 116 Quadratmetern, wie sie aktuell in einem Neubau verlangt werden, werden sich Normalverdiener nicht leisten können. Bei den Häusern, die noch vor dem Abriss stehen, ist fraglich, wann und ob dort überhaupt gebaut wird.

Die typische Maxvorstädter Mischung aus Studenten, Künstlern und Wohlhabenden wird es in der Türkenstraße so nie wieder geben.

Lesen Sie hier: Wie Münchner aus der Maxvorstadt verdrängt werden

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