Ude kämpft um seinen Lieblings-Chinesen

Weil das Portal „Yelp“ fast nur noch schlechte Bewertungen des Lokals aufführt und gute filtert, leidet das Geschäft. Der OB, ein treuer Gast, ist böse...
von  Christian Pfaffinger
Seit 18 Jahren führt Jin Tao (58) das Lokal, das es schon seit bald 60 Jahren gibt. Nun setzen ihm Internet-Bewertung zu.
Seit 18 Jahren führt Jin Tao (58) das Lokal, das es schon seit bald 60 Jahren gibt. Nun setzen ihm Internet-Bewertung zu. © Petra Schramek

Weil das Portal „Yelp“ fast nur noch schlechte Bewertungen des Lokals aufführt und gute filtert, leidet das Geschäft. Der OB, ein treuer Gast, ist böse und rät allen Geschäftsleuten, sich zu wehren

Schwabing - Knuspriges Fleisch von der Entenbrust, Gemüse, eine leichte Schärfe und chinesische Gewürzbohnensoße. Das ist die Ude-Ente.

Jin Tao kocht sie gerne für Christian Ude, mit dem er schon befreundet war, als der SPD-Politiker noch nicht Oberbürgermeister Münchens war. Die Freundschaft hält seit über 30 Jahren – auch jetzt, wo es dem Wirt schlecht geht: Christian Ude macht sich stark für Jin Tao und wettert gegen ein Internetportal, das den Wirt seines chinesischen Stammlokals ruiniert.

„Ich finde das obzön, was dieses Portal macht“, sagt Ude im Interview mit der AZ. „Man kann doch nicht behaupten, dass eine neutrale und unzensierte Gesamtbewertung gezeigt wird, wenn man dabei nach nicht nachvollziehbaren Methoden aussortiert.“

Es geht um Yelp, eine Internetseite, auf der Nutzer Geschäfte bewerten können. Vom Wirtshaus über Copyshops bis hin zur Arztpraxis – jeder, der sich anmeldet, kann für jedes Geschäft Kritiken schreiben und Sterne vergeben. Das Ergebnis kann dann jeder im Internet sehen. Leider nicht unverfälscht.

Denn Yelp lässt die Bewertungen von einem automatischen Filter aussortieren. Viele Beiträge verschwinden oder werden nur noch versteckt angezeigt. In die Gesamtbewertung werden sie nicht mehr eingerechnet.

Es gehe darum, gefälschte Beiträge zu entfernen, so das Unternehmen mit Sitz in Irland. Seit Yelp Ende des vergangenen Jahres die in Deutschland führende Bewertungsplattform „Qype“ übernommen hat, haben viele Geschäftsleute auch in München Probleme. Denn Yelp ist Marktführer und hat als solcher große Macht. Oft fallen beim Filtern vor allem die positiven Bewertungen weg.

Auch bei Jin Tao und dessen Restaurant „Hong Kong“ in Schwabing. Die schlechte Bewertung macht ihm seither das Geschäft kaputt. „Ich verliere tausende Euro“, sagt er. „Und immer wieder sagen Kunden Reservierungen wieder ab, weil sie die schlechte Bewertung gesehen haben.“

Eine Sauerei, findet Ude: „Das Portal wirbt mit der Glaubwürdigkeit von Nutzerbewertungen. Aber wenn gefiltert wird, ist es keine Bewertung durch die Nutzer, sondern durch den Portalbetreiber.“ Der OB glaubt nicht, dass Jin Tao Beiträge gefälscht hat: „Sein Lokal hat viele Freunde, ich bin selbst Stammkunde. Wieso steht da eine positive Bewertung gleich unter Missbrauchsverdacht?“ Er esse gerne im „Hong Kong“, schon seit der Zeit, in der er noch eine Anwaltspraxis gegenüber hatte.

„Besonders unredlich finde ich es, wenn ein Zusammenhang zwischen den Bewertungen und dem Verkauf von Anzeigen besteht“, sagt Ude. Dieser Verdacht dränge sich hier ganz überdeutlich auf: Nachdem die guten Beiträge über Jin Taos Lokal verschwunden waren, bekam er immer wieder Anrufe, in denen ihm Anzeigenpakete angeboten wurden. Jin Tao wollte aber keine kaufen. Mit schlimmen Folgen, wie er glaubt. Seine Bewertung ist weiter mies. Yelp streitet einen Zusammenhang aber entschieden ab.

