Traditionswirtshaus in München schließt: Aus fürs Zwingereck nach 42 Jahren
Ein weiteres Traditionswirtshaus ist nun dicht – viele Stammgäste trauern. Augustiner plant schon eine neue Gaststätte.
Die Speisekartenkästen sind leer, die Türen verschlossen. Der Blick durch die Fenster offenbart Trostlosigkeit: Keine Lampen mehr, Stühle stehen verkehrt herum auf den Holztischen. Zapfenstreich in einer der traditionsreichsten Münchner Gaststätten: dem Zwingereck.
Die Augustiner-Brauerei, der das Anwesen an der Ecke Rumford-/Zwingerstraße gehört, bestätigt der AZ das Aus des Zwingerecks: Nach über 42 Jahren habe die Pächterfamilie Kulz aufgehört. In den Räumlichkeiten werde es mit einem Gastronomie-Objekt weitergehen.
Welcher Art wird dieses sein? Wer wird neuer Pächter? Dazu will sich Augustiner erst "in Kürze" äußern. Fakt ist: Eine so unspektakuläre wie geradlinige Wirtschaft wie das von unzähligen Stammgästen geliebte Zwingereck wird nicht nachfolgen. Augustiner ist zwar eine Brauerei, die sich – anders als andere – ihrer Münchner Tradition verpflichtet fühlt und die Wirtshaus-Kultur pflegt (Augustiner-Eminenz Ferdinand Schmid war auch selbst oft Gast im Zwingereck). Doch ein Gasthaus, das über viele Jahrzehnte seinen ganz bestimmten, durchaus auch rauen Charme entwickelt hat, ist natürlich etwas Anderes als eine Neueröffnung – sei sie auch noch so schön.
Im Zwingereck "kannte man sich. Da fühlte man sich wohl"
"Das Zwingereck hatte Seele", sagt eine Frau um die fünfzig vor der verschlossenen Gasthaustür: "Da kannte man sich, da fühlte man sich wohl. Ich kenne viele, die richtig traurig sind, dass es unser Wirtshaus nicht mehr gibt." Nur wenige Meter entfernt vom belebten Isartorplatz mit Kinopalast und Trend-Fast-Food-Angeboten hielt sich im Zwingereck die echte Altmünchner Wirtshaus-Kultur ohne jeglichen Schnickschnack und Zeitgeist – weder bei der Einrichtung, noch beim Essen: Unter der hölzernen Decke mit den großen Geweih-Lampen waren viele Stammtische daheim. Es wurde gekartelt, geratscht und philosophiert. Menschen aus der Nachbarschaft trafen sich auf ein Bier, zu Schweinsbraten mit Knödel oder Leberkäs mit Spiegelei. Auch Familien waren gerngesehen und erfreuten sich an den üppigen Portionen zu fairen Preisen – mitten in der Innenstadt.
Im Eckhaus in der namensgebenden Zwingerstraße gab’s simple Holzstühle, blankgeputzte Tische, Steinboden und eine Wirtin an der Spitze der Pächterfamilie, die wie ihr Gasthaus manchmal etwas rau wirkte, obwohl sie tatsächlich eine durchaus herzliche Frau war, beziehungsweise ist.
Wirtin Iva Kulz, inzwischen längst im Rentenalter, hat auch dafür gesorgt, dass im Zwingereck neben bayerischen Klassikern auch Spezialitäten aus ihrer kroatischen Heimat auf den Tisch kamen, wie mit Schafskäse gefüllte Pljeskavica – Hacksteaks. Die schmeckten seinerzeit auch bald den Münchner Grantlern, die man weit häufiger im Zwingereck antraf, als Hipster und anderes vermeintlich angesagtes Publikum. Bleibt abzuwarten, ob dies auch im neuen Lokal an altbekannter Stelle so sein wird.