Trotzdem: Yelp schadet dem Restaurant und auch anderen Unternehmern in München. Nicht nur Wirten. Auch eine Friseurin, ein Optiker und eine Nagelstudio-Besitzerin meldeten sich bei der AZ, ebenso wie Leon Meisel. Er besitzt eine Hundepension in Aubing, auch er machte schlechte Erfahrungen mit Yelp: „Das ist ein dubioser Verein, vor dem kann man nur warnen.“ Auch bei Meisel verschwanden alle guten Bewertungen. „Obwohl ich weiß, welche Kunden das geschrieben haben und Rechnungen nachweisen kann. Das sind doch echte Menschen, wieso sollen das Fälschungen sein?“ Übrig geblieben ist ein negativer Eintrag aus dem Jahr 2011.

Er wollte dann den Eintrag seiner Hundepension „Dog Motel“ bei Yelp löschen lassen. Doch das Unternehmen verwies darauf, dass die Geschäftsdaten doch öffentlich seien, deshalb werde nichts gelöscht.

Den Geschäftsleuten bleibt nur, gerichtlich gegen Yelp vorzugehen und öffentlich zu protestieren. Das empfiehlt auch Ude: „Ich kann den betroffenen Wirten und Unternehmern nur raten, sich mutig gegen die Praxis von Yelp zu wehren und der Öffentlichkeit zu zeigen, wie dieses Portal vorgeht.“

Seinen Stamm-Chinesen will er sich von Yelp nicht ruinieren lassen. „Es ist das einzige China-Restaurant, in dem man bei einer Sauer-Scharf-Suppe über Thomas Mann diskutieren kann“, hat er mal über das „Hong Kong“ gesagt. Der Wirt, Jin Tao, ist studierter Germanist und literarischer Feingeist. Doch im Kampf mit Yelp wird auch er wütend: „Diese Leute ruinieren die Existenz anderer Menschen – und das ganz ohne schlechtes Gewissen.“

So reagiert Yelp

Eine Sprecherin bestreitet die Vorwürfe. Und der Chef will expandieren

Das Unternehmen weist alle Vorwürfe zurück. Die Übernahme von „Qype“ sei ein Erfolg gewesen, sagt Yelp-Sprecherin Hanna Schiller auf Anfrage der AZ. Sie verteidigt auch die umstrittene Empfehlungssoftware. Diese sei „automatisiert“ und deshalb „objektiv“. Zur Methode, nach der die Software filtert, sagt sie nur, dass es dabei um die Qualität der Beiträge sowie die Aktivität der Bewerter und deren Vertrauenswürdigkeit gehe.

Eine Manipulation im Zusammenhang mit den angebotenen Anzeigenpaketen gebe es nicht: „Für kein Geld der Welt kann jemand Beiträge auf der Geschäftsseite bei Yelp entfernen, hinzufügen oder in irgendeiner Weise beeinflussen lassen.“

Zu den einstweiligen Verfügungen, die bereits gegen Yelp erwirkt wurden, sagt die Yelp-Sprecherin: „Yelps Ziel ist es, deutschen Verbrauchern nützliche Informationen zu empfehlen. Die einstweiligen Verfügungen sind unsachgemäße Versuche, Yelp von diesem Ziel abzuhalten.“ Auf die Nachfrage, warum Yelp bisher nicht auf die Gerichtsbeschlüsse eingegangen ist, sagt sie: „Sobald die entsprechenden Unterlagen ordnungsgemäß bei Yelp Irland, der richtigen Anlaufstelle für Yelp.de und andere europäische Yelp-Domänen vorliegen, ist Yelp gerne bereit, seinen Fall vor einem Gericht zu vertreten.“

Auch Yelp-Chef Jeremy Stoppelman selbst hat sich zu Wort gemeldet. Der 37-jährige Amerikaner hat kürzlich auf einer Digitalkonferenz in München der „Wirtschaftswoche“ ein Interview gegeben. Von den Protesten gegen sein Unternehmen gibt er sich unbeeindruckt: „Wir machen business as usual“, sagt er. „Denn wir denken erst an den Konsumenten, der verlässliche Empfehlungen auf Yelp lesen will. Und erst dann an den Gewerbetreibenden als einen möglichen Geschäftskunden.“

Der Yelp-Chef plant nach der Übernahme von Qype bereits den nächsten großen Schritt in Deutschland: Nicht nur Empfehlungen einzustellen, sondern eine Bestellplattform zu werden. „Bei Amazon findet man alles, was man im Internet bestellen kann.

Das Gleiche wollen wir im lokalen Bereich werden.“ So könnte man bald etwa auf Yelp einen Tisch im Restaurant reservieren und Schmuck beim Goldschmied um die Ecke bestellen – oder eben nicht, wenn der miese Bewertungen hat.

 

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